Haushalt Bensheim

Kommunalberatung gibt Empfehlungen zum Haushalt in Bensheim

Die Erkentnisse der Kommunalberatung umfassen eine detaillierte Analyse des Ist-Zustandes und zahlreiche Empfehlungen zur Sanierung des Haushaltes und weiteren Einnahmen im Bürgerhaus Kronepark.

Von 
Anna Meister
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Die Hessische Kommunalberatung stellte im Bürgerhaus Kronepark die Ergebnisse des Termins mit der Bensheimer Stadtverwaltung und -politik vor. © Thomas Zelinger

Bensheim. Die Ausgangslage ist klar: Das Haushaltsdefizit der Stadt Bensheim muss schrumpfen – und zwar schnell, wenn es nach den Aufsichtsbehörden geht. Die einst sprudelnde Quelle der Gewerbesteuereinnahmen ist zu einem kleinen Rinnsal verkommen. Und auch die nächsten Jahre versprechen keinen Geldregen. Was zur Folge hat, dass vor allem die freiwilligen Angebote der Stadt – Kulturbetrieb, Bäder, Sportstätten und mehr – nichtmehr in gewohnter Weise „gewässert“ werden können.

Was von Magistrat, Verwaltung und Stadtverordnetenversammlung nun in einem gemeinsamen Kraftakt gefordert ist, ist, mit absoluter Konsequenz schmerzhafte Einsparungen vorzunehmen. Gewohnte Annehmlichkeiten müssen hinterfragt, reformiert oder gestrichen werden, ohne die Infrastruktur der Stadt nahhaltig zu beschädigen. Kurzum geht es um die Frage: Welche Angebote sind auch in Krisenzeiten lebensfähig, welche Projekte kränkeln? Triage im städtischen Kultur-, Verwaltungs- und Finanzsystem.

Perspektiven darüber, wie der Spagat zwischen dem Erhalt und der Reform des gesamten städtischen Apparates gelingen könnte, lieferte am Donnerstagabend die Bürger-Informationsveranstaltung, zu der Bürgermeisterin Christine Klein ins Bürgerhaus Kronepark in Auerbach eingeladen hatte.

Gegenstand waren die Erkenntnisse aus dem Treffen mit der Hessischen Kommunalberatung, das am 21. Januar stattfand. Volker Mosler (Hessisches Innenministerium), Thomas Ihrig und Christian Petersohn vom Landesbeauftragten für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung sowie Dr. Kerstin Kümpel und Vera Chaudhuri (Hessisches Finanzministerium) waren zu Gast, um die Ergebnisse der Beratung an die Bürgerinnen und Bürger weiterzutragen und deren Fragen zu beantworten.

Zahlreiche hessische Kommunen in Schieflage

Volker Mosler erklärte, dass innerhalb der Kommunalberatung Finanzministerium, Rechnungshof und Innenministerium eine Einheit bilden. „Wir sind keine Aufsicht und geben entsprechend keine Handlungsanweisungen oder Ihren Konsolidierungszeitraum vor. Wir geben von außen Impulse, wie Verwaltung und Politik geschickt agieren können, um die Stadt mit gezielten Einsparungen auf einen geraden Pfad zu bringen.

Die hessischen Kommunen befinden sich zu großer Mehrheit in einer finanziellen Schieflage: Das zeigt auch die Terminlage der Kommunalberatung. „Aktuell liegen wir bei der Vergabe im August.“ Bensheim hatte das „Glück“, ein so extremer Sonderfall zu sein, dass es früher geklappt hat. „Von heute auf morgen fand sich Bensheim, einst mit guten Rücklagen ausgestattet, in der Misere wieder“, so Mosler. Inwiefern der Gewerbesteuereinbruch vorhersehbar hätte sein können, konnte und wollte er an dieser Stelle nicht beurteilen. Die Debatte im Stadtgespräch hat sich in den vergangenen Wochen ohnehin von Schuldzuweisungen wegbewegt, hin zur gemeinsamen Suche nach Lösungen.

Bürgermeisterin Klein und Mosler hoben an dieser Stelle die erarbeiteten Vorschläge des Bürgenetzwerks Bensheim hervor: „Es gibt sehr viele gute Ansätze, die teilweise bereits jetzt vertiefend beraten werden.“

Leistungsfähigkeit Bensheims ist bedroht

Christian Petersohn beleuchtete in seiner Präsentation die Ist-Situation der Stadt, basierend auf den Zahlen des Nachtragshaushaltes 2024. Mithilfe des kommunalen Auswertungssystems Hessen, kurz kash, des Innenministeriums kann die finanzielle Leistungsfähigkeit einer Kommune insbesondere für den Zweck der Haushaltsgenehmigung dargestellt werden. Der Wert basiert im Wesentlichen auf Plan-Daten. In Bensheim ist die Ampel 2024 auf Rot gesprungen: „Ihre Leistungsfähigkeit ist gefährdet.“ In den Jahren vorher habe die Stadt zwar regelmäßig mit Defiziten geplant, die Gewerbesteuereinnahmen konnten die Haushalte der vergangenen Jahre wegen übertroffener Schätzungen allerdings immer „retten“. Durch regelmäßige Überschüsse konnte die Stadt Rücklagen von rund 20 Millionen Euro bilden. Doch selbst die reichen nicht aus, um das Defizit auszugleichen. Mindestens bis 2027 geht Petersohn von einem weiteren jährlichen Defizit im zweistelligen Millionenbereich aus, sodass sich die Mindereinnahmen der Stadt innerhalb dieses Zeitraums auf rund 85 Millionen Euro aufsummieren wird.

Pro-Kopf-Verschuldung in Höhe von 5935 Euro

Da die Stadt um die Aufnahme von Liquiditätskrediten nicht herumkommen wird, sei es wichtig, den Konsolidierungszeitrum so gering wie möglich zu halten, um das Defizit nicht weiter zu verschleppen. Schließlich müssen neben Einsparungen auch weitere Einnahmen her, um die Kredite abbauen zu können. Jedoch erscheinen fünf Jahre nicht nur der Bürgermeisterin zu knapp, sondern auch Stadtpolitik und -gesellschaft. Derzeit liegt die pro-Kopf-Verschuldung in Bensheim bei 5935 Euro – nur in Neu-Isenburg ist sie mit fast 6100 Euro noch höher.

Immerhin etwas „Gutes“ hat die Situation der Stadt: Während Bensheim in Vergangenheit zu den finanzstärksten Kommunen gehörte und über Jahre die Haushaltssanierung finanzschwächerer Kommunen mitfinanzierte, bekommt sie nun auch etwas: 10 Millionen Euro aus dem kommunalen Finanzausgleich des Landes Hessen.

Freiwillige Leistungen gehen meist mit Verlusten einher

Petersohn ging im Folgenden auf das Leistungsportfolio der Stadt ein: zu 100 Prozent freiwillig sind unter anderem die Bereiche Schulträgeraufgaben (abgegolten durch die Schulumlage an den Kreis Bergstraße), Kultur, Wissenschaft, Soziale Leistungen, Sport-, Tourismus- und Wirtschaftsförderung. Die Plandefizite im Jahr 2024 beliefen sich in Bensheim im rein freiwilligen Bereich auf über 13 Millionen Euro – in der kommunalen Vergleichsgruppe liegt die Stadt damit hinter Bad Vilbel und Neu-Isenburg. Kurzum: Der Kommunalberatung zufolge ist eine Konsolidierung im freiwilligen Bereich möglich.

Nur: wo und wie beginnen? Um dabei eine zukunftsorientierte Antwort zu finden, muss die Stadt einen Trend besonders im Auge haben: den demografischen Wandel. Bensheim muss bis 2035 mit einer leicht sinkenden Einwohnerzahl rechnen, der Anteil der älteren Menschen wird ansteigen. Eigentlich kein Geheimnis – mit einer immer weiter alternden Gesellschaft müsse auch die Infrastruktur der Stadt Bensheim überdacht, an manchen Stellen zurück- an anderen ausgebaut werden.

Bis 2035 wird die Gruppe der 40- bis unter 60-Jährigen um 24 Prozent schrumpfen – sie macht jedoch den größten Einkommenssteueranteil aus, die Einnahmen werden rein demografisch bedingt also weiter schrumpfen. Schrumpfen wird auch das Personal im Rathaus: in den kommenden fünf bis 15 Jahren werden 45 Prozent der Angestellten in den Ruhestand gehen. „Die Stadt muss sich fragen, was sie sich einerseits leisten möchte und was sie andererseits mit halb so viel Personal wie derzeit aufrechterhalten kann“, so Petersohn. Je weniger Fachpersonal verfügbar sei, umso teurer werde dessen Arbeitsleistung. Gleichzeitig steige der Konkurrenzdruck zwischen den Kommunen. Statt sich aber gegenseitig das Personal abzuwerben, müsse der Fokus noch stärker als bisher auf die interkommunale Zusammenarbeit gelegt werden. Etwa in den Bereichen Kasse, Steuerung oder Finanzen.

Welche Konsolidierungsempfehlungen gibt es?

Bensheim unterscheidet sich in seiner Ausgabenstruktur in vielen Bereichen kaum von anderen Mittelstädten, hat jedoch überdurchschnittlich hohe Kosten in den Bereichen Innere Verwaltung, Kultur, Kinder- und Jugendpflege sowie Natur- und Landschaftspflege. Zu den Kosten der Inneren Verwaltung gehört allerdings mehr als nur das Personal: Enthalten ist auch das Gebäudemanagement, die Instandhaltung der städtischen Immobilien wie die Dorfgemeinschafts- oder Feuerwehrhäuser in zehn Stadtteilen. Die hohen Kosten im Kulturbereich begründen sich im außergewöhnlich reichhaltigen Portfolio der Stadt. „Hier wurde über Jahre ein sehr hohes Niveau geschaffen.“ Peterson zufolge ist Konsolidierungspotenzial in vielen Bereichen vorhanden. Sie alle bedürfen allerdings der politischen Abwägung und Entscheidung der Stadtverordnetenversammlung.

Eine Empfehlung der Kommunalberatung: Die städtische GmbH- und Eigenbetriebsstruktur sollte im Rahmen einer Wirtschaftlichkeits- und Organisationsuntersuchung überprüft werden. Lauten Applaus erntete an dieser Stelle die Forderung des Bürgernetzwerks, das Eigenkapital der Marketing- und Entwicklungsgesellschaft Bensheim (MEGB) in Höhe von rund 13 Millionen Euro an die Stadt auszuschütten. Ralf Vesper vom Bürgernetzwerk erklärte: „Jede zusätzliche Million bedeutet 60 Hebesatzpunkte weniger.“

Neben dem Ausbau der interkommunalen Zusammenarbeit sollte die Stadt zudem regelmäßig ihre Gebührensatzungen kostendeckend fortschreiben. Nachdenken konnte die Stadt zudem über die Erhöhung der Spielapparatesteuer: 20 Prozent sind es derzeit, weiter fünf sind rechtlich möglich. Bei der Hundesteuer liege Bensheim bereits über dem Schnitt – im Saal fiel daraufhin mehrfach das Wort „Katzensteuer“. Zusätzliche Einnahmen könnte zudem die Einführung der Zweitwohnsitzsteuer bringen. Und auch bei der Gewerbesteuer könnte überlegt werden, ob sie wirklich unangetastet bleiben soll: „Bei der Gewerbesteuer liegt der Hebesatz nach dem Plan 2024 bei 390 Hebesatzpunkten. Ein Hebesatz bei der Gewerbesteuer bis zu 400 Punkte belastet Einzelunternehmen und Personengesellschafter nicht, da bei diesen die Gewerbesteuer bis zu einem Hebesatz von 400 Hebesatzpunkten in voller Höhe die tarifliche Einkommensteuer mindert“, so Petersohn.

Grundsteuer B wird wohl bei rund 1000 Punkten liegen

Jeder Konsolidierungsvorschlag hilft, den Grundsteuerhebesatz zu drücken. Die Erhöhung sei die Ultima Ratio. „Hilfreich ist es bei der Entscheidung über den Hebesatz mit Preisschildern zu arbeiten. Welche Leistung macht wie viele Hebesatzpunkte aus? Und ist es im Interesse der Stadtgesellschaft, diese Leistung zugunsten einer niedrigeren Grundsteuer zu streichen?“, erklärte Petersohn. Alle freiwilligen Leistungen einzustampfen würde etwa 838 Hebesatzpunkte bedeuten. „Nur, wollen Sie das?“ Die Entscheidungen hierüber müssen gemeinschaftlich getroffen werden. Bürgermeisterin Christine Klein erklärte, die Grundsteuer B werde sich vermutlich um die 1000 Punkte bewegen, immerhin schon einmal deutlich weniger als die ursprünglich vorgeschlagenen 1740.

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Trotzdem: für junge Familien steigen damit die Belastungen, warf eine Bürgerin ein. „Bezahlbaren Wohnraum zu finden, ist schwer genug, wir zahlen noch dazu 400 Euro für einen Krippenplatz. Die jüngere Bevölkerung trägt ehrenamtlich einen großen Teil an Pflichtaufgaben wie dem Brandschutz. Es sollte alles getan werden, um sie zu entlasten.“ Klein sicherte dem Publikum zu, dass die Grundsteuer, sobald es die Lage zulasse, abgesenkt werden soll.

Weiter kündigte die Bürgermeisterin eine tiefergehende externe Analyse zur Effizienz der Verwaltung an. Dafür seien im 2025er Haushaltsentwurf 250.000 Euro eingestellt. „Diese Kostenschätzung ist absolut realistisch“, so Klein. Nach der Bürgerversammlung im Dezember hat der Magistrat den Haushaltsentwurf für 2025 aufgestellt mit dem Ziel, die Belastungen für die Bürger und Unternehmen so gering wie möglich zu halten. Es seien bereits viele Konsolidierungsmaßnahmen eingearbeitet worden, auch die Haushaltssperre zeige Wirkung. Genauere Ausführungen zum Haushalt konnte Klein aus rechtlichen Gründen derzeit nicht machen, da das Zahlenwerk noch einmal im Magistrat beraten und beschlossen werden muss. Danach kann es eingebracht werden und die Verhandlungen in der Stadtpolitik beginnen.

Redaktion

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