Es soll Manager geben, die sich auf einem neuen Posten erst einmal eine Schonfrist gönnen. Jürgen Otto, der frisch gebackene Vorstandsvorsitzende von Heidelberger Druckmaschinen, gehört nicht dazu. Erst zehn Tage im Amt, sagt er: „Wir setzen uns ehrgeizige Ziele und werden hart dafür arbeiten. Ich habe hohe Ansprüche an mich und mein Team. Prinzip Hoffnung auf dem Markt allein genügt nicht“, sagt Otto. Aus seiner Sicht ist in der Vergangenheit in Wiesloch einiges viel zu rosa gefärbt worden.
Jürgen Otto ist Nachfolger des glücklosen Ludwin Monz. Lange hat Otto für den Autozulieferer Brose gearbeitet, zuletzt leitete er den Bekleidungshersteller s.Oliver. Vor allem die auf ständige Produktivitätsverbesserungen getrimmte Autozulieferindustrie hat ihn viel gelehrt. Seine Fähigkeiten will er nun bei Heidelberger Druckmaschinen nutzen. Er habe keine Sekunde gezögert, die neue Aufgabe in Wiesloch anzunehmen, sagt der 59-Jährige.
Das Unternehmen kommt gerade aus der Kurzarbeit, dank Aufträgen aus der Branchenmesse drupa ist sie nicht mehr nötig. Die Frage aber bleibt: Wie nachhaltiges Wachstum generieren? Der Niedergang des klassischen Drucks in Zeiten des Internets setzt dem Unternehmen seit Jahren in seinem Kerngeschäft zu. Neue Geschäftsfelder wie die gedruckte Elektronik wurden bereits aufgegeben, auch die Wallbox-Sparte schwächelt.
Hinter den Kulissen tüftelt Otto an einer Strategie, die er noch in diesem Jahr vorstellen will. Klar ist, dass die Belegschaft vor neuen Einschnitten steht. Die Personalkosten mit über 30 Prozent hält Otto im Branchenvergleich für viel zu hoch. Die knapp 10 000 Beschäftigten kosten das Unternehmen jährlich mehr als 800 Millionen Euro. „Wir müssen bewusster mit Geld umgehen.“ Ob die Beschäftigten nach all den bisherigen Sparkursen und Stellenstreichungen mitziehen werden? Otto ist überzeugt: ja. Und schiebt hinterher, dass die aktuelle Forderung der IG-Metall in der Tarifrunde von sieben Prozent mehr Geld für Heidelberger Druckmaschinen nicht machbar sei. „Ich habe keine Angst vor unpopulären Aussagen.“
Der Manager bringt einen „Zukunftsfonds“ ins Spiel, mit dem künftige Investitionen gestemmt werden sollen. Der Fonds speist sich, so der Plan, aus laufenden Einnahmen - beziehungsweise aus Mitteln, die an anderen Stellen durch Sparen oder mehr Effizienz frei werden.
Jürgen Otto wünscht sich mehr Präsenz in den Büros
Otto ist pausenlos unterwegs, trifft sich mit Beschäftigten, besucht Standorte auf der ganzen Welt. Künftig soll mehr vor Ort in den Märkten produziert werden, vor allem im Wachstumsmarkt China. Auch Gespräche mit der Arbeitnehmervertretung hat es schon gegeben. Positiv seien sie gewesen, berichtet Otto. Aus den Reihen der IG Metall Heidelberg ist zu hören, der Neue sei offen und klar in der Kommunikation.
Die Mitarbeiter sollen öfter ins Büro kommen. Derzeit sind zwei Tage Homeoffice vereinbart. Otto macht keinen Hehl daraus, dass ihm lediglich ein Tag lieber wäre. Die Beschäftigten sollen noch enger zusammenarbeiten.
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