Zwingenberg. Wenn sie eines nicht ausstehen kann, dann sind es Stereotypen. Zum Beispiel das Klischee, wonach Frauen am liebsten feinherbe Roséweine trinken und Männer stets trockene Weißweine bevorzugen. Oder dass Weinköniginnen immer Dirndl tragen. Beim Gesprächs- und Fototermin mit dem BA setzt Katja Simon daher schon mal ein Zeichen: Statt im Kleid kommt sie in Jeans und Pulli – und ins Glas kommt ein Riesling, und zwar ein trocken ausgebauter.
Am 6. Juli tritt die grundsympathische Zwingenbergerin die Nachfolge von Nina Kaltwasser als Bergsträßer Weinkönigin an, die Krönung erfolgt am kommenden Samstag auf dem Heppenheimer Weinmarkt (19.30 Uhr, Amtshof). Ein Jahr lang – bis zum Winzerfest 2025 – wird die 23-Jährige dann als Repräsentantin des Weinanbaugebiets Hessischen Bergstraße, dem zweitkleinsten Anbaugebiet Deutschlands, bei vielen Veranstaltungen im Einsatz sein. Und die Vorfreude ist groß, weil Katja Simon das Gefühl hat: „Jetzt passt’s!“ Das wäre vor wenigen Jahren noch anders gewesen, denn in die vielzitierte Wiege gelegt wurde der Winzertochter eine berufliche Laufbahn im Weinbau nicht.
Eine Spätberufene, die zur Durchstarterin wird
„Ich bin nicht von Kindesbeinen an mit auf dem Traktor in den Wingert gefahren“, macht Katja Simon kein Geheimnis daraus, dass sie in Sachen Weinbau sozusagen eine Spätberufene ist, die jedoch zur Durchstarterin wurde. Obgleich im renommierten Weingut Simon-Bürkle aufgewachsen, das 1991 von ihrem Vater Kurt Simon und dessen Freund Wilfried Bürkle gegründet wurde, stand nach dem Abitur an der Bensheimer Liebfrauenschule erst einmal nicht fest, wohin die berufliche Reise gehen soll.
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Mit ihrer Mama Dagmar Simon, die das Weingut nach dem Tod ihre Mannes Kurt gemeinsam mit Johannes Bürkle, dem Sohn des ebenfalls verstorbenen Wilfried Bürkle, führt, vereinbarte sie ein auf drei Monate angelegtes Praktikum im eigenen Betrieb. „Ich wollte sehen, ob das für mich taugt“ – das war im Jahr 2018, und es taugte: Bereits nach zwei Wochen wurde aus dem Praktikums- ein Ausbildungsvertrag. Und nach zwei Jahren schloss Katja Simon als Winzerin mit Bestnote ab.
Über ihr Master-Studium in Wien und Geisenheim
Für eine Winzerin ist die Metapher „sie hat Blut geleckt“ sicher unpassend, allenfalls war’s ein Bergsträßer Spätburgunder, der Katja Simon auf den Geschmack gebracht hat: So oder so war das Verlangen nach noch mehr Wein-Wissen geweckt und sie setzte ausbildungsmäßig noch einen drauf: Von 2020 bis 2023 studierte sie an der Hochschule Geisenheim University „Weinbau und Önologie“ und schloss mit dem Bachelor ab.
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Um ihr Wissen weiter zu vertiefen, startete sie im selben Jahr in den Master-Studiengang „Weinbau, Önologie und Weinwirtschaft“, der gemeinsam von ihrer Geisenheimer Uni mit der Universität für Bodenkultur in Wien angeboten wird. Zwei Semester hat die 23-Jährige nun in der österreichischen Hauptstadt studiert, um ab Herbst ihr Joint-Degree-Master-Studium in Geisenheim fortzusetzen.
Weinköniginnen aus Zwingenberg
Von den bislang 70 Bergsträßer Weinköniginnen stammen acht aus Zwingenberg:
- 1964/1965: Renate Lehrian
- 1980/1981: Monika Lutzi
- 1986/1987: Birgit Kissel
- 1989/1990: Carmen Becker
- 1993/1994: Anja Aßmus
- 2000/2001: Petra Gärtner
- 2008/2009: Susanne Bürkle
- 2024/25: Katja Simon
Unterstützung bekam Katja Simon von allen Seiten
Dort lebt sie in einer Studierenden-WG, zu der bis vor Kurzem auch Charlotte Weihl – die aktuelle Pfälzische Weinkönigin – gehörte. Mit ihr und Nina Kaltwasser, der noch amtierenden Bergsträßer Majestät, ist sie immer wieder in einem guten Austausch darüber, was einen als Weinkönigin alles so erwartet. Zum Beispiel eine Vielzahl von Terminen: Schon gleich nach ihrer Krönung wird Katja Simon die Deutschen Weinhoheiten zur Odenwälder Weininsel begleiten, das Auerbacher Bachgassenfest besuchen und bei der Krönung der Vierburgenkönigin in Neckarsteinach mit von der Partie sein.
Quasi im Dauereinsatz ist sie dann beim Bergsträßer Winzerfest im Spätsommer in Bensheim: Neun Tage lang geht’s rund. Bange ist Katja Simon vor dem neuen Lebensabschnitt als gekröntes Haupt nicht, weil sie auf ein gutes Umfeld vertrauen kann: Familie, Freunde und Kommilitonen sowie der Weinbauverband sind ihr gute Stützen. „Ich fühle mich supergut aufgehoben.“ Und fachlich hat sie’s ohnehin drauf: „Ich kann sicher nicht alle Fragen beantworten, aber das ist schon mein Anspruch an mich: Ich will wissen, wovon ich rede!“
Und gibt’s schon Pläne für die Zeit nach der Amtszeit als Bergsträßer Weinkönigin? Wenn alles stressfrei funktioniert, dann soll 2025 der Master-Abschluss erfolgen. Ob sie dann in den heimischen Betrieb einsteigt, das lässt Katja Simon offen: „Vorstellen kann ich mir das durchaus.“ Aber vielleicht geht’s ja – nach Praktika in der Pfalz und im Rheingau, auf Mallorca und am Kalterer See – auch mal auf die Südhalbkugel der Erde.
Ihr Vater Kurt Simon war dereinst Praktikant in Südafrika, Johannes Bürkle wiederum sammelte Erfahrungen in Australien. „Ich bin noch jung und mache mir keinen Druck, jetzt genieße ich erst einmal die Zeit als Bergsträßer Weinkönigin“, ist Katja Simon auch ihrer Mama Dagmar dankbar, „dass sie mir und meiner Schwester Diana immer die freie Wahl gelassen hat, was wir beruflich machen“. Ihre zwei Jahre jüngere Schwester packt im Weingut zwar auch immer wieder mit an, studiert aber nach ihrer Ausbildung zur Logistikmanagerin nun BWL.
Lieber Bergsträßer Riesling als Grüner Veltliner
In Wien hat Katja Simon für sich entdeckt, „dass ich einfach kein Stadtkind bin“ – und dass der dort gerne verkostete Grüne Veltliner, so gut er auch schmecken mag, gegen einen Bergsträßer Riesling einfach nicht ankommt. „Und obwohl ich meine Komfortzone gerne verlasse und neue Länder und Kulturen erkunde, fühle ich mich meiner Heimat tief verbunden“, so die 23-Jährige: „Mir wird es eine Ehre sein, die Hessische Bergstraße mit ihren Winzerinnen und Winzern als Bergsträßer Gebietsweinkönigin zu repräsentieren.“ Und die können sicher sein: Katja Simon wird ihre Sache gut machen.
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