Fortbewegung

Täglich Hürden mit dem Rollator in Heppenheim meistern

Die 85-jährige Gerda Ensinger ist auf eine Gehhilfe angewiesen. Einige Wege in der Kreisstadt erweisen sich dabei als tückisch.

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nab/ü
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Gerda und Alfred Ensinger zeigen die Tücken auf dem Weg von der Lessingstraße zum Bahnhof auf. Fehlende Absenkung, Löcher im Asphalt, Überhänge von Pflanzen und Bürgersteige mit Schräge sind für Rollatornutzer ein Problem. An der Bushaltestelle in der Uhlandstraße würde sich Gerda Ensinger wünschen, dass der Stadtbus näher an die Bordsteinkante fährt. © Dagmar Jährling

Heppenheim. Der graue Rollator mit den ungleich großen Rädern ist schon beim Eintreffen in der Lessingstraße vom Bürgersteig aus gut zu sehen. Hinter einem in der Einfahrt parkenden Auto steht er schon im Hof des Mehrfamilienhauses der Familie Ensinger in Fahrtrichtung bereit. So als wisse er schon, dass es jederzeit losgehen kann.

Doch bevor es so weit ist und seine Zeit als Hilfsmittel auf dem Weg zum Heppenheimer Bahnhof gekommen ist, schnappt sich die 85-jährige Gerda Ensinger zunächst ihre Handtasche vom Stuhl, zieht die Tür hinter sich zu und arbeitet sich dann vorsichtig, aber gleichzeitig auch kraftvoll die 16 Treppenstufen vom Obergeschoss bis ins Erdgeschoss hinunter.

„Ich bezeichne es als mein tägliches Training“, scherzt Gerda Ensinger und strotzt trotz gesundheitlicher Einschränkungen nur so vor Energie. „Solange ich es kann, mache ich es auch“, begründet sie ihre Motivation, mehrmals täglich die Treppenstufen runterzugehen, anstatt auf einen Treppenlift zu setzen. Für Besorgungen in der Stadt, Arztbesuche in Heppenheim, aber auch für Spielenachmittage mit Freunden verlässt sie mehrmals am Tag das Haus. Nur zu Hause rumzusitzen, kommt für die Ensingers nicht infrage. Schon seit 1960 wohnen sie in Heppenheim und wie man weiß, ist der Mensch ein Gewohnheitstier. Mit dem Alter ins Erdgeschoss zu ziehen, war für Gerda und ihren Mann Alfred daher keine Option. Auch wenn sie die Treppenstufen auf diese Weise hätten umgehen können.

Gemeinsam durchs Leben gehen sie schon lange. Erst letztes Jahr feierte das Ehepaar eiserne Hochzeit. Daher begleitet Alfred Ensinger seine Frau auch an diesem Tag zum Bahnhof. Sie geht am Rollator, er am Gehstock. Sich in Begleitung ihres Mannes oder alleine selbstständig in der Stadt bewegen zu können, ist der Rentnerin wichtig. An der Haustür angekommen, bewältigt sie daher auch noch die letzten Stufen in den Hof.

Schrittgeschwindigkeit für Autos ist eine Erleichterung

Ihre Handtasche verpackt sie sicher in der Halterung ihres Rollators. Dadurch hat sie die Hände frei und kann Einkäufe gut verstauen. Die täglichen Schmerzen, die sie allerdings seit mehr als vier Jahren aushält, sind nicht wegzureden. Im Rücken haben die Schmerzen angefangen, sind dann in Schultern, Arme und Hände übergegangen. „Das kommt von meiner Halswirbelsäule“, erklärt sie.

Auf ihren Rollator gestützt, biegt sie daher von der Hauseinfahrt links in die Lessingstraße ein. In der Spielstraße, in der sie wohnen, gilt für Autofahrer Schrittgeschwindigkeit. Das bedeutet auch für Gerda Ensinger eine große Erleichterung, denn so muss das von hinten anfahrende Auto langsamer fahren und warten. Auf dem breiten Gehweg, auf dem mitunter auch Autos parken dürfen, lässt es sich mit Gerda Ensingers sieben bis acht Kilogramm schweren Rollator vom Bodenbelag her recht gut laufen.

Stadtbus begeistert die 85-Jährige durch Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit

Über ihr Hilfsmittel sagt sie daher: „Der Rollator ist im Grunde ein Segen.“ Die großen Vorderreifen seien gepolstert und helfen ihr so, über hohe Bürgersteige und Straßen mit Löchern zu gelangen. Doch am Ende der Straße kann auch der Rollator die Situation auf dem Weg „In der Lahrbach“ für die Rentnerin nicht erleichtern. Vorsichtig wechselt sie vom Bürgersteig auf die Straße, denn der Gehweg ist für sie samt Rollator einfach zu eng. Auch lugt ein blühender Busch weit aus einem Grundstück hervor, so dass sie den ganzen Bürgersteig gar nicht erst hätte entlang laufen können. Es sind Kleinigkeiten, die Menschen ohne körperliche Beeinträchtigung womöglich gar nicht auffallen. Doch für die Ensingers bedeutet es, sichere Gehwege zu verlassen, um auf der Straße weiterzulaufen.

Auch wenn es an diesem Morgen ruhig ist, kommt von hinten ein Auto angefahren. Die Fahrerin fährt zwar langsam, doch sie versucht, schnell Platz zu machen. Den Rollator hebt sie dafür an, was bei dem Gewicht nicht immer leicht ist und bugsiert ihn auf den Gehweg. Nach dem Ausweichmanöver geht es weiter bis zur Uhlandstraße. Dort gibt es eine Bushaltestelle, die die Rentnerin oft nutzt. Vom Stadtbus ist sie begeistert, denn er fahre regelmäßig, sei pünktlich und zuverlässig. Mit ihrem Schwerbehindertenausweis kann sie ihn jederzeit nutzen.

„Ich freue mich immer, wenn mich die Busfahrer mit dem Rollator sehen und nah an den Bordstein ranfahren“. Alle seien immer freundlich und hilfsbereit. Doch manchmal passiere es auch, dass sie mit ihrem Rollator übersehen wird.

Oft ist das Laufen auf der Straße die einzige Möglichkeit

Dann werde die Lücke zwischen Bus und Bordstein plötzlich zum Problem. Bislang konnte ihr jedoch immer jemand helfen. Weiter geht es über den Zebrastreifen und das Gelände der evangelischen Christuskirche bis zur Theodor-Storm-Straße.

Beim Überkreuzen der unebenen Straße muss sie mehrere Bordsteine passieren, um in Richtung Spielplatz zu gelangen. Der Weg bis zur Schillerstraße verläuft leicht schräg und bergauf, doch auch das meistert die Rentnerin.

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In der Herderstraße sieht das schon wieder anders aus, parkende Autos auf der linken und ein schräger Gehweg auf der rechten Seite erschweren selbst das Laufen ohne Rollator. Ein Bein läuft immer höher als das andere. Es bleibt also nur das Laufen auf der Straße. Die Rentner überqueren zuletzt noch die Goethestraße und dann kommt der Bahnhof auch schon in Sicht.

Während der Weg für Menschen ohne körperliche Beschwerden in rund zwölf Minuten zu schaffen ist, brauchen Gerda und Alfred Ensinger länger. Sich von ihren körperlichen Beschwerden unterkriegen zu lassen, ist für sie allerdings keine Option. Jemand, der gerne jammert, ist sie nicht. „Ich habe sehr viel Energie, darüber bin ich sehr froh“, betont die Seniorin. nab/ü

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