Heppenheim. Im Sommer 2015 schloss die Odenwaldschule im Heppenheimer Stadtteil Ober-Hambach. Nun, etwas mehr als neun Jahre später, soll im November ein Mahnmal eingeweiht werden, das an die Opfer sexuellen Missbrauchs in der Schule erinnert. Weit über 900 Kinder und Jugendliche erfuhren in der Odenwaldschule sexuelle Gewalt.
Seit 1910 wurde in der Odenwaldschule unterrichtet und gelebt, lange galt sie als Elite-Schule. Seit den 1990ern wurde dann der Skandal um den jahrzehntelangen systematischen Missbrauch von Schülern aufgedeckt. So richtig folgte die Aufklärung jedoch erst 2010. Den Missbrauchsopfern will man nun mit einem Mahnmal am ehemaligen Schulstandort gedenken.
Abstrakte Figur soll dennoch Bezug zum Thema herstellen
Dafür hatte eine Jury bereits vor einigen Jahren über die Gestaltung des Kunstwerks entschieden. Laut dem ehemaligen Landrat Matthias Wilkes (CDU) soll es keine stilisierte Person, sondern eine abstrakte Figur sein, die den Bezug zum Geschehenen dennoch herstellt.
Wilkes war von 2003 bis 2015 Landrat des Kreises Bergstraße, als die schrecklichen Taten ans Licht kamen. Außerdem wurde in seiner Amtszeit ein schulischer Neuanfang versucht, der scheiterte. Rund 900 Missbrauchsfälle gab es über die Jahrzehnte in der Schule, so viele gelten zumindest als erkannt.
Mehr als zwei Dutzend Lehrkräfte und andere Mitarbeiter beteiligt
Zudem sollen mindestens elf ehemalige Schüler sich später das Leben genommen haben. Die Universitäten Rostock und München hatten zwei unabhängige Studien im Jahr 2020 veröffentlicht, bei denen nachgewiesen wurde, wie über Jahre hinweg ein System von sexueller Gewalt an den dort im Internat lebenden Schülerinnen und Schülern möglich war. Mehr als zwei Dutzend Lehrkräfte und andere Mitarbeiter sollen an den Verbrechen beteiligt gewesen sein.
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Kai Klose (SPD), der von 2019 bis 2024 hessischer Sozialminister war, betonte in seiner Amtszeit die Wichtigkeit und Relevanz eines Mahnmals. „Wir können die Untaten nicht ungeschehen machen. Umso wichtiger ist, an öffentlichen Orten zu erinnern, zu mahnen und zu gedenken. Auch das Land hat in seiner Schutzfunktion hier versagt“, so Klose. Das Mahnmal sei „ein weiterer, wichtiger Baustein der Erinnerungskultur, kein Ersatz für das bereits bestehende“, erklärte Klose noch in seiner Amtszeit.
Denn bereits 2010 wurde die Metallskulptur „Keimen und Wachsen“ des ehemaligen Schülers Daniel Brenner hinter dem Laborgebäude aufgestellt. Sie wurde von Kunstschlosser Martail Herbst gefertigt.
„ Betroffenen wurde viel zu lange nicht zugehört und geglaubt“
Die neue Skulptur soll jetzt prominenter aufgestellt werden. Sie wird am 18. November mit Ansprachen von Opfern, verschiedenen politischen Vertretern sowie der Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM) bei einer Feier eingeweiht. Die Landesregierung unterstützt die Errichtung des Mahnmals mit 40 000 Euro.
Neben dem Land halfen auch der Kreis Bergstraße und die Stadt Heppenheim bei der Realisierung. Eine Initiative mit Adrian Koerfer an der Spitze hatte vor fast zehn Jahren damit begonnen, in Gedenken an diese Opfer ein angemessenes Mahnmal am Ort der Taten zu initiieren.
Koerfer war selbst Opfer und trug zur Aufarbeitung des Missbrauchs an der Odenwaldschule bei. Er erhielt dafür das Verdienstkreuz am Bande. „Den Betroffenen wurde viel zu lange nicht zugehört und nicht geglaubt“, bedauerte Klose. Das Mahnmal solle nicht nur den Opfern gedenken, sondern auch an die Verantwortung erinnern, dafür zu sorgen, „dass solche Verbrechen heute und in Zukunft verhindert werden“. bib/ü
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