Geschichte

Vor 80 Jahren marschierten amerikanische Truppen in Bensheim ein

Am 27. März 1945 ging für die Bensheimer der Zweite Weltkrieg zu Ende, nachdem am Tag zuvor noch tödliche Luftangriffe erfolgt waren.

Von 
Eva Bambach
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Ein Bild, das berühmt geworden ist: Amerikanische Truppen marschieren am 27. März 1945 durch die Bensheimer Hauptstraße, während die Bensheimerin Anna Mix entsetzt auf die Trümmer ihres Hauses blickt. © Jerry Rutberg

Bensheim. Heute vor 80 Jahren war in Bensheim der Krieg zu Ende. Am 27. März 1945 marschierten amerikanische Truppen in Bensheim ein. Noch am Tag zuvor waren zentrale Teile der Innenstadt zerstört worden. Amerikanische Jagdbomber wurden vom Kirchberg und Hohberg aus beschossen, worauf diese mit Spreng- und Phosphorbomben antworteten:

Vormittags gab es einen Angriff auf die Bensheimer Altstadt, bei dem mehrere Häuser zerstört und fünf Menschen tödlich verletzt wurden. Ein zweiter Tieffliegerangriff am Nachmittag zerstörte ein Gebäude der Feuerwehr in der Platanenallee und setzte am Marktplatz das Rathaus, das Schulhaus nördlich der Kirche, das Kapuzinerkloster und mehrere Häuser in der Hauptstraße in Brand. Es brannten auch die Kirche und das Pfarrhaus.

Im Stollen des Hochstädter Marmoritwerks Schutz gesucht

Der im Februar 2025 im Alter von 94 Jahren verstorbene ehemalige Oberbürgermeister von Fulda Wolfgang Hamberger war in Bensheim aufgewachsen. Er hatte sich in einem Vortrag im März 2015 erinnert, dass die Bensheimer vor dem vergeltenden amerikanischen Luftangriff gewarnt worden waren. Dem Rat, die Stadt zu verlassen, seien viele Leute gefolgt. Unter anderem im gesamten Brunnenweg hätten die Menschen gelagert - bis hinauf zum ehemaligen Café Waldhaus über dem Fürstenlager. Viele hätten auch in den Stollen des Hochstädter Marmoritwerks Schutz gesucht.

Um 9 Uhr am 27. März erfolgte der letzte Jagdbomberangriff. Er zerstörte ein Haus in der Augartenstraße 21 und tötete dabei zwei Menschen. Etwa eineinhalb Stunden später trafen die ersten amerikanischen Panzer von Westen ein, gefolgt von amerikanischen Infanteristen, die über die Schwanheimer Straße Richtung Innenstadt zogen.

Der Marsch der amerikanischen Soldaten des 180th Infantry Regiment of the 45th „Thunderbird“ Infantry Division, die am Tag zuvor bei Sandhofen den Rhein überquert hatten, wurde durch Fotos des U. S. Signal Corps gut dokumentiert. Dabei gelang dem jungen Fotografen Jerry Rutberg ein Foto, das vor allem in den USA für das Kriegsende in Deutschland ikonisch wurde und zum Beispiel gern zur Bebilderung von Sachbüchern verwendet wird. Im Shop der New York Times war das Foto noch vor einigen Jahren sogar als Wandposter erhältlich.

Ironie der Geschichte: Das Kaufhaus florierte in der Nachkriegszeit

Das Bild zeigt die damals 64 Jahre alte Anna Mix, geborene Hesch, vor den Trümmern des Hauses ihrer Schwester Margaretha Hesch in der Hauptstraße, in dem sie zuletzt gewohnt hatte. Sie steht erschüttert vor den Ruinen, mitten in der Doppelreihe der einmarschierenden Amerikaner. Jerry Rutberg war ausgebildeter Fotograf und machte im Laufe seines Kriegsdiensts noch mehrere Fotos, die zumindest vorübergehende Bekanntheit erlangten. Eines davon erschien noch während des Zweiten Weltkriegs auf dem Titelblatt des für seine Fotoreportagen berühmten amerikanischen Life-Magazins.

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Das Bensheimer Foto mit der Abbildung einer alten Frau war gut geeignet, um bei den Amerikanern Mitgefühl oder gar Sympathie für die deutsche Bevölkerung zu wecken. Das Bild hat aber noch eine weitere wichtige Komponente: Offensichtlich hat die Frau, inmitten der Richtung Ritterplatz marschierenden Soldaten, überhaupt keine Angst.

Links sieht man zwei weitere Personen unerschrocken am Straßenrand. Die ebenfalls schon älteren Männer stehen vor dem Kaufhaus des Nationalsozialisten Heinrich Müller, der unter anderem einer der Haupttäter und Profiteure der Ausschreitungen in der Pogromnacht 1938 war. Ironie der Geschichte – das Kaufhaus florierte in der Nachkriegszeit, das schmucke Gebäude ist bis heute erhalten.

Symbol der deutsch-amerikanischen Freundschaft

Das Bild wurde mehr als nur eine Momentaufnahme der Vergangenheit. Die vertrauensvolle Haltung der zivilen Personen auf dem authentischen Foto – so kurz, nachdem die letzten lebensbedrohlichen Angriffe erfolgt waren - wirkt wie eine visuelle Erzählung über die deutsch-amerikanische Freundschaft. Das Foto erfüllte damit eine legitimierende Funktion und unterstützte die Ausgestaltung der Nachkriegsordnung. Es wurde zu einem Symbol der deutsch-amerikanischen Freundschaft, die als eines der wichtigsten Kapitel der deutschen Geschichte gilt – ein Kapitel, das durch die veränderte Rolle der USA unter Donald Trump in eine Krise geraten ist.

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