Energie

„Wir als GGEW können Preissteigerungen bei Energie bremsen, aber nicht vollständig auffangen“

GGEW-Vorstand Carsten Hoffmann über Energiepreise, staatliche Entlastungen, Kernkraftwerke, Fracking und hohe Erlöse mit Erneuerbaren Energien

Von 
Michael Roth
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GGEW-Vorstand Carsten Hoffmann erläuterte im Gespräch BA-Chefredakteur Michael Roth die Gründe für die Preissteigerungen bei Gas und Strom. © Thomas Neu

Herr Hoffmann, BA-Leser haben uns Schreiben der GGEW geschickt, denen zufolge ihr Strompreis ab dem 1. Januar um bis zu 90 Prozent steigen wird. Gas wird mehr als doppelt so teuer. Was sind die Gründe?

Carsten Hoffmann: Die Bezugspreise der GGEW für Gas und Strom sind extrem stark gestiegen. Für das Lieferjahr 2023 gab es in diesem Jahr bei den Strombezugspreisen eine Steigerung von über 400 Prozent bei Gas waren es 500 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Hinzu kommen noch höhere Netznutzungsentgelte, die für den Ausbau der Strom- und Gasnetze notwendig sind. Von dieser Entwicklung sind alle Energieversorger betroffen. Selbst mit unserer langfristigen Beschaffungsstrategie können wir die Preissteigerungen nur abbremsen, aber nicht vollständig auffangen. Bis zu 20 Prozent unserer Kunden profitieren allerdings von Preisgarantien, so dass sie von den Preiserhöhungen zum 1.1.2023 nicht betroffen sind.

Klarstellend möchte ich betonen, dass die Preissteigerungen im Strom im Durchschnitt über alle Tarife bei uns rund 50 Prozent betragen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass wir im Jahr 2022 einen großen Teil unserer Kundinnen und Kunden auf einem Preisniveau beliefern konnten, dass unterhalb des Marktpreisniveaus lag. Nichtsdestotrotz ist uns bewusst, dass die gestiegenen Energiepreise für unsere Kunden eine hohe Belastung bedeuten, daher begrüßen wir die staatlichen Entlastungsmaßnahmen.

Wenn Strom- und Gaspreisbremse Anfang 2023 kommen, wird es wieder günstiger.

Hoffmann: Die Preise sinken nicht, sondern die Kosten, die der Kunde zu tragen hat, können sinken. Wenn wir davon ausgehen, dass die gerade in der Öffentlichkeit diskutierte Strom- und Gaspreisbremse auch rechtskräftig wird, werden die Menschen eine deutliche Entlastung im Jahr 2023 spüren. Beim Gas etwa um 620 Euro bei einem typischen Verbrauch von 20.000 Kilowattstunden im Jahr. Bei Strom rechnen wir bei einem typischen Haushaltsverbrauch von 3.000 Kilowattstunden mit einer Einsparung von rund 80 Euro. Somit kann ein Haushalt mit einem typischen Verbrauch mit einem Zuschuss von rund 700 Euro aus der Strom- und Gaspreisbremse für die Energiekosten im Jahr 2023 rechnen. Darüber hinaus können teilweise bereits durch einfache Maßnahmen und ohne Komfortverlust Energieeinsparungen erzielt werden, die die Kosten weiter reduzieren. Hinzu kommt die Übernahme des Dezemberabschlags 2022 bei Gas durch den Staat, der bei einem durchschnittlichen Haushaltsverbrauch von rund 20.000 kWh einen Betrag in Höhe von 100 Euro ausmacht

Der Dezemberabschlag kommt aber nicht im Dezember.

Hoffmann: Den merkt der Kunde erst im Januar auf seinem Konto, da der Dezember-Abschlag für Gas normalerweise erst Anfang Januar eingezogen wird. Anfang Dezember wird der Novemberabschlag normal eingezogen. Eine weitere wichtige Entlastung: die Umsatzsteuer für Gas wird rückwirkend vom 1. Oktober 2022 bis Ende März 2024 von 19 auf 7 Prozent gesenkt. Das geben wir fürs Jahr 2022 entsprechend im Zuge der Jahresverbrauchsabrechnung, die bis Ende Januar 2023 zugestellt wird, 1:1 an unsere Kunden weiter. Ab Januar werden dann die 7 Prozent für die monatlichen Abschläge berücksichtigt.

Die Preise für Strom und Gas im Großhandel sind zuletzt stark gefallen, wann kommt das beim Kunden an?

Hoffmann: Die Einkaufspreise für 2023 werden nicht auf Basis der tagesaktuellen Spotpreise ermittelt, sondern sind das Resultat des tranchierten Einkaufs der letzten 18 Monate. Damit haben wir auch die extremen Preisspitzen der letzten Monate nur sehr gedämpft in unser Portfolio aufgenommen. An den Terminmärkten sind die Preise nach wie vor hoch, da die Marktpreise noch erhebliche Risiken abbilden. Dort agieren wir jetzt für die Beschaffung des Jahres 2024. Die niedrigeren Spotmarkt-Preise von heute kommen erst dann in den Preisen für die Kunden an, wenn sie sich auch an den Terminmärkten, deren Preise für den Großteil der Einkaufsmengen von Versorgern gelten, niederschlagen.

Die GGEW hat ein großes Portfolio an Solar- und Windanlagen. Die haben zuletzt bei den hohen Großhandelspreisen und niedrigen Produktionskosten glänzend verdient. Was kommt davon beim Kunden an?

Hoffmann: Das kann man noch nicht sagen. Es gibt konkrete Pläne der Politik zur Erlösabschöpfung. Wir wissen heute noch nicht, ob, wann und wie ein erheblicher Teil der Erträge schon ab 2022 abgeschöpft wird. Davon wäre die GGEW auch betroffen. Unabhängig davon ist auch der Betrieb der erneuerbaren Erzeugungsanlagen von Kostensteigerungen betroffen.

Neben Veränderungen in Logistik, Rohstoffe und Anlagenkomponenten, gibt es bereits heute spürbare Kostensteigerung auch für Betrieb, Wartung, Finanzierung und Stromhandel, die vermutlich auch in den Folgejahren unabhängig von den Großhandelspreisen uns erhalten bleiben werden. Im Übrigen helfen die Erträge bei erneuerbaren Energien, dass bei der GGEW die Preissteigerungen gedämpft werden.

Wir sehen die geplante rückwirkende Erlösabschöpfung als sehr problematisch an, weil im Rahmen der Abschöpfungsphase für alle erneuerbaren Technologien kein auskömmlicher und verlässlicher Investitionsrahmen geschaffen wird. Konkret zu nennen wäre die rückwirkende Abschöpfung bereits in 2022, Behinderungen bei der Einbeziehung der Erneuerbaren Energien in den Terminmarkt sowie die Abschöpfungssystematik (Abschöpfung von Erlösen und nicht von Gewinnen). Ebenso würde auf kommunaler Ebene der Projektstandorte Gewerbesteuer entzogen werden. Sachlogisch sinnvoll wäre eine zeitliche befristete Abschöpfung als Steuer bzw. als Solidaritätsbeitrag.

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Drei Kernkraftwerke sollen bis April nächstes Jahr weiter laufen, reicht das? Oder wäre es nicht sinnvoller, sie darüber hinaus länger laufen zu lassen, anstatt mit teurem Gas und umweltschädlicher Kohle Strom zu erzeugen?

Hoffmann: Ich vermute, dass die Politik im nächsten Jahr zu der Erkenntnis kommen wird, dass die Kernkraftwerke länger laufen müssen.

Schauen wir in die Zukunft: Importieren wir dann französischen Atomstrom, polnische Kohle und amerikanisches Fracking-Gas, obwohl alle drei Energiequellen auch in Deutschland vorhanden wären?

Hoffmann: Wir sollten jetzt den Weg beim Ausbau der erneuerbaren Energien konsequent weiter vorangehen und nicht mehr nach hinten schauen. Das ist der Schlüssel, um die Energiepreise langfristig zu senken und zu stabilisieren. Der Ausstieg aus der Kernenergie ist beschlossen, allenfalls an eine Laufzeitverlängerung kann man – sofern sicherheitstechnisch vertretbar - denken. Bei Gas, das von den fossilen Brennstoffen am wenigsten CO2 ausstößt, müssen wir schauen, ob es auf politischer Ebene vorstellbar ist, es hierzulande mittels Fracking zu fördern. Betriebs- und volkswirtschaftlich ist es sinnvoll, heimische Gasreserven auszuschöpfen, zumal importiertes Flüssiggas (LNG) rund 50 Prozent teurer ist. Unsere Wirtschaft hat jetzt schon Wettbewerbsnachteile durch die hohen Gaspreise hierzulande im Vergleich zu den sehr rohstoffreichen USA etwa. Für uns als GGEW steht fest: Wir werden bei der eigenen Stromerzeugung weiterhin voll auf Erneuerbare Energien setzen.

Chefredaktion

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