Lorsch. Männer machten Geschichte. Von historisch bedeutenden Frauen hört man seltener. Das ist natürlich darin begründet, dass sie jahrhundertelang nicht annähernd ähnliche Rechte hatten. Zu den glücklicheren Schicksalen etwa im patriarchalisch ausgerichteten frühen Mittelalter gehörte es, im Alter von zwölf Jahren gut verheiratet zu werden und dann Jahr um Jahr Kinder zu gebären – oder man ging ins Kloster. Erzählen sollte man von den Frauen von damals aber unbedingt. Denn selbst das heute als Welterbestätte berühmte Kloster Lorsch hätte es ohne die Initiative einer Frau womöglich nie gegeben. Daran erinnerte jetzt Silke Strohmenger.
Bei ihrem Blick in die Vergangenheit setzte sie den Schwerpunkt auf Frauen im Umfeld des Klosters Lorsch: Adlige, Stifterinnen und Bäuerinnen. Die Führungen der Anthropologin zum Internationalen Frauentag waren ausgebucht.
Ohne Williswinda kein Welterbe
Williswinda jedenfalls war es, ohne die das Kloster Lorsch nicht existieren würde. Mit ihrem Sohn, Gaugraf Cancor, ließ sie es im siebten Jahrhundert nahe Altenmünster errichten, bald darauf zog es auf die Düne um. Als es dann an den Erzbischof Chrodegang von Metz verschenkt wurde, begann die Entwicklung zu einem der an Grundbesitz reichsten Klöster seiner Zeit.
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Strohmenger verwies auf den Lorscher Codex, eine Art Grundbuch, in dem im 12. Jahrhundert die Schenkungen zusammengestellt waren. Fast 4000 urkundliche Eintragungen sind darin verzeichnet. Der Lorscher Abtei gehörte Besitz von den Niederlanden bis in die Schweiz. Schenkungen erhielt das Kloster, weil Adlige und andere Betuchte erhofften, zur Belohnung Seelenheil im Jenseits zu erlangen.
Auch Frauen hatten im Mittelalter Besitz, sie durften ihn nur nicht selbst verwalten. Mit einer frühen Schenkung zu Lebzeiten erwarben sie ein Nutzungsrecht beziehungsweise eine Art Rentenversicherung. Klöster galten als ein Prestigeobjekt.
Königin Kunigunde blieb länger
Das mächtige und in seiner Zeit bedeutende Männer-Kloster darf man sich nicht als rein kontemplativen Ort nur für die Mönche vorstellen. 20 Kaiser und Könige kamen über die Jahre nach Lorsch, brachten ihren jeweiligen Hofstaat mit und ihre Frauen. Manche Herrschergattin blieb auch länger. Königin Kunigunde, Ehefrau des Grafen Luitpold von Kärnten, hat im Alter zurückgezogen in Lorsch gelebt.
Ihr Sterbeurkunde im zehnten Jahrhundert weist Kloster Lorsch als Begräbnisort aus. Otto der Große hat seine Ehefrau Editha „in Lorsch geparkt“ bis die Krone verteidigt war, so Strohmenger. Als eine der einflussreichsten Frauen im Mittelalter hob sie Adelheid hervor. Die Kaiserin, gebildet und mehrsprachig, hielt sich oft in Lorsch auf und sicherte mit Schwiegertochter Theophanu die Krone für Otto III. Königin Bertha, die ihren Gatten Heinrich IV auf dem berühmten Gang nach Canossa begleitete, war gleichfalls länger in Lorsch.
Das Kloster Lorsch, bis ins frühe 13. Jahrhundert Abtei der Benediktiner und dann von Zisterziensern und Prämonstratensern genutzt, war schon deshalb nicht nur ein Ort der Ruhe, weil ein großer Wirtschaftsbetrieb zwingend dazu gehörte. Viele Menschen – und eben auch zahlreiche Frauen – hielten ihn am Laufen. Schließlich hatten die Mönche nur wenig Zeit, um sich selbst ums Brotbacken zu kümmern oder ihre Kleidung herzustellen.
An der berühmten Königshalle lag einst ein Friedhof, auf dem die dörfliche Bevölkerung bestattet wurde. Gebeine, die dort bei archäologischen Grabungen gefunden und wissenschaftlich untersucht wurden, zeigten die Verschleißspuren der Skelettknochen. Sie wiesen darauf hin, dass die Menschen harte körperliche Arbeit zu leisten hatten. Insgesamt sind in Lorsch vier Bestattungsstätten, darunter ein Mönchsfriedhof, nachgewiesen.
Hauswirtschaft ein Knochenjob
Frauen hatten viele hauswirtschaftliche Arbeiten zu erledigen, ein Knochenjob damals. Man denke nur an das Scheren der Schafe. Strohmenger hatte eine alte Bügelschere mitgebracht. Die Wolle musste dann mühsam gewaschen und stundenlang per Hand gespindelt werden.
Im Mittelalter erreichten die wenigsten täglich schuftenden Menschen das Seniorenalter. „50 Jahre war damals schon ziemlich alt“, so die Anthropologin. Den meisten Menschen im Umfeld des Klosters ging es trotzdem offenbar vergleichsweise gut. Die Knochen-Analysen legten einen guten Gesundheitszustand nahe. Wer im Dienst des reichen Klosters stand, hatte es offenbar nicht schlecht getroffen.
Zu den häufigsten Erkrankungen damals gehörten Zahnprobleme, verursacht durch Karies. Strohmenger zeigte einen in Lorsch gefundenen Unterkiefer einer Frau aus dem Mittelalter, der dokumentiert, dass viele Zähne früh ausfielen. Zahnpflege kannte man noch nicht.
Auch Hildegard von Bingen ist drin
Frauen sollten fromm, untergeordnet und schweigsam sein. Das zeigte Strohmenger am Bild des Epitaphs Mia von Sickingen und ihrem Mann Hennel Landschad von Steinach auf. Sie trägt selbstverständlich eine Kruseler Haube, die ausweist, dass sie „unter der Haube“ ist. Im Kirchenrest erinnerte die Referentin an Hildegard, die dritte Ehefrau von Karl dem Großen. Als 14-Jährige wurde sie mit ihm verheiratet. Neun Kinder gebar sie in ihrem kurzen Leben, das schon im Alter von 23 Jahren endete. Sogar die berühmte Äbtissin Hildegard von Bingen ist im Lorscher Totenbuch vermerkt.
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