Sommerserie

„Lorscher Evangeliar“ sorgte bundesweit für Schlagzeilen

Die Prachthandschrift aus dem Mittelalter zog viele Besucher an und erbringt ein Medienecho. Aus einer Fachtagung entstand im Jahr 2000 auch ein Begleitband dazu. Alle Infos in der heutigen Ausgabe der Sommerserie.

Von 
Nina Schmelzing
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Das „Lorscher Evangeliar“ beschert Lorsch sehr viel Aufmerksamkeit. Tausende Interessierte besuchten damals die Ausstellung und bundesweit wird darüber berichtet, zudem erscheint im Jahr 2000 ein Faksimile der Prachthandschrift aus dem neunten Jahrhundert. © Thomas Neu

Lorsch. Um die Jahrtausendwende war Lorsch in aller Munde. Ein Buch, beziehungsweise eine Ausstellung dazu, sorgten dafür, dass Lorsch bundesweit und sogar im Ausland Schlagzeilen machte. Ob im ZDF oder in Arte – im Fernsehen war Lorsch ein Thema. Auch Bild-Zeitung und FAZ, Focus und Süddeutsche Zeitung schickten Mitarbeiter nach Lorsch, um für ihre Leser zu berichten.

Ein gewaltiges positives Presse-Echo bilanzierte deshalb hocherfreut der Welterbestätten-Leiter Dr. Hermann Schefers im Januar 2000. Anlass für die zahlreichen Medienberichte war das berühmte „Lorscher Evangeliar“. Die gerade einmal dreiwöchige Ausstellung der wertvollen Handschrift aus dem neunten Jahrhundert zog im Sommer zuvor fast 14.000 Besucher nach Lorsch. Mit Polizeieskorte und unter höchsten Sicherheitsvorkehrungen kam das prächtige Evangeliar, es ist mit Goldtinte geschrieben, in der Klosterstadt an. Eine Fachtagung von Wissenschaftlern zum Evangeliar – heute ist es Weltdokumentenerbe – schloss sich der Ausstellung an. Aus ihren Beiträgen entstand im Jahr 20000 ein Begleitband,

Sogar Hinweisschilder fehlten

Als Weltkulturerbe war das Lorscher Kloster im Jahr 2000 längst anerkannt. 1991 schon wurde es schließlich mit dem begehrten Titel geadelt, damals als erste und einzige Stätte in Hessen. Die Folgen und Verpflichtungen dieser herausragenden Auszeichnung für die dadurch erhöhten Erwartungen von Touristen und für die Entwicklung der Stadt traten aber erst nach und nach hervor.

Nicht einmal Hinweisschilder an der Autobahn machten Reisende bis ins Jahr 2000 auf die Welterbestätte aufmerksam – obwohl damals noch nicht jeder ein Navi und ein Smartphone hatte. Weil auch die Landesregierung keine Initiative zeigte, vier Schilder zu finanzieren, kümmerten sich die Lorscher schließlich erfolgreich selbst um Sponsoren. Geschäftsleute verbanden damit auch die Hoffnung, dass der Tagestourismus zunimmt.

Torhalle monatelang unsichtbar

Ohne das Evangeliar und das sensationelle Publikumsinteresse daran hätte Lorsch im Jahr 2000 wohl rückläufige Besucherzahlen vermelden müssen. Zumal das bekannteste Objekt seines Welterbes, die Königshalle, damals mehrere Monate nicht bewundert werden konnte. Wegen einer aufwändigen Dachsanierung wurde die Torhalle eingerüstet und blieb länger hinter Gerüst und Plastikplanen verborgen als gedacht.

Ursprünglich sollte die Arbeit bis zum Johannisfest im Juni 2000 fertig sein, aber die Zeit verstreicht und wiedersehen kann die Königshalle noch immer niemand. Touristen schimpfen, weil ihnen das Fotomotiv fehlt, auch die Lorscher sind sauer, dass sie ihr Wahrzeichen nicht präsentieren können. Es wird August, bis die Verhüllung wieder verschwinden konnte.

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Diskutiert wird grundsätzlich, wie man Besucher länger halten kann in der Welterbestadt. Denn nach einer Besichtigung der Torhalle reisen viele Gäste bald wieder ab. Das Freilichtlabor Lauresham gibt es 2000 noch ebenso wenig wie den neu gestalteten Klosterpark. Rund um die Torhalle passiert trotzdem einiges.

Pfeife von Herbert Wehner

Im Tabakmuseum freut man sich im Jahr 2000 zum Beispiel über Neuzugänge wie die Pfeife von Herbert Wehner. Pfeifen von Helmut Kohl, Norbert Blüm und Hans Eichel gibt es dort ebenfalls. Für Aufmerksamkeit sorgt neben der Faksimilierung des „Lorscher Evangeliars“ auch die Editierung des „Lorscher Codex“, umgangssprachlich als „Grundbuch“ der Region bezeichnet, auf CD-ROM. Viel Arbeit wird in die Anlage eines Kräutergartens nach dem Lorscher Arzneibuch investiert. Und die Uni Bamberg setzt ihre Grabungen im Klostergelände fort.

Lorsch soll eine auch für Auswärtige attraktive Kulturstadt werden, Kulturangebote sollen nicht als weicher Standortfaktor abgetan und unterschätzt werden, lautet 2000 die Devise. Es sei noch ein weiter Weg, konstatiert etwa die CDU. Die Überzeugung, dass Kulturförderung auch Wirtschaftsförderung sein kann, gewinnt aber an Zustimmung.

Redaktion

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