Lorsch. Gegen das Projekt Lauresham gab es anfangs nicht wenige Vorbehalte. Ein Disneyland des Mittelalters könnte in Lorsch entstehen, befürchtete mancher. Als aber „David und Darius“ begannen, für das Gelände im Klosterfeld zu werben, verstummte die Kritik. Die beiden mächtigen Ochsen wurden die idealen Sympathieträger für das Experimentalarchäologische Freilichtlabor – und die Laureham-Rinder und ihre Nachkommen haben bis heute nicht an Beliebtheit verloren. Jetzt feiert Lauresham bereits sein zehnjähriges Bestehen. Zum Geburtstag wurde eine Foto-Ausstellung eröffnet, die auf die Anfänge zurückblickt. „Meilensteine“ heißt sie.
Wissenschaftler wehrten sich gegen einen Losterbau
Im gläsernen Besucherinformationszentrum, anfangs von Skeptikern gerne als „Gewächshaus“ betitelt, sind die Bilder zu sehen. Der Lorscher Welterbestätten-Leiter Dr. Hermann Schefers erinnerte bei der Vernissage an die Vorgeschichte von Lauresham. Das Freilichtlabor ist heute aus Lorsch nicht mehr wegzudenken und hat sich zu einem Erfolgsmodell gemausert. Es hätte aber wohl auch anders kommen können, wenn man nicht frühzeitig das Konzept für Lauresham entwickelt und für dessen Realisierung energisch auch gegen einige Widerstände gekämpft hätte.
Schefers berichtete von Ideen eines Investors, der den Bau einer Klosteranlage anregte und Befürworter fand. Schließlich sind vom bedeutenden Lorscher Kloster, entstanden um das Jahr 800 und 1991 zur Welterbestätte erhoben, nur wenige Gebäude erhalten. Wie bedeutend es war, lässt sich daher nicht leicht veranschaulichen – wurde jedoch von der Öffentlichkeit zunehmend gefordert. Gegen einen neuen Klosterbau hätten sich Wissenschaftler aber „gewehrt“, so Historiker Schefers, der von damals „turbulenten“ Sitzungen berichtete.
An die Diskussionen erinnert sich auch der damalige Bürgermeister und heutige Ehrenbürgermeister Klaus Jäger noch, gleichfalls Gast der Vernissage. Die Wissenschaftler wendeten sich gegen jeden Vorschlag der Verbesserung, so war der Eindruck auf der politischen Seite. „Das hat uns dann an der Ehre gepackt“, sagte Schefers und eine Gruppe von Wissenschaftlern habe sich eigenhändig daran gemacht, ein „Alternativprojekt“ zu erarbeiten. 2008 stand das Grundkonzept. Als der Bund dann plötzlich ein Investitionsprogramm für Welterbestätten auflegte, mussten die Lorscher diese Arbeit nur noch aus der Schublade holen – und sie überzeugte die Mittelgeber auf der ganzen Linie.
Geöffnet bis Mitte Dezember
Die Foto-Ausstellung "Meilen steine" zum zehnjährigen Bestehen von Lauresham ist bis zum 15. Dezember im Besucherinfozentrum zu sehen - derzeit wegen personel ler Engpässe zu eingeschränkten Öffnungszeiten.
So gut hatte man die Idee für Lauresham damals bereits ausformuliert, dass man sie fast unverändert einreichen konnte. Auch die erwarteten Kosten für die Aufwertung der Lorscher Klosteranlage von zunächst 11,5 Millionen Euro seien eben nicht nur grob geschätzt, sondern gerechnet gewesen, berichtete Schefers nicht ohne Stolz. Lauresham bildete das größte Projekt.
Lauresham sei weder Klosterpark noch klassisches Museum. Den Namen Experimentalarchäologisches Freilichtlabor habe man bewusst gewählt, zeigte der Welterbestätten-Leiter auf. Lauresham sollte eine wichtige thematische Ergänzung zum Lorscher Museumszentrum sowie dem Bereich um die Königshalle werden, die bereits Themen wie die Baugeschichte und die Geistesgeschichte erklären. Lauresham übernimmt als 1:1-Modell den schwer darzustellenden Bereich Grundherrschaft – und das auf sehr lebendige Art und Weise. Es zeigt einen Herrenhof der Karolingerzeit, in den man direkt hineinspazieren kann.
Schafe, Hühner und Gänse gehören zu den Attraktionen in Lorsch
Auf mehr als vier Hektar am Lorscher Stadtrand im Klosterfeld sind Wohnbauten, ein Backhaus, eine Kapelle und Wirtschaftsräume entstanden. In die Ställe und auf die Freiflächen sind Rinder, Schafe, Schweine, Hühner und Gänse eingezogen. Die Tiere, Vertreter alter Rassen, gehören zu den Attraktionen von Lauresham.
Lauresham gibt Einblick in die Karolingerzeit so, „wie wir glauben zu wissen, wie es gewesen sein könnte“, machte Schefers klar. Der Laborcharakter ermöglicht es, Wissen zu überprüfen und neue wissenschaftliche Erkenntnisse zu gewinnen.
Wie die Arbeit mit Zugtieren funktionierte, wie mühsam die Feldarbeit war, kann man in Lauresham hautnah miterleben. Lauresham-Leiter Claus Kropp ist es zu verdanken, dass Lauresham längt auch wissenschaftlich vernetzt ist, und zwar international und auf höchster Ebene. Es gibt etwa eine Kooperation mit der Uni Oxford.
Neben der Wissenschaft zum Anfassen auch für eine breite Öffentlichkeit, die Lauresham bietet, sind zunehmend auch umweltpädagogische Aspekte interessant. Manches, was für unsere Vorfahren üblich war, kann durchaus wieder Relevanz auch für die heutige Zeit oder die Zukunft haben. Das Ackern ohne Pestizide zum Beispiel oder die Fähigkeit, nachhaltig statt unüberlegt oder gar verschwenderisch zu wirtschaften.
Mit Blick auf den neu gestalteten Gesamtkomplex Welterbestätte Kloster Lorsch erinnerte Schefers daran, dass aber noch immer ein „würdiger Ankunftsort“ fehle und dass es „dringend“ an der Zeit sei, das Museumszentrum „inhaltlich zu überarbeiten“.
Die Ochsen hätten das Herz der Lorscher erobert, so Claus Kropp in seinem Rückblick. Lauresham sei ein wertvoller Ort der Vermittlung und Forschung geworden, der zudem etwa 20 000 Besuche jährlich verzeichne. Ein Grund für den Erfolg sei neben der preisgekrönten Museumspädagogik auch das großartige Engagement vieler Menschen für Lauresham. Jens Schabacker und Jörn van dem Busche, die alte Lieder auf der Zythara, und der Chalumeau anstimmten und damit die Vernissage musikalisch umrahmten, gehören zur Familia Carolina und helfen auch oft in Lauresham dabei, traditionelles Handwerk an Interessierte zu vermitteln.
„Meilensteine“ zeigt, wie 2013 die Ochsen David und Darius nach Lauresham kommen, dokumentiert den Bau der Grubenhäuser, erinnert an die Fahrt mit dem selbst gebauten Einbaum auf der Weschnitz, macht unter anderem mit dem Auerrind-Projekt bekannt, mit alter Schmiedekunst, dem Pflügen wie vor 1200 Jahren. Die Schau läuft bis Dezember.
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