Lindenfels. Angefühlt hat sich der Startschuss zur großen Schleife wie der Aufbruch zu einem gewöhnlichen Tagestrip. „Vom Kopf her war das für mich so, als ob ich am Abend wieder nach Hause kommen und in meinem eigenen Bett schlafen würde“, erzählt Patrick Zasada. Der Weg zurück ins eigene Bett zog sich für den Wahl-Lindenfelser dann doch etwas länger hin: 31 Tage dauerte die Tour durch Europa. 3250 Kilometer und 33 000 Höhenmeter bewältigte Zasada auf seinem Gravel-Bike, einem geländetauglichen Rennrad, bis nach Porto, dem Ziel seiner Reise.
Vom 7. August bis zum 6. September des vergangenen Jahres war der Freizeit-Radler unterwegs durch sechs Länder. Die sportliche Herausforderung, Abenteuerlust und die Sehnsucht nach Freiheit waren die Triebfedern für den „relativ spontanen Entschluss“, die Ausfahrt der ungewöhnlichen Art zu wagen. Knapp vier Wochen Zeit nahm sich der 31-Jährige, um die Route zu planen und das benötigte Equipment, das schließlich knapp sechs Kilogramm wog, zusammenzustellen.
Inspiriert vom Camino Incluso
Dass der selbstständige Fotograf die Expedition überhaupt in Angriff nahm, lag zu einem nicht unerheblichen Teil an Lindenfels. Als er 2019 nach seinem Geologie-Studium in Darmstadt auf der Suche nach einem neuen Zuhause war, verliebte er sich während der Besichtigung seiner heutigen Wohnung beim Blick vom Balkon in den Odenwald. „Die Aussicht ist grandios.“ Durch die Übersiedlung in die Perle des Odenwalds erwachte sein sportlicher Ehrgeiz zu neuem Leben, befeuert durch die umliegenden Hügel und Täler. „Ich habe damals wenig Sport gemacht und war nicht gut trainiert. Das hat sich mit dem Umzug schnell geändert.“
Über eine lange Radreise hatte Zasada schon länger nachgedacht. Im Sommer 2021 war der Zeitpunkt gekommen, es „einfach zu tun.“ Seine beruflichen Termine hatte er im Vorfeld bereits um einen freien Sommer herum koordiniert. Dass ihn die Expedition nach Porto führte, hatte ebenfalls mit Lindenfels und dem Odenwald beziehungsweise mit einer Wegmarkierung zu tun, auf die er bei einem seiner Fahrrad-Ausritte gestoßen war: Camino Incluso. Der Camino Incluso ist eine 84 km lange Wanderroute auf breiten Wegen von Auerbach über den vorderen Odenwald bis nach Heidelberg. Der vom Odenwaldclub mit einem gelben Pilgersack markierte Pfad ist Zubringer zum pfälzischen und badischen Jakobsweg (Camino Santiago). „Ich wollte in den Süden und ich wollte vor der Haustür starten“, erklärt Zasada. „Der Jakobsweg war für mich Orientierung.“
Spirituelles oder Religiöses war mit der Wahl des Jakobsweg-Zubringers nicht verbunden. Während des letzten Drittels der Exkursion war Zasada auf dem Camino Francés, dem klassischen Jakobsweg, unterwegs, der vom Norden Spaniens nach Santiago de Compostela verläuft.
Seine Etappen, die Zasada je nach Form und Wetter mithilfe einer Navigations-App flexibel gestaltete, führten ihn zunächst nach Frankreich. Nach einem Abstecher in die Schweiz ging es quer durch Frankreich nach Andorra, Spanien und Portugal: 3250 Kilometer mit Steigungen, Abfahrten, Schotterpisten, Pannen, Gluthitze, Regenfällen, Hochwasser, Abkühlungen in Flüssen, Seen, im Mittelmeer und im Atlantik, einer nächtliche Bedrohung durch Wildschweine – und einer Vielzahl von Begegnungen mit anderen Menschen.
Diese Kontakte machen für Zasada die besondere Erfahrung seiner Fahrradreise aus, trotz vieler beeindruckender Naturerlebnisse sowie landschaftlicher und architektonischer Highlights. „Die Begegnungen mit anderen Menschen waren das Schönste.“
Zasada war stunden-, bisweilen auch tagelang mit anderen Bikern gemeinsam unterwegs. „Man ist sich auf der Strecke begegnet und es hat sich sofort eine Verbindung eingestellt.“ Mit einigen dieser Begleiter pflegt er weiterhin regelmäßigen Austausch.
Überwältigt war er zudem von der Hilfsbereitschaft und Freundlichkeit der Menschen. Bei Pausen oder Pannen am Straßenrand hielten immer wieder Autofahrer oder andere Biker an, um Hilfe anzubieten. Unterstützung gab es in Form von Mitfahrgelegenheiten bei der Quartiersuche, bei Reparaturen oder beim Auffüllen der Wasservorräte. „Das war sensationell.“
Nächste Tour im Auge
Körperlich hat Zasada die Anstrengungen abgesehen vom Verlust eines Fingernagels bei einer Reparatur gut weggesteckt. „Das hat mich selbst ein bisschen überrascht.“ Weder Arme oder Beine, noch Nacken oder Po wurden besonders in Mitleidenschaft gezogen. Eine fein justierte Sitzposition auf dem Rad, ein großzügig verwendetes Gel und eine hochwertige Radlerhose waren die Mittel gegen die üblichen Radler-Beschwerden. Ein mentales Tief hatte er nicht zu überstehen. „Es war zwar nicht immer spaßig, aber ans Aufgeben habe ich nie gedacht.“
Zur Person
Patrick Zasada stammt aus Hannover. Zum Studium der Geowissenschaften kam er nach Darmstadt.
Sein Studium finanzierte er mit Nebentätigkeiten als Fotograf. Nach Abschluss des Studiums machte er sein Hobby zum Beruf. Seit 2019 lebt und arbeitet der Produkt-Fotograf in Lindenfels, er hat deutschlandweit Kunden. Für umfangreiche Aufträgen mietet er Ateliers in Großstädten wie Mannheim oder Frankfurt an.
Stationen der Reise von Lindenfels nach Porto: Lindenfels, Heidelberg, Speyer, Straßburg, Colmar, Besançon, Genfer See, Grenoble, Avignon, Montpellier, Narbonne, Andorra, Burgos, Santiago den Compostela, Vigo, Porto.
Patrick Zasada hat seine Tour in einem Film dokumentiert: https://youtu.be/Mk58CwjdzGk.
Zurück nach Lindenfels ging es übrigens nicht per Rad. Nach 31 Tagen im Sattel verbrachte der Reisende einige Urlaubstage in Porto. Da die Rückfahrt mit dem Zug corona-bedingt zu jener Zeit nicht möglich war, musste er auf das Flugzeug umsteigen.
Nach der Tour ist vor der nächsten Tour. Zasada hat das Nordkap ins Auge gefasst. Eine Strecke von rund 4000 Kilometern. „Vielleicht in diesen Sommer, vielleicht im nächsten.“ Diesen Nord-Trip plant er mit einem Mitfahrer zu absolvieren, den er auf der großen Süd-Schleife in letzten Jahr kennengelernt hat. Was wird er beim Ritt zum Nordkap anders machen? „Weniger Gepäck, breitere Reifen.“
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