Bensheim. Das politische Versagen während der Corona-Pandemie, die ständigen Nackenschläge beim Versuch, den Marktplatz zu gestalten oder Äußerungen von Profi-Kickern zur Impfung: Es gab und gibt in diesem Jahr ausreichend große und kleine Themen, die den Blutdruck in ungesunde Höhen treiben.
In Bensheim gelingt es dennoch scheinbar mühelos, die Aufregerliste fortzuschreiben. Ein Beispiel: das Fahrradverbot im Weiherhausstadion, das seit dem Spätsommer Wellen schlug (wir haben berichtet). In der jüngsten Stadtverordnetenversammlung gab es noch einmal einen Nachschlag. Anlass war ein Antrag von BfB und Grünen, das Stadiongelände wieder für die Radfahrer zu öffnen. Ursprünglich sollte darüber schon Anfang Oktober debattiert werden. Weil die Sitzung aber Überlänge hatte, wurde der Tagesordnungspunkt verschoben.
„Übertriebenes Verbot“
„Wir wollen, dass dieses übertriebene Verbot abgeändert wird“, erklärte Sina Glock. Schüler hätten jahrzehntelang das Weiherhausstadion zur Durchfahrt auf dem Weg zu ihren Schulen genutzt. Das ist nun ausgeschlossen, wäre aber aus Sicht der Grünen „sinnvoll, wenn man sich den Verkehr am Berliner Ring anschaut“. Zudem seien die Radfahrer nicht für die Sachbeschädigungen verantwortlich, weshalb das Weiherhaus bekanntlich mit Eingangstoren und festen Öffnungszeiten versehen wurde.
Grundsätzlich gebe es mildere Mittel, um „wildgewordene Fahrradfahrer einzufangen“, die durch ihre womöglich rabiate Fahrweise eine Gefahr für junge wie ältere Sportler darstellen. Das Verbot hingegen führe zu einer „aggressiven Stimmung. Das sollte aber nicht sein“, so Glock. Die Radfahrer könnten das Weiherhausstadion doch auch in Schrittgeschwindigkeit passieren, verdeutlichte sie mögliche Kompromisslösungen – wofür es aus dem Publikum Applaus gab.
BfB-Fraktionschef Franz Apfel sprach einen weiteren Punkt an, den Fahrradfahrer umtreibt. „Viele haben Angst, dass ihr oft teures Rad außerhalb des Geländes gestohlen oder beschädigt wird.“ Deshalb sollten auf dem Areal auch weitere Abstellmöglichkeiten geschaffen werden. Mit der Aussperrung der Radler habe man auch ganz nebenbei die Rollstuhlfahrer ausgesperrt – diesem Vorwurf widersprach Erste Stadträtin Nicole Rauber-Jung (CDU) allerdings energisch.
Innerhalb der Sportvereine sei die Maßnahme sehr umstritten, legte Apfel nach. Viele Eltern und Jugendliche sähen dies anders als die Vorstände und Präsidien, da werde viel über die Köpfe der Mitglieder entschieden. Die Auswirkungen des Verbots seien alles in allem schlecht recherchiert worden, es müsse deshalb an allen Ecken und Enden nachgebessert werden.
Sibylle Becker (CDU) wies darauf hin, dass das Weiherhausstadion die zentrale Sportstätte in Bensheim sei – und kein Bürgerpark. Die Nutzungsordnung habe schon immer das Fahrradfahren verboten. „Die Vereine haben im Rathaus darauf gepocht, dieses Verbot auch umzusetzen“, erläuterte die Vorsitzende des Sozial-, Sport- und Kulturausschusses. Nur weil etwas über Jahre zur Gewohnheit geworden sei, könne man darauf kein Recht für die Zukunft ableiten.
Vor den Stadioneingängen sei die Zahl der Fahrradständer erhöht worden. Man müsse an die Radfahrer appellieren, diese auch zu nutzen. Schließlich käme niemand auf die Idee, in die Sporthalle oder in eine Gaststätte sein Fahrrad mitzunehmen. Da werde es ebenfalls draußen abgestellt.
Knifflige Engstellen
Michael Sydow (SPD) machte aus seinem Herzen keine Mördergrube. Er bekannte freimütig, 50 Jahre lang durch das Weiherhausstadion gefahren zu sein. Daraus leite er schon ein Recht ab. „Ich finde es deshalb gar nicht gut, dass ich als Teil der Koalition jetzt gegen den Antrag sprechen muss“, bekannte er. Unabhängig davon sei es aber in der Tat schwierig, die Engstellen – beispielsweise zwischen Kunstrasenplatz und Tribüne – gefahrlos für alle Beteiligten zu passieren, vor allem, wenn Spiel- oder Trainingsbetrieb herrscht. Und über die Laufbahn nebenan zu fahren, „ist sicher nicht das Gelbe vom Ei. Das kann man nicht dulden.“
Rolf Schepp (FDP) konnte sich ebenfalls nicht wirklich mit dem Verbot anfreunden. Vielleicht könne der Konflikt entschärft werden, in dem man erlaube, das Fahrrad mitzuführen, aber nicht damit zu fahren. Ohnehin seien über die Jahre im Weiherhausstadion Nutzungskonflikte entstanden, weil es mehr Vereinsaktivitäten und damit mehr Sportler auf den Flächen gebe. Das müsste gelöst werden, „aber das gelingt nicht, wenn immer mehr Nutzungen kommen“. Solche öffentlichen Anlagen sollten aus seiner Sicht erreichbar und durchgängig sein.
Von einem Gespräch mit den Vorständen der TSV und der SSG berichtete Rolf Tiemann (FWG). „Sie begrüßen das Verbot und sind sehr zufrieden damit, dass das Weiherhausstadion jetzt frei vom Radverkehr ist.“ Die Argumente von Grünen und BfB für eine Öffnung hielt der Fraktionschef nicht für überzeugend. Mittlerweile sei die Schließung auch allgemein akzeptiert, schilderte er seine Eindrücke. Somit bestehe keine sachliche Notwendigkeit, Radverkehr dort zu gestatten.
Matthias Penteker (Fraktion „Vernunft und Augenmaß“) regte an, für eine Testphase Schilder an den Eingängen anzubringen, dass Radfahrer absteigen müssten im Stadion.
Unterm Strich brachte die Diskussion erwartungsgemäß aber keine neuen Erkenntnisse. Die Abstimmung verlief deshalb ohne Überraschungen. CDU, SPD und FDP lehnten ebenso wie die FWG eine Öffnung ab. Grüne, BfB, Matthias Penteker und Rolf Schepp sprachen sich dafür aus. Adriana Filippone (SPD) enthielt sich.
Radfahrer müssen daher weiter draußen parken – oder um das Weiherhausstadion herumfahren, statt das Gelände als Transitstrecke zu nutzen.
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