Ökumene in Lindenfels

Lindenfelser Weltgebetstag im Zeichen des Miteinanders

Von 
Gisela Grünwald
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Katholische und Evangelische Frauen haben den Weltgebetstags-Gottesdienst in Lindenfels vorbereitet. Von links: Anika Westenberger, Isolde Rohnstock und Renate Schneider. © Neu

Lindenfels. Zum Weltgebetstags-Gottesdienst 2022 hat eine Gruppe von evangelischen und katholischen Frauen in die evangelische Kirche eingeladen. Rund 60 Plätze konnte die Gemeinde aufgrund der Corona-Regeln belegen. Die Evangelische Kirche war mit Kerzen in ein stimmungsvolles Licht gehüllt. Vor dem Altar lagen, ausgebreitet auf einem Tuch, Samen und Tee aus dem Vereinigten Königreich. Dahinter die Flaggen der drei Länder, die das Königreich auf den Britischen Inseln bilden. Frauen aus England, Wales und Nordirland haben die diesjährigen Weltgebetstags-Gottesdienste konzipiert.

Die Briten unter Premier Boris Johnson sind aus der Europäischen Union ausgetreten. Nordirland grenzt an die EU, nämlich an die Republik Irland. In Nordirland kam es zwischen 1968 und 1998 zu blutigen Machtkämpfen: Schottische und englische Einwanderer wollten Teil des Königreichs bleiben, die katholischen Iren zur Republik Irland.

Gleichgewicht der Gottesbilder

Viele britische Frauen wünschen sich Hoffnung für England, Wales und Nordirland. Aber auch Frieden in der Ukraine. Die Britinnen baten darum, „Gott, unsere Mutter und unser Vater“ zu beten. Nicht in der Absicht, zu provozieren, sondern „um einen kleinen Schritt in Richtung eines umfassenden Verständnisses von Gott jenseits des Geschlechts zu tun“. Durch dieses Gleichgewicht der Gottesbilder sollen Frauen und Männer dazu ermutigt werden, die Liebe tiefer zu erfahren, die Gott für die ganze Schöpfung hat.

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Nach jedem Gebet wurde eine Kerze angezündet. Am Ende des Gottesdiensts standen sieben Kerzen, für die sieben Weltreligionen, auf dem Altar. Andreas Demmel, Leiter des Ökumenischen Kirchenchors, spielte Orgel und sang zum Auftakt des Gottesdiensts: „Greensleeves“, ein Volkslied aus dem Elisabethanischen Zeitalter.

Die Frauen lassen Texte vor. Sie hoben die Gemeinsamkeiten von England, Wales und Nordirland hervor, die Vielfalt der Kulturen. Im Laufe der Jahre sind viele Menschen aus den ehemaligen britischen Kolonien eingewandert. Sie sind vor Verfolgung und Krieg in ihren Heimatländern geflohen. Heute ist das Vereinigte Königreich eine multiethnische, multikulturelle und multireligiöse Gesellschaft. Darauf sind die Frauen aus England, Wales und Schottland stolz.

Bezug zum Buch Jeremia

Im Mittelpunkt des Gottesdienstes stand „die Verheißung Gottes, wie sie im Buch Jeremia steht“. Der Prophet Jeremia lebte etwa 600 vor Christus, in einer Zeit großer politischer Krisen. Das Königreich Judäa war von den Babyloniern überfallen und viele Menschen aus Jerusalem verschleppt worden. Sie verloren das Land, von dem sie glaubten, dass Gott es ihnen gegeben habe. Die Zukunft sah düster aus, eine Rückkehr in die alte Heimat unmöglich. Gott sagte deshalb zu ihnen: „Sie sollten sich in der Fremde Häuser bauen, viele Kinder bekommen und sich dort ein neues Leben aufbauen“. In heutiger Zeit hoch aktuell.

Die Frauen bezogen den Text auf das Vereinigte Königreich von heute, auf die Menschen, die aus ihrer Heimat geflohen sind und dort ihre Kultur zurücklassen mussten. Trotz des Wohlstands auf den Inseln gibt es Menschen, die arm sind. Wie der psychisch kranke Vater, der seine vier Kinder alleine groß-ziehen muss, da ihn seine Frau verlassen hat. Großmutter Lina hilft, indem sie auf ihr eigenes Mittagessen verzichtet, kauft so Lebensmittel für Sohn und die Enkel. Eines der Enkelkinder geht eines Tages in die Kirche. Von nun an er-hält die Familie Hilfe von der Kirchengemeinde: Lebensmittel von der Tafel, dazu Kleidung und Nachhilfe für die Enkelkinder. Sogar einen Familienurlaub, so die Großmutter Lina.

Nathalie aus Großbritannien erzählt von der Angst vor dem eigenen Ehemann. Vom körperlichen, emotionalen und sexuellen Missbrauch. Fast hätte er die gemeinsame Tochter getötet, als er die Mutter in der Schwangerschaft in den Bauch getreten hat. Natalie hat sich von ihrem Mann getrennt. Sie ist nun glücklich und zieht ihre Tochter allein auf.

Emily berichtet von der Ausgrenzung aufgrund ihrer Behinderung. Nach einer Tumoroperation am Kopf wurde sie gehörlos. Die junge Frau brauchte Zeit, um das Ablesen der Wörter von den Lippen anderer und die Gebärdensprache zu erlernen. Allen drei Frauen hat Gott mit seinem Zukunftsplan Hoffnung geholfen.

Mit dem Lied „Der Tag ist um“ endete der Lindenfelser Gottesdienst zum Weltgebetstag. Die Frauen sammelten die Kollekte ein. Das Geld geht in diesem Jahr an die „Public Welfare Foundation“ in der pakistanischen Provinz Punjab. Wegen Covid-19 konnten die Männer kein Geld mehr verdienen. Die Frauen wussten nicht, wie sie ihre Familien ernähren sollten. Jetzt lernen sie nähen und sticken und frischen ihre Lese- und Rechenkenntnisse auf. Außerdem erhalten sie Rechts- und Gesundheitsaufklärung. In Pakistan verhilft es den Frauen zu einem Einkommen. Sie handeln selbstbewusst und können jetzt ihre Töchter und Söhne unabhängig großziehen.

Freie Autorin

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