Ukraine - Pfarrer Thomas Meurer findet in der Pfarrkirche St. Peter ebenso klare wie Hoffnung stiftende Worte

Friedensgebet in Heppenheim: Die Fastnacht ist derzeit ganz weit weg

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fran/ü
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Vierter Kriegstag in der Ukraine am Sonntag: In Heppenheim gibt es statt Fastnachtsgottesdienst in der Kirche Sankt Peter einen Friedensgottesdienst. © Dagmar Jährling/ü

Heppenheim. Fastnachtssonntag, 10 Uhr: Normalerweise tummeln sich Heppenheims Narren um diese Uhrzeit auf dem Kirchplatz vor St. Peter, um sich gemeinsam mit Pfarrer Thomas Meurer auf den großen Umzug am Nachmittag einzustimmen. Der Narrhallamarsch erklingt zum Einzug, die Ministranten tragen bunte Gewänder, Meurer predigt in Reimform und zum „Heile Gänsje“ von Ernst Neger schunkeln die Gläubigen.

Zwar machte die Corona-Pandemie den Planern des großen Umzugs um Zugmarschall Norbert Weiser zum zweiten Mal in Folge einen Strich durch die Rechnung, doch zumindest der Fastnachtsgottesdienst sollte in der Bergsträßer Narrenhochburg Heppenheim eine Konstante darstellen. Bis die Meldungen der russischen Invasion im Nachbarland Ukraine in der vergangenen Woche die Runde machten.

Spenden mit dem Stichwort "Ukraine-Krieg, CY01026" kön nen laut ...

Spenden mit dem Stichwort "Ukraine-Krieg, CY01026" kön nen laut Pfarrer Thomas Meurer direkt auf das Konto von Caritas International bei der Bank für Sozi alwirtschaft Karlsruhe überwiesen werden. IBAN: DE88 6602 0500 0202 0202 02. fran/ü

„Vieles hat sich geändert“

Denn schnell war Meurer klar: Heiterkeit und ausgelassener Frohsinn in der Kirche und „uff de Gass“ sind in diesen Zeiten schlicht fehl am Platz. „Viele hatten sich auf diesen Gottesdienst gefreut – ich auch“, sagte Meurer in seiner Begrüßung am Sonntagmorgen. „Doch vieles hat sich in den letzten Tagen geändert, die Gefühlslage ist heute eine ganz andere als noch vor wenigen Tagen. Wir alle kommen erschüttert und aufgewühlt aus dieser Woche. Bei den Bildern, die uns täglich aus der Ukraine erreichen, ist die Fastnacht ganz weit weg.“

Aus dem traditionellen Aufgalopp für die närrischen Tage wurde deshalb kurzerhand ein großes Friedensgebet für die leidgeplagten Menschen in dem osteuropäischen Land um „ihren mutigen Präsidenten“ (Meurer über Wolodymyr Selenskyj). Zwar waren längst nicht alle fastnachtstreibenden Vereine der Kreisstadt bei diesem besonderen Gottesdienst im „Dom der Bergstraße“ vertreten, doch zeigten sich die Vertreter der FG Bottschlorum, der Kolpingsfamilie, des Frauenbundes, des SV Erbach und der Jungwinzer sichtlich betroffen und gerührt.

Lob für klare Worte

„Das war ein fantastischer Gottesdienst und genau das Richtige zur jetzigen Zeit“, sprach Bottschloren-Vorsitzende Anke Hildenbeutel wohl den meisten Gottesdienstbesuchern aus der Seele. Sie lobte überdies Meurer für seine klaren und zugleich Hoffnung stiftenden Worte. Denn: Bei aller Wut über die russische Invasion und das damit einhergehende Leid der Menschen in der Ukraine dürfe der „echte Humor“ nicht auf der Strecke bleiben, betonte der Pfarrer.

Gedenken statt Party

An der Martin-Buber-Statue zwischen Graben und Kellereigasse – also genau dort, wo sich ansonsten am Fastnachtssonntag das Partyvolk tummelt und zu lauter Musik tanzt und feiert – trafen sich am späten Sonntagnachmittag zahlreiche Heppenheimer Bürger zu einem weiteren Friedensgebet.

Ursprünglich hatten die katholischen und evangelischen Kirchengemeinden der Kreisstadt zu einer ökumenischen Gedenkstunde für die Menschen in der Ukraine aufgerufen. fran/ü

„Humor gibt Kraft, jetzt und hier nicht zu verzweifeln“, so Meurer. „Humor hat etwas Trotziges und Subversives. Er entlarvt all jene Herrscher, die sich absolut setzen, der Lächerlichkeit.“

Despoten, den Namen des russischen Präsidenten Wladimir Putin musste er an dieser Stelle gar nicht nennen, fürchteten „kaum etwas so sehr wie den Humor. Deshalb bestrafen sie regimekritisches Kabarett oder einen politischen Witz auch so hart.“

Kritik an Kölner Jecken

Hart ins Gericht ging Meurer in seiner Predigt aber nicht nur mit dem russischen Präsidenten, den er wörtlich als „kleinen, gekränkten Mann mit einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung“ bezeichnete, sondern auch mit denen, die die Fastnacht „als Droge missbrauchen“, um sich im wahrsten Sinne des Wortes wegzulachen. „Um die Augen zuzumachen vor den Schrecken dieser Welt.“ Gemeint waren hierbei in erster Linie die zigtausend freudetrunkenen Jecken in Köln, die an Altweiberfastnacht keine Gedanken an die Menschen im Kriegsgebiet verschwendeten.

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All jenen, die die Machtlosigkeit der westlichen Welt kritisieren, gab Meurer überdies mit auf den Weg: „So machtlos sind wir nicht. Gewiss, wir können an der Lage in der Ukraine nichts ändern, nicht aktiv dem Frieden auf die Sprünge helfen. Aber wir können die unterstützen, die dort helfen.“

Beispielhaft führte er die christliche Organisation Caritas International an, die sich schon jetzt für die Menschen engagiere, die aus dem Kriegsgebiet in die Nachbarländer flüchten. Handzettel mit den entsprechenden Informationen und der Kontoverbindung des Spendenkontos hatte er bereits am Kircheneingang ausgelegt.

Tränen in den Augen

Als Zeichen der Hoffnung, aber auch als Bekenntnis des Glaubens erklang unmittelbar nach der Predigt dann doch noch das „Heile Gänsje“. „Dass am Ende doch alles gut werden wird, kann man nur im Glauben und in der Hoffnung sagen“, so Thomas Meurer.

Und er gab zu bedenken, dass das Mainzer Fastnachtslied just in der Zeit entstanden sei, als Nachkriegs-Deutschland noch in Trümmern gelegen habe. „Es gibt wohl kein besseres Beispiel dafür, wie aus der Verzweiflung neue Hoffnung entstehen kann, als dieses Lied.“

Diese Worte in Kombination mit den sanften Klängen und Tönen der „Riedl-Combo“ sorgten wiederum für echte Gänsehautgefühle. Nicht wenige Gottesdienstbesucher hatten Tränen in den Augen. fran/ü

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