Winterkasten. „Recht wird durch Macht entschieden, wer lügt, liegt obenauf.“ Mit diesen Worten beginnt das Lied „Gib Frieden, Herr gib Frieden“ aus dem Evangelischen Kirchengesangbuch. Es wurde zum Abschluss eines Friedensgebets in der Waldhufenkirche in Winterkasten gesungen.
Die Evangelische Landeskirche hatte ihre Kirchengemeinden wegen des Krieges in der Ukraine zu Andachten aufgerufen. Der Winterkäster Kirchenvorstand entschied per Telefonkonferenz, dem Aufruf zu folgen.
Als kurz vor 18 Uhr die Kirchenglocken im Winterkäster Schneegestöber läuteten, saßen einige Besucher schon eine Weile in der Kirche, um still zu gedenken und zu beten, berichtete Pfarrer Sebastian Hesselmann im Gespräch mit unserer Zeitung. Um 18 Uhr begrüßte er 31 Menschen in der Kirche, darunter den Lindenfelser Bürgermeister Michael Helbig mit Familie und den in Reichelsheim wohnhafte Dekan Joachim Meyer. Organist Christian Gärtner hatte sich bereiterklärt, das Friedensgebet musikalisch zu begleiten, und war gleich nach der Arbeit in die Kirche geeilt.
Kriegslied (Matthias Claudius)
’s ist Krieg! ’s ist Krieg! O Gottes Engel wehre, Und rede Du darein! ’s ist leider Krieg – und ich begehre, nicht schuld daran zu sein!
Was sollt’ ich machen, wenn im Schlaf mit Grämen und blutig, bleich und blaß, die Geister der Erschlagnen zu mir kämen, und vor mir weinten, was?
Wenn wack’re Männer, die sich Ehre suchten, verstümmelt und halb tot Im Staub sich vor mir wälzten und mir fluchten In ihrer Todesnot?
Wenn tausend tausend Väter, Mütter, Bräute, So glücklich vor dem Krieg, nun alle elend, alle arme Leute, wehklagten über mich?
Wenn Hunger, böse Seuch’ und ihre Nöten Freund, Freund und Feind ins Grab Versammelten, und mir zu Ehren krähten von einer Leich herab?
Was hülf mir Kron und Land und Gold und Ehre? Die könnten mich nicht freun! ’s ist leider Krieg – und ich begehre, nicht schuld daran zu sein!
Matthias Claudius, 1776
Der Pfarrer verwies auf einen Beschluss der ersten Vollversammlung des Ökumenischen Rats der Kirchen 1948 in Amsterdam. „Krieg soll nach Gottes willen nicht sein“, habe man damals gemeinsam erklärt. Statt einer Predigt trug er das Gedicht „Kriegslied“ des deutschen Dichters und Journalisten Matthias Claudius vor. Sein „Abendlied“ ist unter der Anfangszeile „Der Mond ist aufgegangen“ bekannt.
Einem langen Gebet des Pfarrers folgte gemeinsames Schweigen der Gemeinde vor dem „Vater unser“ und dem Schlusslied. Er nehme wahr, dass viele Menschen Angst vor einem Atomkrieg hätten, sagte Sebastian Hesselmann. Am kommenden Freitag werde auf jeden Fall wieder ein Friedensgebet stattfinden, „egal was bis dahin passiert“.
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