Heppenheim. Nullen am Ende einer Zahl sind echten Fastnachtern in Bezug auf Jubiläen relativ schnuppe. Ein richtiger Narr feiert alle Schnapszahl-Jubiläen, die sich aus einem Rechenexempel mit der Zahl elf ergeben. So auch die Veggelsbecher, die in dieser Kampagne seit sieben mal elf Jahren an Weiberfastnacht in Hambach und Heppenheim ihr Unwesen treiben und traditionell auch beim großen Umzug dabei sind. Zur großen Feierei der 77 hatten sie am Sonntag ins Viniversum eingeladen.
Die Veggelsbecher, das ist ein Zusammenschluss von Frauen, die als alte Weibsen maskiert und ganz in Schwarz an Weiberfastnacht auf Schlipsjagd gehen, dabei Rathaus, Landratsamt, Banken und Betriebe stürmen. Kurzerhand: Sie übernehmen einen Tag lang die närrische Regentschaft über Heppenheim. Und das tun sie seit dem Jahr 1948.
Einzig und allein die Chefin der Truppe, Miss Veggelsbach alias Andrea Ochs-Kleber, in Hambach liebevoll „AOK“ genannt, war am Sonntag unmaskiert. Sie begrüßte reimend die Ehrengäste. Unter ihnen Siegmund Mendyk, der 1987 als erstes „Opfer“ seinen Schlips bei einem närrischen Sturm durch die Veggelsbecher verloren hatte. Davon berichtete auch Wolfgang Schlapp. Hambachs Ortsvorsteher schlüpfte in die Rolle des Dorfschullehrers Johannes Zehnbauer und blickte auf die Anfänge.
Am 8. Februar 1948, also am Fastnachtssonntag, erschien eine unbekannte Maske im Hambacher Rebstock und trieb mit den dort Feiernden allerhand Schabernack. Alle Versuche, herauszufinden, wer sich unter der Maske befand, schlugen fehl. Die als altes Weib maskierte Person gab nur nickend oder kopfschüttelnd Auskunft. Nachdem so klar wurde, dass sie wohl weder aus Hoambach noch aus Hepprum zu kommen schien, rief einer: „Dann werd se wohl aus Veggelsbach soi!“ Die zündende Idee und der Name waren geboren. Jahr für Jahr wurden es mehr „alte“ Frauen. Wer sich aber unter der allerersten Maske versteckt hatte, weiß keiner.
Frauen spielen bei der Hepprumer Fastnacht seit jeher eine große Rolle. Kein Wunder also, dass die Fastnachterinnen des Katholischen Frauenbundes zu den ersten Gratulanten gehörten. Im roten Glitzeroutfit sangen sie die Frauenbund-Hymne vom „Däschl“ – und alle im Saal sangen mit. „Ihr könnt stolz sein auf euer Tun, gegen schlechte Laune seid ihr sowieso immun“, reimte Petra Fischer.
Fastnacht: Sturm des Landratsamtes durch die Veggelsbecher
Als Abordnung der Habafa überbrachten Gerhard Schuster vom Brauchtumsverein und Habafa-Sitzungspräsident Eric Lerchl Glückwünsche. Ausgerechnet Lerchl passierte ein Fauxpas: Er erinnerte sich an Hexen, die ihn als Kind beim Fastnachtsumzug mit dem Besen versohlt haben. Raunen. Denn die Veggelsbecher sind keine Hexen, das sind wiederum andere Protagonisten der Heppenheimer Fastnacht. „Unter der Maske steckt vielleicht en Bese drunner, aber wir ham nie en Bese in der Hand gehabt“, so Ochs-Kleber.
Landrat Christian Engelhardt räumte ein, die KI um ein paar Reime gebeten zu haben. Die dichtete allerhand um den Sturm des Landratsamtes durch die Veggelsbecher, der stets zu schnell vorbei sei: „Bleibt doch das nächste Mal für immer, die Freude wird dann immer schlimmer.“ Erkenntnis im Saal: KI wird der Fastnacht dann doch nicht ganz so gerecht wie eigenständiges Reimen. „En scheene Mann“ vertrage die Feier noch, deswegen sei er jetzt da, so Markus Wilfer, Sitzungspräsident der Bottschloren, der eine 77 aus Hefeteig gebacken hatte. Siegmund Mendyk erinnerte sich an waghalsige Einkaufswagen-Wettrennen mit den Veggelsbechern: „77 Jahre, ohne ein Verein zu sein, so eine Sache aufrechtzuerhalten, das find ich Klasse!“
Steffen Maurer, Präsident des Bunten Abends, lieferte sich ein witziges Zwiegespräch mit Marvin Rademacher: „Auch nach 77 Jahren spannend es bleibt, wer unter den Masken sich die Zeit vertreibt.“ Dann wurde erst einmal ausgiebig getanzt: Die Frauenbund-Damen machten es vor: „Oben, unten, links, rechts“ – bald herrschte ein fröhliches Durcheinander samt großzügiger Auslegung von links und rechts. Da stieß sogar Schirmherr Robin, der Münz-Magier, kurz an seine Grenzen. Der gratulierte am Ende gemeinsam mit Schirmherr Norbert Weiser.
Den Vogel aber schoss ganz am Ende Pfarrer Thomas Meurer ab, der ein Lied von den „Bläck Föös“ umgedichtet hatte und darin besang, dass seit jeher die Menschen von überall kamen und in der Kreisstadt Akzente setzten – angefangen von den Burgherren aus Frankreich, den Steinmetzen aus allen möglichen Ländern über Italiener, die die Pasta ins Land brachten, oder Türken den Döner bis hin zu den Syrern und Polen, ohne die im Heppenheimer Krankenhaus nichts ginge. Ein Plädoyer für das Miteinander, das lauthals bejubelt wurde.
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