Heppenheim/Hemsbach. Mit seinen Modellen von Fachwerkhäusern und dem Fachwissen über Architektur wurde Dieter Ehret bundesweit bekannt. 1990 wurde er mit dem Hessischen Denkmalschutzpreis ausgezeichnet. Seine Häuser im Maßstab 1:30 stehen im Deutschen Zentrum für Handwerk und Denkmalpflege in der Propstei Johannesberg in Fulda. Dort sind seine Modelle Studienobjekte für Architekten, Denkmalpfleger, Handwerker und Tragwerksplaner.
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Bis zum 31. August sind in der Bürger-Drehscheibe in Ehrets Heimatstadt Hemsbach die Modelle zu sehen, mit denen vor 50 Jahren alles klein anfing. Damals bastelte Ehret mit Streichhölzern Fachwerkhäuser, wie er sie sich in der Fantasie vorstellte. Bei der Ausstellungseröffnung an der Hüttenfelder Straße 5 wurde deutlich, wie Ehret in Hemsbach geschätzt wird. Wie stark er auch mit der Nachbarstadt Heppenheim verbunden ist, zeigt sich nicht nur daran, dass er seit 30 Jahren Mitglied der Altstadtfreunde ist. Auch in diesem Verein wird seine Expertise geschätzt.
Ein Archiv aus Aktenordnern, Zeichnungen und Fotografien
Sein Nachbau der Thurn- und Taxisschen Posthalterei war zuletzt 2022 im Marstall des Amtshofs zu sehen. Mittlerweile ist dieses Modell wieder im Stadtmuseum eingelagert, weil es zu groß ist, um es dauerhaft zu zeigen.
Die Bürger-Drehscheibe ist ein Sozialverein, der Menschen miteinander in Kontakt bringt, wie die Vorsitzende Elke Ehret – nicht verwandt mit Dieter Ehret – berichtete. Vor dem Hintergrund seiner Streichholzhäuschen erzählte der 65 Jahre alte Modellbauer, wie sein Talent in der Sprachheilschule in Mannheim von seinem Lehrer Wolfgang Köhler entdeckt wurde. Köhler ist heute 85 Jahre alt und hält noch immer Kontakt zu seinem ehemaligen Schüler. Der arbeitete nach sieben Jahren Sonderschule 13 Jahre lang in der Küche des Kreiskrankenhauses in Weinheim, bis ihn der frühere Hemsbacher Bürgermeister Volker Pauli als Amtsbote und für die Registratur ins Rathaus holte. Dort blieb Ehret 28 Jahre lang, bis er in Rente ging.
Sein Archiv besteht aus 50 Aktenordnern, 10 000 Zeichnungen, 90 000 Fotografien. Mit seinen 1000 Fachwerk-Fachbüchern dürfte er über die größte Spezialbibliothek weit und breit verfügen. Vor wenigen Tagen kehrte er mit Ehefrau Sandra aus der Oberlausitz zurück. Von dort aus betreut er ein Projekt in Polen, wo eines der am besten erhaltenen Umgebindehäuser restauriert wird.
Modell der Friedenskirche aus dem Partnerkreis
Ehret ist wie ein Anwalt für bedrohte Baudenkmäler unterwegs. Ein solcher Fall war ein Haus in Sondheim in Unterfranken. Dort hat er die Verantwortlichen überzeugt, dass das Haus saniert werden muss. Es stand 70 Jahre leer. Die Besitzer hätten es am liebsten abgerissen. Sie waren davon ausgegangen, dass das sogenannte Wohnstallhaus aus dem 18. Jahrhundert stammt.
Ehret sah auf den ersten Blick, dass dieses Haus den Dreißigjährigen Krieg überlebt haben muss. Er fertigte Zeichnungen an, die den Urzustand dokumentierten. Tatsächlich konnte das Gebäude nach wissenschaftlicher Überprüfung auf das Baujahr 1586 datiert werden. Ehret hatte intuitiv erkannt, mit welchem historischen Schatz es die Denkmalschützer zu tun haben. Ehret „liest“ Baupläne, studiert die Zeichnungen tagelang. Dann legt er sie beiseite und fängt an zu bauen.
Den Bezug zur Kreisstadt Heppenheim stellt auch das Modell der Friedenskirche von Schweidnitz her. Der Kreis Schweidnitz ist seit 2001 Partnerkreis des Kreises Bergstraße. Die Friedenskirche gehört zum Weltkulturerbe der Unesco. Auf die wohl größte Fachwerkkirche Europas ist Ehret aufmerksam geworden, als er mit einer Delegation aus dem Kreis Bergstraße nach Polen gereist war. Drei Jahre lang hat er an diesem Modell gearbeitet, täglich zwischen vier und zehn Stunden. Der Nachbau hat eine Grundfläche von 2,50 mal 3,60 Meter und ist 1,85 Meter hoch und besteht aus 1000 Holzteilen. 2002 wurde es im Landratsamt in Heppenheim gezeigt. Zu den imposantesten Modellen, die in Fulda zu sehen sind, gehören der „Schäferhof“ in Osterwieck, die Objekte Unterdorfstraße 29 in Zeutern und Kleine Bach 14 in Heppenheim sowie zwei Firstständerhäuser aus dem 15. Jahrhundert.
Ein „Skandal“, dass Häuser am Bensheimer Marktplatz verfallen
Das erste Streichholzmodell, mit dem Ehret ein reales Objekt nachbaute, war das Fachwerkensemble auf der Nordseite des Bensheimer Marktplatzes, erbaut 1683. Ehret hält es für einen Skandal, dass drei Fachwerkhäuser in Bensheim verfallen. Er erinnert daran, dass nach dem Zweiten Weltkrieg in Bensheim 80 Prozent aller Fachwerkhäuser abgerissen wurden, im Heppenheim 70 Prozent, darunter die Posthalterei. ai/ü
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