Heppenheim. Pfarr- oder Rathaus? Manfred Bräuer und Hans Joachim Büge vom Heppenheimer Geschichtsverein entschieden sich für die städtische Verwaltung, um den fünften Band der Heppenheimer Sippenbücher zu präsentieren. Bei den ersten vier Bänden hatte sich diese Frage nicht gestellt: Weil es vor 1881 keine Standesämter gab, bilden die Kirchenbücher die wichtigste Quelle.
Der neueste Band deckt die Jahre 1881 bis 1900 ab. Auf 560 Seiten werden Eheschließungen, Geburten und Todesfälle für Heppenheim und die Stadtteile Erbach, Kirschhausen, Sonderbach und Wald-Erlenbach verzeichnet. Daten für Hambach fehlen. Dort wurden ab 1876 eigene Kirchenbücher geführt.
Riesenarbeit im Interesse der Stadt
Der Heimat- und Familienforscher Bräuer ist im Geschichtsverein für die Finanzen zuständig. Büge ist der Herausgeber. Er arbeitete früher vorwiegend mit Helmut Becker (1924-2019) vom Pfarrarchiv der Gemeinde Sankt Peter zusammen, der von Reiner Dören unterstützt wurde. Im Stadtarchiv ist die Leiterin Katrin Rehbein die Ansprechpartnerin. Bürgermeister Rainer Burelbach (CDU) würdigte die Arbeit des Geschichtsvereins und die Zusammenarbeit mit dem Stadtarchiv. Er sprach von einer „Riesenarbeit“, die der Verein im Interesse der Stadt leiste.
Büge und Bräuer berichteten, wie schwierig es ist, die Quellen zu sichten, zu ordnen und zu dokumentieren. „Die Kirchenbücher sind nicht ohne Lücken“, sagte Bräuer. Im Krieg oder wenn der Pfarrer krank war, fehlten die Eintragungen. Wichtiger als der Geburts- oder Sterbetag war es aus kirchlicher Sicht, wann das Kind getauft oder der Verstorbene beerdigt wurde.
Mit den Standesämtern änderten sich zunächst in Baden die Verhältnisse. 1874 wurde in Preußen die „obligatorische Zivilehe“ gesetzlich vorgeschrieben, 1876 im ganzen Deutschen Kaiserreich. „Die Kirche hatte ihr Monopol verloren, die Pfarrer waren wütend“, sagte Büge. Aus Rache habe der Heppenheimer Pfarrer Konrad Sickinger die Einträge bis 1909 wieder in lateinischer Sprache verfasst.
In Bensheim, das für die evangelischen Christen aus Heppenheim zuständig war, löste ein Formblatt die Einträge ab. So vereint das neue Heppenheimer Sippenbuch beide Quellen: Kirchenbücher und Dokumente der Standesämter und aus Familienbüchern umliegender Orte.
Im Gegensatz zu den früheren Bänden sind im neuen Sippenbuch auch die Bürger jüdischen Glaubens verzeichnet. Die Standesämter erfassten die Daten unabhängig von der Konfession. Die Einträge wurden durch die Forschungsergebnisse ergänzt, die Bürgermeister Wilhelm Metzendorf (1911-1988) in seinem Buch „Geschichten und Geschicke der Heppenheimer Juden“ aufgeschrieben hat.
Büges Hartnäckigkeit ist es zu verdanken, dass auch die Daten der Menschen festgehalten werden, die in der „Großherzoglichen Landesirrenanstalt“ lebten und starben. Im Vergleich zu 300 Betten geben 630 Todesfälle innerhalb von 20 Jahren zu denken.
Die Sippenbücher des Heppenheimer Geschichtsvereins sind mehr als Listen von Namen und Daten. Sie geben Auskunft über die Entwicklung und Verbindungen über die Region hinaus. Dass der erste Ehrenbürger der Stadt München aus Heppenheim stammt, hatte Professor Karl Härter, Vorsitzender des Geschichtsvereins, schon im Band 3 erklärt. Georg Friedrich Freiherr von Zentner (1752-1835) entwarf die Verfassung des Königreichs Bayern von 1818 und war von 1823 bis 1831 Justizminister. Vater Franz Friedrich war Burgmann der Starkenburg. Der ältere Bruder Johann war Stadthauptmann und Wirt im Gasthaus zur Sonne (Posthof); die ältere Schwester Katharina betrieb mit ihrem Mann Georg Löffler bis 1792 das Gasthaus Halber Mond.
Im aktuellen Band 5 gibt es eine weitere Entdeckung: Der Heppenheimer Franz Johann Vettel (1894-1965), war in der DDR ein bedeutender Pflanzenzüchter und Staatspreisträger.
Auch Abmeldungen ausgewertet
2201 Familiennummern umfasst das Sippenbuch, von Achenbach bis Zöller. Neu ist die Auswertung der „Abmeldebücher der Gemeinde Heppenheim“. Sie zeigen die Bemühungen der Menschen, ihre Lebenssituation zu verbessern. Junge Frauen suchten in den umliegenden Städten und Gemeinden eine Stellung, meist als Haus- oder Dienstmädchen. Auswanderung spielte um 1900 kaum eine Rolle. Margarethe Berg allerdings, die in Heppenheim geborene Großmutter der Filmschauspielerin Grace Kelly und späteren Fürstin von Monaco, ist 1890 oder 1894 nach Amerika aufgebrochen.
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