Heppenheim. Vor Kurzem erst wurde bekannt, dass Heppenheims größter Weinbaubetrieb sich von einer großen Fläche am Schlossberg zurückzieht. Die Arbeit in der Steillage lohnt nicht mehr, der Aufwand, der betrieben werden muss, steht immer weniger im Verhältnis zum Ertrag.
Schlimmstenfalls bedeutet dies nicht nur, dass hier kein Wein mehr angebaut wird, sondern auch, dass ein weiteres Areal an Heppenheims Hausberg der Verwilderung preisgegeben wird, dass es an dieser Stelle künftig ähnlich aussieht, wie schon auf großen Teilen des Süd- und Südosthangs: Brombeeren und Schlehen breiten sich aus, mancherorts entstehen waldähnliche Strukturen.
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Heppenheims Nabu (Naturschutzbund) stemmt sich dieser Entwicklung seit zwei Jahrzehnten entgegen, will „der Vergangenheit am Schlossberg eine Zukunft geben“, wie der Nabu-Vorsitzende Günther Hagemeister es formuliert. Die Hoffnung, dass die vor rund 20 Jahren begonnenen Maßnahmen der Flurneuordnung an der Situation viel zum Besseren ändern würden, haben sich aus Nabu-Sicht kaum erfüllt.
Stattdessen verändere der Schlossberg nicht nur sein attraktives und auch bei Touristen beliebtes Aussehen, er verändere sich auch sehr negativ für die dort heimische Artenvielfalt, wegen der das Gebiet als Natura-2000-Gebiet unter besonderen Schutz gestellt wurde.
Ziel der Naturschützer ist deshalb die Förderung der Biodiversität, auch zum Erhalt der alten Kulturlandschaft, die dort durch ehemalige Weinberge, mit steilen Treppen, Pfaden, Steinriegeln und zahlreichen Trockenmauern gekennzeichnet ist. Hagemeister: „Nur wenn diese Strukturen bestehen bleiben, kann auch das wertvolle Artinventar dort erhalten und gefördert werden.“
Über 10 000 Quadratmeter
Bereits mehr als 10 000 Quadratmeter hat der Nabu inzwischen in eigene Regie übernommen, hat in mühevoller Arbeit Flächen entbuscht und hierbei auch zahlreiche Trockenmauern repariert. Ein verfallenes Weinbergshäuschen wurde restauriert und ist heute ein Blickfang am Kanonenweg. Kein Erfolg war einem ersten Versuch beschieden, die zahlreichen Trockenmauern auf großer Fläche unterhalb der Starkenburg vom Gebüsch zu befreien und zu restaurieren. „Das ist leider am Desinteresse der Grundstückseigentümer gescheitert, obwohl alle durchzuführenden Maßnahmen für die betroffenen Eigentümer kostenlos erfolgt wären“, bedauert Hagemeister.
Nun hat der Nabu auf einer eigenen Fläche oberhalb des Kanonenwegs damit begonnen, eine Fläche zu entbuschen und die alten Trockenmauern wieder herstellen zu lassen, um dort zu zeigen, wie Schutz und Flächenerhalt gelingen können. Das gesamte Projekt „Schaffung, Wiederherstellung und Entwicklung von Lebensräumen sowie Lebensstätten wildlebender Tier- und Pflanzenarten der Agrarlandschaft“ wird vom Land Hessen mit Steuergeldern gefördert, mitfinanziert vom Bund im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ (GAK). Bewilligungsstelle ist das Regierungspräsidium Darmstadt.
Im Frühjahr 2022 wurde durch ein Heppenheimer Unternehmen die Fläche entbuscht und die vorhandenen Trockenmauern freigestellt. Besonders unterstützt wurden die Arbeiten vom Betriebshof der Stadt, die sehr großes Interesse hat, den Schlossberg als Kulturlandschaft zu erhalten und selbst, auch vergeblich, für das Projekt geworben hatte. Die vorhandenen, mehr oder weniger geschädigten Trockenmauern wurden von einem Heppenheimer Architekten unentgeltlich erfasst, es wurden Vorschläge zu deren Restaurierung erarbeitet und eine Ausschreibung für die zu erledigenden Arbeiten wurde gestaltet.
Als problematisch erwies sich die Suche nach einem geeigneten Unternehmen, das schließlich in Heidelberg gefunden wurde und viel Erfahrung mit dem schwierigen Mauerbau hat.
Schwierig war es aber auch, den richtigen Zeitpunkt für die Arbeiten zu finden. In Abstimmung mit den Naturschutzbehörden des Regierungspräsidiums und des Kreises Bergstraße wurde Mitte April begonnen, nun sind die Spezialisten damit beschäftigt, die alten Mauern bis zum Fundament freizugraben und von dort aus neu zu errichten.
An einigen Stellen ist bereits erkennbar, wie attraktiv die Mauern sind. Ohne eine Kelle Mörtel werden die Steine aufeinandergesetzt, durch lange Bindersteine mit dem Hang verbunden und zum Hang hin mit kleinem Geröllmaterial „hinterfüttert“.
Nur so wird die Standfestigkeit solcher Mauern über viele Jahrzehnte ermöglicht. Der Nabu hofft nach den inzwischen gemachten Erfahrungen nun, weitere Flächen in Angriff nehmen zu können. jr/ü
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