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Lesung thematisiert jüdisch-arabisches Zusammenleben

Der israelische Journalist und Autor Igal Avidan stellte im Buber-Haus sein neues Buch „...und es wurde Licht!“ vor.

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jr/ü
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Der bekannte Autor Igal Avidan spricht im Martin-Buber-Haus über sein neuestes Buch. © Dagmar Jährling

Heppenheim. Eigentlich hätte man gerne noch gehört, wie Igal Avidan die heutige Situation, nach zwei Jahren Gaza-Krieg und einem eher fragilen Waffenstillstand, zwischen dem Staat Israel und der Terrororganisation Hamas sieht. Aber nach fast zwei Stunden, in denen der israelische Journalist und Autor am Dienstagabend im Martin-Buber-Haus schlaglichtartig über eine Reise durch die Heimat nach den Palästinenser-Aufständen von 2021 berichtet hatte, fehlte schlicht die Zeit. Schade, denn der Nahostexperte hätte mit Sicherheit und aus seinen persönlichen Erfahrungen heraus vieles zu sagen gehabt.

Igal Avidan, 1962 in Tel Aviv geboren, hat in Israel Englische Literatur und Informatik und dann in Berlin Politikwissenschaften studiert. Seit 1990 arbeitet der Nahostexperte als freier Berichterstatter aus Berlin für israelische und deutsche Zeitungen und Hörfunksender. 2017 erschien sein Buch „Mod Helmy. Wie ein arabischer Arzt in Berlin Juden vor der Gestapo rettete“ (dtv) und vor zwei Jahren dann seine in Buchform gefasste Reportage „… und es wurde Licht! Jüdisch-arabisches Zusammenleben in Israel“ (Berenberg).

Friedvolles Leben ist trotz aller Probleme möglich

Dass dieses jüdisch-arabische Zusammenleben Licht- wie Schattenseiten hat, wurde in den Geschichten aus dem israelischen Alltagsleben deutlich, die Avidan vor allem frei, begleitet aber auch von Textpassagen aus seinem zweiten Buch, wiedergab. Da waren zum einen viele Zahlen und Fakten – beispielsweise, dass Araber einmal zwei Drittel der Bevölkerung auf dem heutigen Staatsgebiet ausmachten. Oder dass vor 1948 ein Drittel der Gebäude im heutzutage „palästinenserfreien“ West-Jerusalem im Besitz arabischer Familien war. Oder dass bei gewalttätigen Auseinandersetzungen um den oberhalb der – für Juden heiligen – Klagemauer gelegenen Tempelberg mit seiner – für Muslime heiligen – Moschee 2021 vier Tote zu beklagen waren.

Dass es sich bei diesen Opfern um zwei Juden sowie zwei Muslime handelte, und dass deren Familien die Organe der Verstorbenen zur Transplantation für lebensgefährlich Erkrankte der jeweils andersgläubigen Seite zur Verfügung stellten, ist für den Journalisten eines von vielen Zeichen dafür, dass ein friedvolles Leben zwischen Juden und Arabern trotz aller Probleme möglich ist. So die israelische Klinik, die während des Bürgerkriegs in Syrien mehr als 3.000 verwundete Syrer zur Operation und Pflege aufgenommen hatte.

Avidal berichtet in seinem Buch aber vor allem von den weniger spektakulären Dingen, die das Leben in dieser oft von Hass, aber auch gegenseitiger Sympathie geprägten Zwangsgemeinschaft bestimmen. Über eine Tagesstätte beispielsweise, in der jüdische und arabische Kinder gemeinsam und zweisprachig erzogen werden. Über einen jüdisch-palästinensischen Frauenchor. Oder einen Araber, dessen weithin bekanntes Fischlokal in der Altstadt von Akkon beim 2021er-Aufstand Ziel arabischer Jugendlicher und fast komplett zerstört wurde. Und der feststellte: „Wir dürfen uns nicht einer Handvoll Idioten ausliefern.“

Gesetz schützt zwei Generationen

Avidal, dessen Kritik an den bestehenden Verhältnissen eher in Zwischentönen zum Ausdruck kommt, vermittelt bei seiner Lesung im gut besuchten Buber-Haus – sämtliche zur Verfügung stehenden Stühle waren belegt – aber auch ein Bild des Alltagslebens im heutigen Israel. Und den offensichtlich großen Unterschieden in der Vermögensverteilung: Eine seiner Geschichten handelt von den arabischen Bewohnern eines Mehrfamilienhauses, deren Nachzahlung für Strom sich irgendwann auf umgerechnet 2.500 Euro hochgeschaukelt hatte – weil sich unbezahlte Rechnungen und Mahnungen summiert hatten.

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Igal Avidan hat vieler solcher Geschichten auf Lager, Lesung wie Buch sind ausgesprochen kurzweilig und ein guter Einstieg, will man sich mit dem Israel von heute beschäftigen. Auch dann, wenn die Zeit nach dem Massaker vom 7. Oktober 2023 ausgeblendet ist.

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