Kinderbetreuung

Steht die kirchliche Kita-Finanzierung vor dem Aus?

Der Mitgliederschwund erzeugt den erwarteten Spardruck. Katholische und evangelische Akteure streben daher neue Verträge mit Kommunen an.

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Im katholischen Marienhaus (links, Ansicht der Rückseite) ist eine von noch sechs konfessionellen Heppenheimer Kitas. © Dagmar Jährling

Heppenheim. Ganz überraschend kam die gemeinsame E-Mail der beiden großen Kirchen an die kommunalen Spitzenverbände in Hessen nicht mehr.

Der Inhalt, die Finanzierung konfessioneller Kitas, sorgte jüngst in Lampertheim auf Gremiumsebene für Besorgnis. Die Stadt hatte rechtzeitig politisch informieren wollen, auch wenn noch keine direkten Gespräche stattgefunden hatten.

Der weitreichende Plan mit Realisierungsperspektive „bis 2030“ wird die gesamte Evangelische Kirche in Hessen und Nassau sowie das Südhessen umfassende Bistum Mainz und damit auch Heppenheim betreffen. Ziel sei es dem Schreiben zufolge, „feste Pauschalen pro Kita-Gruppe als Finanzierungsbeitrag zu vereinbaren“ statt der bisherigen prozentualen Beteiligung.

Nachdem sich gerade erst im Stadtteil Kirschhausen die Wandlung der ehemals katholischen Kita Sankt Bartholomäus zur städtischen Kita Pusteblume vollzog, gibt es in der Kreisstadt noch ein halbes Dutzend konfessioneller Kitas. Als evangelische sind das Johann-Hinrich-Wichern in der Weststadt und Oberlin, mit integrativem Charakter, im Norden der Kernstadt.

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In katholischer Trägerschaft befinden sich das Marienhaus in der Altstadt sowie Sankt Christophorus (Nordstadt II), Sankt Franziskus im Südwesten und die auf Unterdreijährige ausgerichtete Weststadt-Krippe Sankt Josef. Auf Nachfrage dieser Zeitung betonen die kirchlichen Sprecher in dieser Sache, dass die Aufgabe der Kinderbetreuung und -erziehung auch zukünftig einen hohen Stellenwert besitze.

Von einer „Entwicklung, die sich seit langer Zeit abzeichnet“, spricht Heppenheims Bürgermeister Rainer Burelbach (CDU) vor dem Hintergrund der zusehends knapper werdenden Kirchenkassen. „Da sitzen wir natürlich in einem Boot“, weiß der evangelische Pfarrer Markus Eichler aus Viernheim um die ebenfalls wahrlich nicht einfache Haushaltslage der Kommunen.

Keine Konkurrenz beim Personal

Er ist Mitglied des Trägervorstands der Gemeindeübergreifenden Trägerschaft (GüT) des Dekanats Bergstraße und Mitglied des Finanzausschusses der Landessynode, die den Weg wies. Dieser lässt sich über die Vorgabe, mindestens zehn Millionen Euro bis 2030 einzusparen, auch beziffern. Als Anteil der laufenden Kita-Kosten übernehmen die Kirchen „bisher auf dem Papier 15 Prozent, faktisch etwas weniger“, erklärt Burelbach.

Die evangelische Kirche, konkret die GüT, ist genau wie der Zweckverband Unikathe des Bistums angehalten, alle Verträge mit den Kommunen neu zu verhandeln. Verträge sind für Heppenheim Burelbach zufolge vor Kurzem erst, vor dieser neuen Prämisse, geschlossen worden, aber mit kurzer Laufzeit versehen. Beim Personal wollen sich die Träger nicht auch noch Konkurrenz sein, deshalb erfolge das Gewinnen und Binden von Erzieherinnen und Erziehern grundsätzlich ortsgebunden, erläutert Pfarrer Eichler. Die Personalkosten möchten die Kirchen abtreten, für die Personalverantwortung gilt das erstmal nicht, auch nicht für die Trägerschaft. Mittelfristig? „Ich hoffe, langfristig“, erwidert Eichler.

„Kirchen und Bistümer verstehen sich seit Jahrzehnten als verlässlicher Partner der Kommunen, um gemeinsam den gesellschaftlichen Bildungsauftrag zu erfüllen“, heißt es zu Beginn des besagten Schreibens, das sich landesweit auf fast 1100 Kitas bezieht, rund 600 davon evangelisch. Der springende Punkt: „Für die Finanzierung des kirchlichen Anteils für einen Kita-Platz sind ungefähr drei zahlende Kirchenmitglieder notwendig.“

Bekanntlich schreitet der Mitgliederschwund voran, was massiv sinkende (Kirchensteuer-)Einnahmen und erheblichen Spardruck erzeugt. Mit der Konsequenz, schon angesichts der ungünstigen Prognosen, dass die Kirchen ihre Kosten reduzieren und sich nach Möglichkeit auch von Immobilien trennen möchten. Heppenheims evangelischer Wichern-Bau war schon immer ein städtischer, Oberlin hat die Stadt übernommen. Die noch recht junge Einrichtung Sankt Christophorus ist ein Mischmodell, die übrigen Kita-Bauten gehören (noch) der katholischen Kirche.

Weiterhin Beitrag zum Kitabetrieb

Von einem Rückzug aus der Kita-Finanzierung könne nicht die Rede sein, erläutert der Referent für Verbandskommunikation, also für Unikathe, Jonas Ansorge. „Es wird weiterhin ein angemessener Eigenbeitrag zum Kitabetrieb geleistet.

Das Bistum Mainz hat auf die Erhöhung der Betriebskosten und die vor Ort immer aufwendigeren bürokratischen Hürden bereits 2022 mit der Gründung des ‚Unikathe Kita-Zweckverbandes im Bistum Mainz‘ reagiert.“ Dieser soll die gemeindebezogene Verwaltung entlasten. Das klingt erstmal positiv, und ähnlich äußern sich die lokalen Stimmen. So sprach Pfarrer Thomas Meurer von überbordender Bürokratie, die ein ehrenamtlicher Verwaltungsrat bei allem Engagement nicht bewältigen könne. Auch Burelbach kritisiert die sich in allen Sektoren verschärfende Bürokratisierung, die das ganze Land ein Stück weit lähme.

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„Eine konkrete Aussage“, inwiefern es mit Heppenheims katholischen Kitas weitergeht, „kann zum jetzigen Zeitpunkt nicht getroffen werden“, schließt Ansorge seine Ausführungen. Analysen, Gespräche und möglichst konstruktive Vereinbarungen müssen dem vorausgehen. Die Kita-Arbeit bleibe für die evangelische Kirche „ein sehr wichtiges Thema“, unterstreicht Eichler. „Wir wollen uns auf keinen Fall herausziehen.“

Die Flucht aus den Kirchen hängt mit mangelnder Identifizierung der dann ehemaligen Gemeindemitglieder, aber oft auch mit den (Missbrauchs-)Skandalen der Kirchen zusammen. „Klare Vorgaben“ betont Eichler im Zusammenhang mit dem jüngst erst erfolgten Aufdecken tausender zurückliegender Missbrauchsfälle in der evangelischen Kirche. Schon in Verdachtsfällen griffen ganz klare Strukturen und Handlungsketten. Das Schlimmste dürfe nicht, nie mehr passieren, auch kein Vertuschen – „Kirche muss ein sicherer Ort sein“. mbl/ü

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