Heppenheim/Bergstraße. Still ruht der Bruchsee an diesem Morgen, und auch das ehemalige Hotel im Heppenheimer Südwesten liegt verlassen an seinem Ufer. Fast. Im rechten Trakt, in dem nach einem größeren Wasserschaden im Schulgebäude eine Zweigstelle des Starkenburg-Gymnasiums untergebracht ist, brennt Licht.
Eine neue Eingangstür ist in die Fassade eingebaut worden. Die breite Glastür am Haupteingang ist erwartungsgemäß verschlossen, das Foyer dunkel und verwaist. Dafür blühen die Geranien im zweiten Obergeschoss leuchtend rot und sind in beneidenswert gutem Zustand. Ansonsten: von außen kein Zeichen von Leben im linken Trakt der ehemaligen Vier-Sterne-Unterkunft.
Arbeiten laufen seit Wochen
Auf dem Parkplatz jedoch steht ein weißer Transporter eines Heppenheimer Betriebs für Sanitär, Heizung und Trinkwasserhygiene. Doch ein Hinweis auf Betriebsamkeit im Innern? In der Tat wird dort seit Wochen gearbeitet, wie der hauptamtliche Kreisbeigeordnete und zuständige Dezernent Matthias Schimpf (Grüne) erklärt. „Im Neben- und Hauptgebäude wurden die Brandlasten, etwa Teppiche, in den Fluren der Schlaftrakte entfernt.“ Die Beauftragung von außen liegenden Treppentürmen an Haupt- und Nebengebäude zur Ertüchtigung der Rettungswege stehe bevor. Überprüft wurden zudem die sanitären Einrichtungen und die Heizungsanlage.
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Dass seit einiger Zeit Schüler des von einem größeren Wasserschaden betroffenen Starkenburg-Gymnasiums einen Teil der Räume nutzen, stört Schimpf zufolge nicht. Die Umbauarbeiten „finden in einem Bereich statt, der komplett abgetrennt von dem Rest des Gebäudes ist und auch zukünftig vonseiten der Verwaltung genutzt werden soll.“
Die Gefahrenabwehr des Kreises hatte zudem den großen Raum im Erdgeschoss für eine Katastrophenschutzschulung genutzt. „Auch hier gab es keine Beeinträchtigung der Bauarbeiten, da diese in einem anderen Teil des Gebäudes stattfinden.“
Insgesamt ist schon einiges geschehen, um das ehemalige Hotel in eine Flüchtlingsunterkunft zu verwandeln. Zu diesem Zweck hat der Kreis das Gebäude erworben. Der ursprüngliche Plan, dort bereits im Herbst die ersten Menschen unterzubringen, hat sich verzögert. Doch nicht wegen der Bauarbeiten oder des Zustandes des Gebäudes, wie Schimpf betont. Vielmehr habe es deutlich länger gedauert als erwartet, die Eigentumsverhältnisse aller Flurstücke zu bereinigen. Als neue Wegmarke für den Einzug von rund 150 Menschen nennt Schimpf Ende März des kommenden Jahres.
Noch gibt es einige Unklarheiten
Doch wer dort schlussendlich die Räume belegt, steht noch lange nicht fest. Es gibt zwei mögliche Nutzergruppen: geflüchtete Menschen aus der Ukraine und jene aus sogenannten Drittstaaten. „Beide Gruppen wollen wir aus verschiedenen Gründen getrennt voneinander unterbringen“, sagt Schimpf. Denn während es sich bei den Menschen aus der Ukraine im Wesentlichen um Familien und/oder Frauen handelt, sind Flüchtende aus Drittstaaten wie Afghanistan, Türkei oder Syrien in den meisten Fällen allein reisende junge Männer.
Hinzu kommt: Erstere beziehen direkt Leistungen nach dem SGB II und dürfen beispielsweise arbeiten gehen, Letztere erhalten Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Beide Gruppen brauchen jeweils andere Konzepte für Unterbringung und Betreuung – auch, was etwa einen Sicherheitsdienst angeht.
Und davon wiederum hängen einige Umbaumaßnahmen im Gebäude ab. Möglich wäre es beispielsweise, die große Küche an einen Caterer zu verpachten, der die Geflüchteten mitversorgt. Für alleinreisende Männer ist dies sicher sinnvoll. „Ukrainische Familien wollen aber in der Regel lieber selbst kochen“, gibt Schimpf zu bedenken.
Doch die Entscheidung über die Belegung des ehemaligen Hotels und damit über weitere Umbauten und das Konzept wird noch dauern. Hauptproblem ist die Unsicherheit bei den Zuweisungen. „Wir wissen von Woche zu Woche nicht, wer zu uns kommt”, sagt Schimpf. Prognostiziert wurden eine Weile lang mehr Ukrainer, gekommen sind aber andere. „Momentan kommen sieben bis zwölf Ukrainer pro Woche, aber rund 70 alleinreisende Männer.” Beeinflussen kann der Kreis weder die Herkunft noch die Zahl der Neuankömmlinge.
Große Probleme bei Unterbringung
Die Unterbringung Geflüchteter stellt den Kreis vor massive Probleme, vor allem, weil in den Gemeinschaftsunterkünften noch immer rund 600 Menschen wohnen, die längst bleibeberechtigt sind – und in den Kommunen unterkommen müssten. In diesem Jahr hat der Kreis den Kommunen angekündigt, ihnen 150 Menschen aus jenen Unterkünften zuzuweisen. „68 davon sind übrig und sollen in den nächsten Wochen auf die noch offenen Kommunen verteilt werden”, so Schimpf.
Nach wie vor bemühe sich der Kreis, Direktzuweisungen an die Kommunen zu verhindern, Turnhallen sollen nach wie vor möglichst nicht als Unterkünfte dienen müssen. Doch wie lange das noch gut geht, bleibt abzuwarten.
Defizit von rund sechs Millionen Euro
„2023 brauchen wir Unterstützung der Kommunen, um als Kreis die Menschen weiter unterbringen zu können”, kündigt Schimpf an. „Das geht so nicht weiter.” Die Kommunen müssen dem Kreis Flächen und/oder Liegenschaften mitteilen, auf beziehungsweise in denen der Kreis ihm zugewiesene Flüchtlinge unterbringen kann. „Darüber hinaus ist es notwendig”, betont Schimpf, „dass die Kommunen für die Unterbringung von Bleibeberechtigten eigene Unterbringungsmöglichkeiten schaffen.”
In den ersten drei ersten Quartalen dieses Jahres sind insgesamt 1891 Geflüchtete im Kreis neu angekommen, 792 sind es bislang fürs Vierte. Was die Unterbringung der Menschen den Kreis pro Person und Tag kostet, kann laut Kreis nicht pauschal beantwortet werden, da es unter anderem von der Struktur, Größe und Lage der Unterkünfte abhängig ist.
Für 2022 werde aber mit einem Defizit im Bereich der Flüchtlingsunterbringung von rund sechs Millionen Euro zu rechnen sein. schu
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