Am Wegesrand

Auerbacher Hotel Krone: Ein Gasthof mit wechselvoller Geschichte

Wer zu Fuß geht, der kann viel erleben und an allen Ecken Zeugen vergangener Zeiten entdecken. Genau besehen, ist das gesamte Stadtgebiet ein Freiluftmuseum. In unserer Serie geht es heute um das Hotel Krone in Auerbach.

Von 
Eva Bambach
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Die Postkarte zeigt den Zustand des Hotels Krone im Jahr 1907: Ein wuchtiger Turm verbindet Nord- und Südgebäude. Die Loggia im ersten Geschoss sollte den Gästen den damals attraktiven Blick auf die Bachgasse und die Berge ermöglichen. © gemeinfrei

Auerbach. Dass hier ein reger Beherbergungsbetrieb läuft, ist von der Straße aus nicht zu bemerken: Das Hotel Krone hat seinen Eingang abgewandt von der viel befahrenen B3 nach hinten. Man gelangt nur über den Parkplatz hierhin, der seit vielen Jahrzehnten die prächtigen Parkanlagen ersetzt, die früher zum Hotel gehört hatten.

Regelrecht im Verborgenen wird also für den Passanten eine Tradition fortgesetzt, die an diesem Ort bis ins 17. Jahrhundert zurückreicht: Das Hotel Krone in Auerbach wurde 1655 als „fürstliche Herberge zur güldenen Krone“ von der hessischen Landgräfin Sophie Eleonore gegründet. Seit mehr als dreieinhalb Jahrhunderten besteht der Gasthof nun also schon - mit kurzen Unterbrechungen und bei schwankender Rentabilität, darin übrigens vergleichbar mit dem Bunten Löwen in Zwingenberg und dem Halben Mond in Heppenheim.

Während es zur regionalen Hochzeit des Fremdenverkehrs im 19. Jahrhundert und noch einmal in den 1950er und 60er Jahren an der Bergstraße viele Hotels, Gasthöfe und Pensionen gab, die trotz ehemals guten Rufs verschwunden sind, behaupten sich diese großen Häuser immerhin bis heute. Ihre Aufgaben und Zielgruppen veränderten sich dabei über die Jahrhunderte.

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Galt es zunächst, den Reisenden und Handeltreibenden entlang der wichtigen Verkehrsachse, die von Nord nach Süd entlang der Bergstraße führte, Unterkunft zu geben, so wurde für die Krone in Auerbach bald die Nähe zum Fürstenlager und damit zur Sommerresidenz der Landgrafen von Hessen-Darmstadt und später der großherzoglichen Familie wichtig. Die im 19. Jahrhundert erheblich zunehmende Reisetätigkeit der Bevölkerung brachte mehr Durchreisende, die hier Station machten und für die in der Krone zeitweise Stallungen für mehr als 100 Pferde vorgehalten wurden. Doch der Verkehr von Dampfschiffen auf dem Rhein und die Einweihung der Main-Neckar-Eisenbahn 1846 setzte dem ein schmerzliches Ende und die Gasträume standen oft leer.

Allerdings fanden hier dann im Mai 1849 Flüchtlinge der Badischen Revolution für einige Wochen Unterkunft. Mit rund 80 Personen gründete sich eine regelrechte Emigrantenkolonie in der Krone, die offenbar ausgelassen Wein und Gegend genoss. Darunter war auch der Dichter Joseph Victor von Scheffel, an den heute nicht nur eine Gedenktafel an der Straßenseite des Hotels sowie eine weitere in den Tagungsräumen des Hotels, sondern in Auerbach auch eine Scheffelruhe und eine Scheffelstraße erinnern.

Zum Feiern ging es nach Auerbach

Schon im Januar desselben Jahres war eine große Versammlung in die Krone gekommen, um die Annahme der Grundrechte im Parlament zu feiern - in Frankfurt galten Ausnahmegesetze, die solche Versammlungen noch untersagten: Am 21. Dezember 1848 hatte die Frankfurter Nationalversammlung das „Reichsgesetz betreffend die Grundrechte des deutschen Volkes“ verabschiedet - zum ersten Mal erlangten damit Menschen- und Bürgerrechte Gesetzeskraft in Deutschland.

Generell kamen die Menschen offenbar gern zum Feiern nach Auerbach, vor allem nachdem 1851 der Auerbacher Bahnhof als Haltepunkt eingerichtet worden war und der Krone wieder zu Kundschaft verhalf. Künstler des Frankfurter Städels wurden von der romantischen Ruine des Auerbacher Schlosses angezogen und feierten hier ihre Feste.

Architektur mit vielen Zierelementen

Vom Aufschwung durch den Auerbacher Bahnhof zeugen auch Bau- und Modernisierungsmaßnahmen, die an der Krone 1862 und 1897 durchgeführt wurden. 1884 wurde ein komplett neues Gebäude hinzugefügt: Das Schweizerhaus mit einem Festsaal für bis zu 500 Personen und Fremdenzimmern im oberen Geschoss. Eine Schweiz lag damals ganz in der Nähe: Der Brunnenweg wurde damals auch „Bensheimer Schweiz“ genannt.

Die Architektur des Schweizerhauses lag mit vielen hölzernen Balken und Zierelementen im Trend: Chalets im Schweizer Stil schossen gerade in Kurorten wie die Pilze aus dem Boden. Und Auerbach erhob schließlich den Anspruch, ein idealer Kurort für Rheuma- oder Herzkranke ebenso wie generell für Erholungsuchende zu sein. Die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert muss eine Glanzzeit des Hotels gewesen sein, denn 1905 kam schon wieder ein Erweiterungsbau hinzu: die westlich des Schweizerhauses angebaute Villa Erika mit weiteren Fremdenzimmern. In den Reiseführern der Zeit wird die Krone in Auerbach immer als erstes Haus beschrieben.

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Mit vielen Gästen besetzt war das Hotel dann auch, als in der Nacht zum 1. Oktober 1906 ein großes Feuer das alte Hauptgebäude zerstörte. Alle Menschen konnten gerettet werden und auch das Schweizerhaus und die Villa Erika überstanden den Brand. Doch mussten die alten Gebäude auf den erhaltenen Grundmauern schnell wieder aufgebaut werden. Keine einfache Aufgabe für den beauftragten Architekten Georg Metzendorf, der den Neubau aus zwei Baukörpern plante, die er durch einen wuchtigen Turm verband, der auch den Haupteingang zur Straße enthielt. Über der mehrfach gestuften Dachhaube des Turms aus Kupfer erhob sich eine große Krone. Ausgestattet war das Haus nun auch mit Elektrizität und Heizung in den Zimmern.

Über 200 Jahre Familientradition

Die Bauarbeiten mussten in Windeseile geleistet worden sein, denn schon 1907 war alles bezugsfertig. Eine Übernachtung kostete im günstigsten Einzelzimmer 1,80 Mark, ebenso viel wie ein Mittagessen, so steht es in einer umfangreichen Werbebroschüre des Hotels aus dem Jahr 1910, in welcher der damalige Inhaber Georg Diefenbach auch die Geschichte des Hauses detailliert schildert.

Georg Diefenbach sollte der letzte Vertreter einer mehr als 200 Jahre andauernden Familientradition sein: Im Jahr 1717 hatte die Familie Diefenbach die Leitung des Gasthofs von der landgräflichen Verwaltung übernommen, später kaufte die Familie das Gebäude und vererbte es stets von den Eltern auf einen Sohn. Doch nachdem das Haus im Ersten Weltkrieg als Reservelazarett gedient hatte und erst 1920 wieder eröffnet wurde, gelang - wohl unter dem Eindruck von Inflation und Wirtschaftskrise - die Wiederbelebung nicht. Diefenbach verkaufte das Haus. Eine Anzeige im Bergsträßer Anzeiger vom Juli 1929 wirbt für die Eröffnung des Hotels unter der Leitung eines Herrn Georg Motschenbacher. Schon bald darauf - so bezeugt es eine Serie von Postkarten - diente es aber als Erholungsheim des „Gewerkschaftsbunds der Angestellten“, der von 1920 bis 1933 existierte.

Von Insolvenzen geprägt

Nach dem Zweiten Weltkrieg gelang es wohl noch einmal, an den einst so guten Ruf des Hauses anzuknüpfen. Fotos aus den 1960er Jahren zeigen das Ergebnis größerer Umbauten, bei denen der Turm entfernt und der Eingang auf die Rückseite des Hauses gelegt wurde. Eine aufwendig gestaltete Rezeption dominierte die nun großzügig gestaltete Empfangshalle: Der schönen Gartenfassade und dem Schweizerhaus waren dafür moderne Flachbauten vorgeblendet worden. Die Krone zog illustre Gäste an, darunter bekannte Schauspieler, die zum Beispiel 1958 während eines Pockenausbruchs hier in Quarantäne waren. Noch in den 1970er Jahren übernachtete der Künstler Joseph Beuys hier, wenn er an seinen Installationen im Darmstädter Landesmuseum arbeitete.

Doch war das Hotel längst von einer Reihe von Insolvenzen geprägt. Und die nach dem Zweiten Weltkrieg so empfindlich gestörte Ästhetik des Außenbaus wurde durch unglückliche Maßnahmen in den folgenden Jahrzehnten weiter beeinträchtigt. So wurde zum Beispiel die einstige Villa Erika schließlich als eine Art Müllschuppen unkenntlich.

Eine Krone als Wahrzeichen des Hauses

Doch seit einigen Jahren erhalten Haus und Gelände behutsam wieder ihren historischen Glanz. Seit 2012 führen Peggy Matas und ihr Mann das Haus als Familienbetrieb. Zwei Jahre später erwarben sie die Immobilie und sind seitdem mit viel Eigeninitiative am Werk. Auf alten Fotos und Postkarten erkannten sie in dem vermeintlichen Müllschuppen die Villa Erika und bauten sie nach den alten Ansichten wieder auf. Demnächst soll die Fassade des Haupthauses saniert und im gleichen Zug die große Antenne der Telekom entfernt werden, die derzeit noch wie eine Karikatur ungefähr die Stelle einnimmt, an der seit 1907 eine stolze Krone als Wahrzeichen des Hauses glänzte.

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