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Bürokratie als „Hemmschuh, der die Wirtschaft bremst“

Beim Symposion der Friedrich-Naumann-Stiftung ging es darum, welche Themen die Bundestagswahl beeinflussen könnten.

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ai/ü
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Beim Heppenheimer Symposion der Friedrich-Naumann-Stiftung ging es um die Bedeutung der Wirtschaftspolitik für die Bundestagswahl. Von links: Moritz Promny, Generalsekretär der hessischen FDP, die Finanzwissenschaftlerin Professorin Silke Übermesser von der Friedrich-Schiller-Universität Jena, der Bergsträßer FDP-Bundestagsabgeordnete Till Mansmann, Moderatorin Anja Muhle, Dr. Thomas Petersen, Wissenschaftlicher Mitarbeiter des Instituts für Demoskopie Allensbach, und Patrick Walz, Leiter des Regionalbüros Hessen/Rheinland-Pfalz der Naumann-Stiftung. © Bernd Sterzelmaier

Heppenheim. Zumindest in einem Punkt widersprachen sich die Diskussionsteilnehmer beim Heppenheimer Symposion der FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung: Für Moritz Promny, Landtagsabgeordneter und Generalsekretär der hessischen FDP, spielt die Wirtschaftspolitik die entscheidende Rolle im Bundestagswahlkampf. Laut Dr. Thomas Petersen, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Demoskopie in Allensbach, lässt sich das mit Meinungsumfragen nicht belegen. Es seien die Alltagsprobleme und Themen wie Innere Sicherheit und Einwanderung, die die Menschen bewegen. Überhaupt sei die Wirtschaft zu 50 Prozent von der Psychologie geprägt. „Eine deprimierte Gesellschaft kann kein Wirtschaftswachstum schaffen“, sagte er.

Im weiteren Verlauf der Diskussion war sich Petersen mit der Professorin Silke Übermesser von der Friedrich-Schiller-Universität Jena und dem Bergsträßer FDP-Bundestagsabgeordneten Till Mansmann einig: Bürokratie sei der Hemmschuh, der die Wirtschaft bremst. Die Finanzwissenschaftlerin Übermesser ist Mitglied im Beirat des Stabilitätsrats, der die Haushaltsführung von Bund und Ländern überwacht.

Einig waren sich die Diskussionsteilnehmer auch darin, dass die deutsche Wirtschaft in einer Krise steckt. „Wie konnte es soweit kommen?“, wollte die Moderatorin Anja Muhle von der Professorin wissen. Nach deren Analyse bestand die Dekade zwischen 2010 und 2020 aus „goldenen Jahren“. Als 2017 die letzte Amtszeit von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) begann, lag das Wirtschaftswachstum bei 2,7 Prozent. „Es gab viel zu verteilen“, sagte die Professorin.

„Babyboomer“ war noch ein Fremdwort, die Energiewende noch nicht spürbar. Danach begann mit Corona eine Phase mit fast unbegrenzten Staatsausgaben. Als die Ampel-Koalition nach dem Ende der Pandemie die restlichen Milliarden ausgeben wollte, machte das Bundesverfassungsgericht dem Staat einen Strich durch die Rechnung, so die Analyse von Silke Übermesser. Mansmanns Erklärung für die Krise: Die Regierung wolle die Wirtschaft „bis zur kleinsten Schraube vom Schreibtisch aus steuern“. Als Beispiel nannte er das Lieferkettengesetz. Besser sei es, faire Freihandelsabkommen auszuhandeln.

Die Fachleute wichen auch in ihren Meinungen darüber ab, ob China und die USA in der Wirtschaftspolitik Vorbilder oder abschreckende Beispiele sind, ob der Staat dafür sorgen solle, dass die deutsche Stahlindustrie subventioniert oder dem Weltmarkt ausgeliefert werden kann.

Bürgermeister stünden vor mehr Aufgaben ohne finanzielle Mittel

In FDP-Kreisen wird nicht ohne Bewunderung beobachtet, welche Wirkung die radikal-liberale Wirtschaftspolitik des argentinischen Staatspräsidenten Javier Milei zeigt. Die Motorsäge, mit der Milei den Staat von innen bekämpfen will, sei für Deutschland nicht das geeignete Werkzeug. Vielleicht genüge es, mit der Heckenschere das bürokratische Gestrüpp zurückzuschneiden, sagte die Professorin. Unterschiedliche Sichtweisen auch beim Blick auf das Verhältnis von Bund, Ländern und Gemeinden vermerkte Mansmann: „Es ist nicht die Schuld des Bundes, wenn auf kommunaler Ebene Dinge nicht funktionieren“. Petersen sagte, die Bürgermeister, die er befragt, klagten darüber, dass ihnen immer mehr Aufgaben übertragen würden, ohne dass sie dafür finanziell in der Lage sind.

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Wenn in der Runde von Bürokratie die Rede war, dann verwiesen die Diskussionsteilnehmer vor allem auf die Europäische Union und deren Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU). „57 Prozent der Bürokratie kommt aus Brüssel“, sagte Mansmann. Ganz ohne Bürokratie funktioniere die soziale Marktwirtschaft nicht. Deutschland sei nach 1945 zur Wirtschaftsmacht aufgestiegen, weil der spätere Bundeskanzler Ludwig Erhard (CDU) mit dem Begriff der sozialen Marktwirtschaft definiert habe, um was es geht.

Überleitung zu Weihnachtsgeschichte

Mit Erinnerungen hatte Patrick Walz das Liberale Forum eröffnet. Er ist Leiter des Regionalbüros der Naumann-Stiftung. Erinnert wurde an Erhard, das Wirtschaftswunder und daran, dass die FDP am 12. Dezember 1948 in Heppenheim gegründet wurde. In seinem Schlusswort gelang es Walz, den Bogen von der Wirtschaftspolitik zur Weihnachtsgeschichte zu schlagen. Wären die Römer keine Bürokraten gewesen – so seine nicht ganz ernst gemeinte Überlegung – und hätten sie nicht zur Volkszählung aufgerufen, wer weiß, ob Maria und Josef dann nach Bethlehem aufgebrochen wären?

Dass dort das Christkind geboren wurde, das als Jesus von Nazaret den Lauf der Welt verändern sollte, sei im Prinzip der Bürokratie zu verdanken. ai/ü

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