Heppenheim. Seit 1. Juli weisen Plakate in den Schaufenstern des Fotostudios Neher, zwischen Kleinem Markt und der viel befahrenen B 460 gelegen, auf einen Räumungsverkauf hin. Wer noch Passbilder oder Bewerbungsfotos benötigt, sollte sich beeilen. Familie Neher schließt ihr Fotofachgeschäft mit einer mehr als 70-jährigen Geschichte zum 31. Juli.
Noch vorhandene Aufträge aus der Industrie und auch bereits bestellte Jahrgangs- und Hochzeitsfotos werden freilich noch angefertigt. Die Gründe zu dem Entschluss der Familie sind vielfältig und längst nicht nur der Entwicklung zum Foto mit dem Smartphone hin geschuldet. Mit dem ersten Lockdown im Jahr 2020 aufgrund der Covid-19-Pandemie kam der totale Einbruch der Industrie- und Werbefotografie.
Krankheit und ein Wasserschaden
Es kamen noch zwei weitere Schicksalsschläge hinzu. Michael Neher und seine Ehefrau Gerlinde beide über die 70 Jahre alt ziehen sich aus dem Geschäft zurück. Doch erst wenige Wochen im „Unruhestand“ wird Gerlinde Neher durch einen Zeckenbiss mit FSME infiziert.
Die Folgen der Infektion sind derart schwerwiegend, dass sie seitdem vollständig gelähmt ist und im Bett gepflegt werden muss. Ende November 2022 kommt es zu einem Wasserschaden im Fotostudio inklusive der Nebenräume, die im Kellergeschoß des Geschäftes beheimatet sind. Sieben Monate dauern das Trocknen der Räume und die Renovierung.
In dieser Zeit mussten sämtliche Aufträge, auch die treuer Stammkunden, abgelehnt werden. Geschäftsführer Nico Neher beschließt daraufhin die Schließung des Geschäftes zum 31. Juli. „Die drei Corona-Jahre, der Ausfall der Studioräume über ein halbes Jahr und die Verlagerung zum Internethandel haben zu diesem Entschluss geführt“, sagte Nico Neher, der das Geschäft zusammen mit seiner Schwester Nadja betrieben hat.
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Immerhin eine gute Nachricht für Fotografen aus der Region ist, dass Familie Neher das komplett sanierte und hochmoderne Fotostudio mit Ausrüstung künftig als Mietstudio zur Verfügung stellen möchte.
Und was haben Nico und Schwester Nadja Neher in Zukunft vor? „Erst einmal wollen wir den Räumungsverkauf mit Rabatten bis zu 50 Prozent hinter uns bringen und das Geschäft abwickeln, dann sehen wir weiter“, sagte Nico Neher. Auch das Ladengeschäft mit Wendeltreppe in das obere Stockwerk, wo die Passbilder angefertigt wurden, möchte die Familie nach der Schließung vermieten.
Auch Extrawünsche umgesetzt
Diese Nachricht trifft viele treue Kunden aus der Region wie Granitwerke Röhrig, Sirona und Infectopharm. Für eine Werbeagentur wurden oftmals verzwickte Spezialaufträge erledigt – wenn es unter anderem darum ging, dem Foto im Nachhinein für Werbezwecke ein Detail hinzuzufügen oder eines auszutauschen. Als es zum Beispiel noch Zigarettenwerbung gab, rauchte ein Marlboro-Cowboy gelassen eine Zigarette.
Dass er dies letztendlich mit Lasso tat, hat er dem Fotostudio Neher zu verdanken. „Wir haben das Lasso in der richtigen Position fotografiert, sodass es nachträglich eingefügt werden konnte“, erklärte Michael Neher. Beliebt war auch das Buch mit Heppenheimer Bildern, das Michael Neher zusammen mit dem Heimat- und Verkehrsverein erstellt hat. „Es wird heute immer mal noch danach gefragt, aber es ist ausverkauft“, sagte Neher.
Im Jahr 1951 meldet Georg Neher ein Fotogewerbe an und eröffnet im Jahr 1953 in der Marktstraße 6, ein Haus unterhalb der Pâtisserie Muse Chocolat, ein Ladengeschäft mit Atelier für Porträt- und Hochzeitsaufnahmen. Das Geschäft floriert und der Verkauf von Fotoapparaten nimmt zu.
Es entsteht ein Kreis von Amateurfotografen. Nachdem die Eltern des Gründers versterben, zieht er in das Elternhaus (Schuhhaus Neher) am Kleinen Markt 6 um. Doch das Gebäude muss 1967 dem Ausbau der Siegfriedstraße weichen. Georg Neher baut ein Haus östlich des Ursprünglichen und zieht erneut um. Heute befindet sich dort ein Tattoo-Studio.
Im Jahr 1966 trat Michael Neher als Lehrling in das Geschäft seines Vaters ein und schließt seine Ausbildung mit der Auszeichnung als Bundessieger ab. Nach der Meisterprüfung übernahm er 1975 den Betrieb, der seitdem als Foto-Neher GmbH firmiert.
Unter seiner Leitung entsteht 1991 das heutige Wohn- und Geschäftshaus am Kleinen Markt 9. Um die Jahrtausendwende wurden Sohn Nico und Tochter Nadja in Fotografie und Foto-Handel ausgebildet und übernehmen das Familienunternehmen. Seit 2014 ist Nico Neher Geschäftsführer. Es wurden insgesamt 14 Fotografen ausgebildet. Davon haben drei die Meisterprüfung abgelegt. dj/ü
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