Heppenheim. Das Leben ist eine Bühne, nur spielen sich Dramen und Komödien heute hauptsächlich auf (portablen) Bildschirmen ab. Als Intendantin der Festspiele Heppenheim will Iris Stromberger (Archivbild: Neu) vom Darmstädter Haus „Theaterlust“ weiter daran glauben, dass sich Menschen von der Strahlkraft des Theaters fesseln lassen können. Umso mehr zur 50. Auflage, die vom 16. Juli bis zum 31. August auf ein vielschichtiges Programm und eine heitere sowie eine bedeutungsschwere Säule setzt: „Der nackte Wahnsinn“ im Amtshof und „Faust I“ im „Dom der Bergstraße“ Sankt Peter.
Letzteres als Reminiszenz an die Anfänge unter Hans Richter, dessen Würdigung am ersten Tag dieser Saison Walter Renneisen vornimmt. Dessen Stimme begleitet unter anderem auch den Audio-Guide zum von jedem Gast der Altstadt selbst organisierbaren, von Sagen geprägten Laternenweg. Kurz nach den Gassensensationen sollen die Festspiele ins Herz der Kreisstadt locken. Bei besser als im recht nassen Vorjahr mitspielendem Wetter, so hoffen alle. Wie sehr die Menschen ihr Kommen oder Fernbleiben vom Wetter abhängig machen, erkannte Familie Stromberger und will daraus Konsequenzen ziehen.
Ein Dach für die Amtshof-Bühne soll her. Nicht zeltartig, wie unter Richter. „Habe ich als Zuschauerin und Schauspielerin erlebt. Das war schon eine Sauna“, sagt Iris Stromberger und denkt eher an eine flexible Lösung, die sich zurückfahren lässt, wenn es eben doch freundlich ist. Die aber womöglich auch hilft, wenn die Sonne gnadenlos brennt. Ohne dass ein Wintergarten-Effekt entstehen soll.
Launig heißt es „wissenswert“ im vorliegenden Programmheft: „Wir freuen uns mit Ihnen zusammen, wenn es klappt. Bitte trauern Sie mit uns, falls es nicht klappt. In diesem Fall bemühen wir uns um Petrus als Schirmherrn der Festspiele.“ Bis dahin muss es mit einer Lösung knapp darunter gehen, mit dem alten und neuen hessischen Ministerpräsidenten Boris Rhein (CDU): „Die Heppenheimer Festspiele leisten ihren Beitrag zum kulturellen Leben in unserem Land.“
Bei aller vorsichtigen Zuversicht sind zur Realisierung noch einige Hürden zu nehmen. Das Finanzielle scheint geklärt, dank eines großzügigen Spenders, der seinen Namen nicht genannt wissen will und lieber der Sache dient.
Liebe und Leidenschaft treiben Stromberger bei den Festspielen an
Eine andere Hausnummer ist der im altehrwürdigen Komplex zwingend zu beachtende Denkmalschutz. Hierzu stimmt sich Stromberger mit der zuständigen Landesdenkmalpflege ab. Versprechen, dass das Dach schon diesen Sommer zum Einsatz kommt, kann sie nicht. Wohl aber die fortwährende Dialogbereitschaft. „Die Leute haben das so sehr geschätzt, dass ich vor den Vorhang getreten bin und nach der Stimmung gefragt habe.“ Manchmal blieb dann die Pause aus, „damit wir alle trocken nach Hause kommen“; und das Eklige von außen war durch Wohliges im Innern ersetzt.
Liebe und Leidenschaft treiben Stromberger an und ließen sie das Wagnis eingehen, noch zu Pandemie-Zeiten 2022 einzusteigen. „Ich kann mir ein Leben ohne Theater nicht vorstellen“, bekennt die erfahrene Regisseurin und Schauspielerin, die wie mehrere Mitglieder ihrer Familie auch in diesem Jahr wieder selbst auf der Bühne stehen wird. Natürlich muss auch Theaterlust wirtschaften können, aber eine fünfzigprozentige Auslastung der Heppenheimer Kapazitäten wäre schon ein schöner Erfolg. Bei allem Enthusiasmus und Abenteuergeist setzt der Verstand nicht aus. „Ich hatte keine Illusionen, mit 80 oder 90 Prozent der Ränge füllen zu können.“
Die Intendantin hofft wie so viele Veranstalter und Formate, etwa die Gassensensationen, weiterhin darauf, auch die Jugend (zurück)gewinnen zu können. Das Bemerkenswerte dabei ist: „Wenn Jugendliche kommen, sind sie begeistert. Weil wir ja auch ihre Lebensrealitäten widerspiegeln. Worum geht es denn beim Theater? Um Liebe und Vertrauen.“ Damit das verfängt, sind auch die Schulen wieder mit an Bord zu nehmen. Gern verkündet Iris Stromberger Beispiel gebend, dass das katholische Viernheimer Albertus-Magnus-Gymnasium gerade 95 Karten für eine Faust-Vorstellung gebucht habe.
Wenn nach der Komödie von Michael Frayn der nackte Wahnsinn tobt, „ist das so ein Knaller, das wollen manche sicher auch zwei- oder dreimal sehen“. Und dann, das wäre die erhoffte Steigerung, ist die Lust auf Theater vielleicht wieder so erwachsen, dass man sich auch den Klassiker anschauen möchte. Goethes Meisterwerk um Doktor Faust (Fabian Stromberger) zwischen Himmel und Hölle als Spiel mit dem Teufel und der Unschuld in der Kirche spielen zu lassen, passt natürlich. Und der Schutz von und nach oben ist zudem gesichert. mbl/ü
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