Soziales

Rückkehr des Kindes in die Familie als „erstes Ziel“

In einer neuen Einrichtung in Heppenheim werden Kinder und Eltern darauf vorbereitet, wieder zusammen zu Hause zu wohnen. Über das Konzept.

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mbl/ü
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Der Verein für Kinderhauserziehung hat das frühere Hotel Dubrovnik sanieren lassen. Gerade ist das Gerüst weggekommen und die Gemeinschaftsküche weitgehend fertig. Pädagoge Alexander Kinz im Pressegespräch. © Dagmar Jährling

Heppenheim. Nicht zuletzt aus historischen Gründen schützt die Bundesrepublik Familien besonders. Weshalb auch etwa negativ auffallenden oder überforderten Eltern nur schwierig dauerhaft ihre Kinder entzogen und vorenthalten werden können. Eine Rückführung in die Obhut der (leiblichen) Eltern ist, wenn beide Seiten wollen und die Rahmenbedingungen stimmen, „erstes Ziel“. Das erklären lokale Fachleute beim Gespräch mit dieser Redaktion in einer Rückführungswohngruppe. Die steht kurz vor ihrem Start als neue Form, Insel und Möglichkeit für bis zu zehn Kinder und Jugendliche: durch Umbau des ehemaligen Hotels Dubrovnik in der Heppenheimer Innenstadt.

Die Umstände, die eine (erneute) Inobhutnahme behördlicherseits bedingen, können die Experten zugleich mit einem Wort beschreiben: Kindeswohlgefährdung. Ziel des Vereins für Kinderhauserziehung, der die kommende Einrichtung betreibt, ist es, ab 1. Juli und für maximal ein Jahr Kinder und Eltern vorzubereiten. Wäre alles optimal verlaufen, bei einer Baustelle selten der Fall, hätte die Inbetriebnahme wie berichtet im Spätherbst 2023 erfolgen können. Nun wird es also Sommer 2024. Die Arbeiten sind gut vorangekommen und die erforderlichen Personalköpfe fast beisammen. Aber noch besteht da Bedarf.

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Beim Treffen vor Ort laden Arbeiter gerade das Gerüst auf. Tatsächlich sieht das Haus schon ziemlich bereit aus. Mit schönen Bädern, fünf Einzelzimmern für etwas Ältere mit jeweils eigenem Bad und fünf puren Einzelzimmern. Hinzu kommen Büro- und Besprechungsräume der Beschäftigten, die dort verteilt rund um die Uhr tätig sein werden. Oben gibt es neben einem der Einzelzimmer, das bei Bedarf eine gewisse Distanz ermöglicht, ein Kinder- und dahinter ein Jugend-Wohnzimmer sowie am Ende eine Küche mit großzügigem Essbereich.

Stephanie Weber, die die Einrichtung von Seiten des in Auerbach ansässigen Vereins mit der pädagogischen Leiterin Annegret Niltop leiten wird, unterscheidet deutlich zwischen Wohn- und Essbereich. Das scheint ihr wichtig, hat etwas mit Disziplin und Abläufen zu tun. Letztere sollen sich einspielen, damit es im Idealfall künftig ohne Unterstützung geht.

Wer in der Wohngruppe einzieht, aus Inobhutnahme, sonstigen Maßnahmen oder sozialpädagogischer Hilfe heraus, braucht wie die Eltern noch Zeit. Aber es besteht eine fachlich eingeschätzte Chance, dass die Rückführung gelingen kann. „Jeder Fall wird genau geprüft“, versichert Weber.

Trotz guter Gründe für Inobhutnahme: Familie soll immer wieder eine Chance bekommen

Die Eingewöhnungszeit soll bewusst nicht daheim erfolgen, doch es gibt ein Eltern-Schlafzimmer. Immer nur ein Elternteil oder -paar kann also wie zuvor vereinbart zu Besuch kommen. „Wie es sich insgesamt entwickelt und in welchem Tempo“ muss sich zeigen. „Was wir hier nicht wollen, ist eine Art Dauerlösung“, erklärt Weber. Ohne dass es auf Tag X ankommt; die gebotene Flexibilität soll gewahrt bleiben.

Auch schon im Laufe der Wohngruppen-Zeit ist später gemeinsame Zeit der Familienmitglieder zuhause vorgesehen. Zur Frage, ob auch diese überprüft wird, bestätigt Alexander Kinz, der Niltop zurzeit und beim Pressegespräch vertritt, das grundsätzlich – „wir sagen aber lieber unterstützt“. Es fällt auf, dass sich die Fachleute nicht bevormundend verhalten wollen.

Auch wenn es gute, stichhaltige Gründe für eine Inobhutnahme gibt: Die Familie soll – bei wechselseitiger Bereitschaft und solange beziehungsweise sobald es die Umstände zulassen – immer wieder ihre Chance auf das ihr rechtlich Zustehende erhalten. Dazu kommt es nicht oder das endet, wenn das betreffende Kind als gefährdet, somit der betreffende Elternteil als gefährdend eingestuft wird.

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Unabhängig von der Rückführungswohngruppe gibt es unten im Haus seit Kurzem betreutes Wohnen älterer Jugendlicher, die sich dort selbst versorgen. Für sie und solche Einrichtungen in Lorsch sowie Bensheim-Schönberg sind fünf Mitarbeiter eingeteilt. Beide Bereiche sollen mit separaten Eingängen versehen werden, aber nach längst ausbleibenden Hotelgästen sich also mehrere Kinder und Jugendliche, die es schwer genug im Leben haben, im alten Dubrovnik gut betreut wohlfühlen können. mbl/ü

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