ADFC-Klimatest

Dürftiges Radler-Zeugnis für Heppenheim

Die Bergsträßer Kreisstadt rangiert im hinteren Mittelfeld. Die Stadt und der örtliche ADFC bewerten die Ergebnisse unterschiedlich.

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mb
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Die Stadt Heppenheim betont den fest geplanten weiteren Ausbau oder die Sanierung des Radwegenetzes, etwa als Verbindung nach Lorsch. © Jürgen Reinhardt

Heppenheim. Man lernt nicht nur nie aus, es gibt auch lange nach überstandener Schulzeit noch Zeugnisse und in der Folge Lob oder Tadel. Relativ hart ins Gericht gingen bundesweit fast 250 000 Radler mit 1114 Kommunen – beides Rekorde – über den Fahrradklima-Test des ADFC.

Das Gesamtbild lässt sich in zwei Erkenntnissen fassen: „Die Fahrradfreundlichkeit hat weiter leicht abgenommen und ist nur ausreichend”, auf dem Land herrsche Stagnation – „von einer Verkehrswende ist nicht viel zu spüren.” Das sieht Heppenheims ADFC-Vertretung auch so, die Stadtspitze vor allem perspektivisch erwartbar anders.

In der Rangliste der Städte mit 20 000 bis 50 000 Einwohnern kassiert Heppenheim ein ausreichend und rangiert damit im hinteren Mittelfeld. Zwischen dem nordhessischen Spitzenreiter Baunatal (2,47) und dem fränkischen Kulmbach als Schlusslicht (4,81) bedeutete die Note 4,06 Rang 260 von 447.

Etwas schlechter als der Durchschnitt (3,97), basiert das in 27 Kategorien Erfasste im Falle Heppenheims auf 86 Interviews. Eine vergleichsweise solide bis schwache Teilnahme. Südhessen schneidet teils deutlich besser ab, und Bensheim liegt auf Platz 159.

Ausreißer nach unten und oben

Fünf ordnende Gruppen, die mehrere Kategorien vereinen, geben einen ersten Eindruck. Die Infrastruktur respektive das Radverkehrsnetz erreichen befriedigend den grünen Bereich (3,1), das Fahrrad- und Verkehrsklima sowie die Sicherheit beim Radfahren bewerten die hiesigen Radfahrer im Mittel mit einer 4,1.

Lediglich je eine 4,5 entfallen auf den Stellenwert des Radverkehrs und den Komfort beim Radfahren. Dahinter gibt es im Detail Ausreißer nach unten wie die 4,9 zur Führung an Baustellen und nach oben: zum Beispiel für öffentliche (Leih-)Fahrräder eine 2,3 und eine 2,7 für geöffnete Einbahnstraßen in Gegenrichtung.

„Das sind fast alle”, will auch die stellvertretende Vorsitzende des ADFC Bergstraße, Anette Seip, für Heppenheim und Ortsgruppe das Positive auf Nachfrage nicht unerwähnt lassen. „Nichts Überraschendes” habe das Ergebnis zutagegebracht: „Die Verkehrswende ist nicht angekommen.”

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Bürgermeister Rainer Burelbach (CDU) und Erste Stadträtin Christine Bender (SPD), beide bekennende und aktive Radfahrer, sehen das nicht so. Sie verweisen auf das verabschiedete Radfahrkonzept, das nun Schritt für Schritt umfassend umgesetzt werde. Während nicht nur der ADFC seine Mitglieder mobilisierte, sondern auch die Stadt auf ihrer Homepage auf den Fragebogen hinwies, gebe es Burelbach zufolge viele kleine Maßnahmen, die eher im Verborgenen blieben. Eine Bordstein-Absenkung hier, eine versetzte Rinne da.

Bender erinnert an den entlang der Bürgermeister-Kunz-Straße entstehenden, innovativen Radweg. Wie jüngst berichtet, zeichnet ihn ein besonderer Belag aus, der nicht wie Asphalt versiegelt und so den Bäumen Zugang zu Wasser bewahrt.

Deren den vorherigen Weg immer wieder aufbrechende Wurzeln waren den Radfahrern ein Dorn im Auge, weiß Bender – und Seip nur zu gut. „Zwei Jahre hat das gedauert”, kritisiert sie, teils seien nicht einmal die Wurzelschäden beseitigt worden. Nun, vielleicht zumindest nicht sofort. Den guten Draht zum ADFC betont die Stadtspitze. „Wir haben immer nette Gespräche”, bestätigt die Radfahrer-Lobby und macht doch zwei Sichten aus. Die eigene und die der „Stadt, die sagt, wir tun doch was”.

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So ist es auch im Gespräch mit dieser Zeitung. Die weitere Ausgestaltung und Verbesserung des Radwegs zwischen Heppenheim und Lorsch sei in Planung, erklärt Bender eine Verbindung, die natürlich mit der Nachbarkommune zu koordinieren ist. Mit und über Hessen Mobil, was also auch Abstimmung seitens der planenden Verwaltung erfordert, soll es schon bald im Erbacher Tal vorangehen. „Wir sind intrinsisch motiviert”, unterstreicht Burelbach. Der Radverkehr spiele eine bedeutende Rolle.

Nicht viel getan?

Seip und ADFC vermissen den verstorbenen städtischen Verkehrsplaner Volkmar Sonntag, der einige Dinge auch mal schnell und unkonventionell umgesetzt habe. Fahrradstraßen, etwa an der Konrad-Adenauer-Schule, seien dringend geboten. Ja, dass solch drastische Maßnahmen Gegenwind erzeugen und gut zu kommunizieren sind, gestehe sie zu, sagt Seip, und doch vollzögen sich die notwendigen Entwicklungen gar nicht oder zu langsam. „Es hat sich nicht viel getan.”

Eine rote Fahrbahn-Markierung an der Tiergartenstraße müsse endlich her. Die Stadt ließ nicht nur dort Banner aufstellen, die zur Rücksichtnahme mahnen. „Ich persönlich brauche mein Auto einmal im Vierteljahr”, erklärt Anette Seip. Die zentrale Test-Seite offenbart diesbezüglich, dass knapp zwei Drittel der Teilnehmer „das Fahrrad (fast) täglich” nutzen, „91 Prozent mindestens einmal die Woche” – aber: „Mehr als 90 Prozent verfügen ganz oder teilweise über ein Auto, kennen ihre Orte also aus beiden Perspektiven.” Das hilft oft. mb

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