Heppenheim. „Jetzt warten wir mal den großen Wurf ab, den Sie angekündigt haben“, unkte Christopher Hörst während der letzten Sitzung des Stadtparlaments im Kalenderjahr 2022 in Richtung der Kolleginnen und Kollegen aus den Reihen von CDU, SPD und Grünen.
Am 15. November, also nur wenige Wochen vor der besagten Parlamentssitzung, hatten die drei größten Fraktionen im Bau-, Umwelt- und Stadtentwicklungsausschuss angekündigt, die Energiewende in der Bergsträßer Kreisstadt mit einem gemeinsamen Antrag maßgeblich beschleunigen und vorantreiben zu wollen.
Unübliche Vorgeschichte
Vorangegangen war ein bis dahin nicht gekanntes Szenario: Nach etwas mehr als vier Stunden, inmitten der Beratung des Antrags der Grünen über künftige „Grundsätze der Bebauung“, beantragten die Vertreter der Großen Koalition damals eine Sitzungsunterbrechung – wohl auch in der Gewissheit, dass ihr eigener Antrag zur „Förderung erneuerbarer Energien“ angesichts des bereits überschrittenen Zeitlimits von vier Stunden nicht mehr an die Reihe kommen würde.
Nach einer kurzen internen Besprechung wurden die Grünen-Stadtverordneten Franz Beiwinkel und Birgit Kohl gebeten, zur CDU/SPD-Runde dazuzustoßen. Die Vertreter von FDP, LiZ/Linke, Tierschutzpartei und Freien Wählern blieben hingegen außen vor. Kurz darauf wurde der gemeinsame Antrag angekündigt, ehe der Ausschussvorsitzende Klaus Bitsch (CDU) die Sitzung für beendet erklärte.
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Sowohl die Vorgehensweise als auch die gemeinsame Ankündigung sorgte jedoch für Unmut in den Reihen der anderen Fraktionen. So raunte es kurz darauf auf dem Marktplatz von einem FDP-Politiker in Richtung der CDU-Vertreter: „Jetzt sorgt Ihr also auch noch dafür, dass Bauen in Heppenheim künftig unbezahlbar sein wird.“
Was steckte hinter diesem Vorwurf? Ziel des ursprünglichen Grünen-Antrags war es, künftige Bebauungspläne im Stadtgebiet an „grundsätzliche Festsetzungen“ zu knüpfen, „welche den Auswirkungen der Klimakatastrophe entgegenwirken“ sollten.
Hierzu sollten unter anderem flächensparendes Bauen gehören, ein Minimierungsgebot bei Flächenversiegelung, die Festsetzung von Flächen für den Rückhalt und die Versickerung von Regenwasser, die Festsetzung einer Gebäude-, Fassaden- und/oder Dachbegrünung sowie die Festsetzung des Einsatzes regenerativer Energien.
Die Große Koalition wollte ihrerseits die Anschaffung sogenannter Balkonkraftwerke, von PV-Fassadenelementen sowie von Solarthermie-Modulen fördern, die Altstadtsatzung als Reaktion auf die aktuellen landesrechtlichen Bestimmungen hinsichtlich des derzeitigen Ausschlusses von Solaranlagen überarbeiten und gleichzeitig mit der Installation von Fotovoltaik- oder Solarthermie-Anlagen an städtischen Immobilien vorangehen.
Aus Sicht der Liberalen lag es somit nahe, dass erneuerbare Energieträger auf den Dächern oder an den Fassaden bei künftigen Bauvorhaben verpflichtend sein würden (und bei Bestandsimmobilien – auch in der historischen Altstadt – gefördert werden sollen), sofern beide Anträge in dem von Hörst prognostizierten „großen Wurf“ zusammengefasst werden.
Die finanziellen Anforderungen könnten damit für potenzielle Häuslebauer tatsächlich steigen. Ob das Bauen dadurch aber tatsächlich „unbezahlbar“ wird, muss sich freilich erst noch zeigen. Zumal es sich bislang lediglich um Vermutungen handelte, da der gemeinsame Antrag über den Jahreswechsel hinaus auf sich warten ließ.
Wie genau die Bündelung beider Anliegen aussehen soll, ist seit dem vergangenen Freitag, 20. Januar, jedoch für alle Bürgerinnen und Bürger auf der städtischen Homepage einzusehen – und wesentlicher Bestandteil der nächsten Sitzung des Bau-, Umwelt-und Stadtentwicklungsausschusses am Dienstag, 24. Januar (Beginn: 18 Uhr, Saal Schlossberg des Rathauses).
Kein großer Unterschied zu vorher
Und wer sowohl den von allen drei Fraktionsvorsitzenden (Hermann Peter Arnold, CDU; Andrea Pfeilsticker, SPD und Frank Beiwinkel, Grüne) unterschriebenen Antrag als auch dessen Begründung genau studiert, wird keine allzu großen Unterschiede zu den beiden vorangegangenen Einzelanträgen von Großer Koalition und Grünen erkennen.
Die städtische Förderung von jeweils bis zu 200 Balkonkraftwerken in den Jahren 2023 und 2024 ist denn dort ebenso aufgeführt wie die inzwischen wohl sogar zwingend erforderliche Überarbeitung der Altstadtsatzung, die Installation von PV- oder Solarthermie-Anlangen an städtischen Bestandsimmobilien, die Festsetzung einer Gebäude-, Fassaden- und/oder Dachbegrünung (auch für Garagendächer) oder die Regelung des Einsatzes regenerativer Energien bei künftigen Bebauungsplänen.
Mit Spannung erwartet werden nun freilich die angekündigte „weitere Begründung“ des Antrags in Auschuss und Stadtverordnetenversammlung sowie die Reaktionen der vier kleinen Fraktionen. Dass der Antrag scheitern könnte, ist hingegen angesichts der komfortablen Mehrheit von 27 der insgesamt 37 Stadtverordneten jetzt schon so gut wie ausgeschlossen. fran/ü
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