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Bei der Windkraft sitzt ein Marktführer in Heppenheim

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jr/ü
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ESM verfügt in Heppenheim über insgesamt knapp 15 000 Quadratmeter Hallenfläche auf einem 35 000 Quadratmeter großen Firmengelände im Gewerbegebiet Tiergartenstraße. Die Heppenheimer SPD informierte sich über die Perspektiven des Windkraftpioniers, der Elastomerlager, Kupplungen, Schwingungstilger oder Dämpfer vor allem für Windkraftanlagen produziert. © Jürgen Reinhardt

Heppenheim. Erst ist sie gut hörbar, die Miniaturdrehorgel, die Geschäftsführer Julian Saur auf den Tisch im Konferenzraum drückt. Dann legt er eine winzige Gummiplatte unter das Instrument – und Stille kehrt ein. Eine ebenso simple wie eindrucksvolle Demonstration, um was es geht bei ESM, dem Spezialisten für Schwingungstechnik im Gewerbegebiet Tiergartenstraße Süd, der am Montag von Heppenheims SPD im Rahmen ihrer Sommertour angesteuert wurde. ESM war der Auftakt, in den nächsten Wochen sollen noch die Kläranlage (22. August) und der Solarpark am Flugplatz (29. August) Ziel der Genossen sein. Gäste sind willkommen.

Thema der diesjährigen Tour sind „Erneuerbare Energien“, ein angesichts der aktuellen Entwicklung hochbrisantes Thema. Und mit der ESM hatte man einen absoluten Pionier auf diesem Gebiet im Programm. Denn Franz Mitsch, Gründer und Geschäftsführer des Unternehmens mit seinen inzwischen gut 120 Mitarbeitern, hatte früher als andere erkannt, welche Bedeutung die „Erneuerbaren“ angesichts schwindender Ressourcen bei den fossilen Energieträgern haben würden. 1996 hob er die Firma aus der Taufe, inzwischen ist ESM Marktführer: Mehr als 150 000 Windenergieanlagen weltweit laufen mit Getriebelagerungen aus Heppenheim.

Das Geschäft floriert, die Zuwachsraten sind bestens, und doch ist bei Weitem nicht alles so, wie man es sich bei ESM wünschen würde, wie Saur deutlich machte: Auch wenn inzwischen gut 40 Prozent des deutschen Energiebedarfs aus erneuerbaren Quellen stammten, sei man noch weit von den beschlossenen Klimazielen entfernt. Was nicht an den Unternehmen, sondern vor allem an der Politik liege: So werde bei der Windenergie seit Jahren gebremst, immer weniger neue Anlagen würden genehmigt und gebaut.

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Dabei sei gerade diese Technik im Vergleich zu anderen Energieträgern unschlagbar günstig: geringer Flächenverbrauch (auch im Vergleich zu anderen Erneuerbaren, etwa Fotovoltaik), die Anlagen schnell installiert und problemlos abbau- sowie recyclebar. Eine Möglichkeit, die Energieausbeute massiv zu steigern, ergäbe sich dann, wenn man bestehende Anlagen durch modernere ersetzen könnte. ESM beispielsweise betreibt auf der Neutscher Höhe eine inzwischen 28 Jahre alte Anlage, über die nach einer Modernisierung das Zehnfache an Energie gewonnen werden könnte.

Das Problem hierbei: Die Größe, die gewählt werden müsste, um diese Ausbeute zu haben. Die längsten derzeit verfügbaren (offshore eingesetzten) Rotorblätter messen 108 Meter – 15 Meter mehr, als die Freiheitsstatue im Hafen von New York hoch ist. Franz Mitsch trat allerdings der Vorstellung entgegen, dass mehr Größe auch mehr Lärm bedeutet: Die Flügel würden aerodynamisch fortentwickelt, seien nicht lauter als die älterer Anlagen. Auch der „Schattenwurf“, der oft als Hinderungsgrund bei Genehmigungen herangezogen wird, sei gut beherrschbar, und die Gefahren für die Vogelwelt an anderen Stellen erheblich größer. Der Rotmilan, der immer wieder genannt wird, wenn es um dieses Thema geht, falle laut Statistik viel öfter Straßen- und Schienenverkehr zum Opfer als Rotorblättern.

Zwar gibt es unter der neuen Bundesregierung mit Blick auf die aktuellen Krisen inzwischen ein Umdenken. Schnell bewegen wird sich aus Sicht der ESM allerdings nichts, und auch Heppenheims Erste Stadträtin Christine Bender, die ihre Parteifreunde begleitet hatte, verglich das wesentlich kompliziertere und hochkomplexe Windenergie-Verfahren mit jenem für „normale“ Bebauungspläne, das auch schon zwei, drei Jahre in Anspruch nehmen kann. Ex-Bürgermeister Gerhard Herbert (SPD), der ebenfalls mitgekommen war, verwies auf die Regionalversammlung, in der angeregt wurde, die strengen Vorgaben zumindest für alte Standorte zu ändern und so modernisierten Weiterbetrieb zu ermöglichen.

Das würde auf der Neutscher Höhe helfen, aber nicht dort, wo ESM sich weitere Standorte vorstellen könnte und wo die Lokalpolitiker der Heppenheimer SPD mitreden könnten: Auf dem Kesselberg (der wegen des Buchenbestands bislang als „Vorrangfläche“ ausfällt), dem Salzkopf, Lindenstein oder Taubenberg. Mit sechs modernen Windanlagen, rechneten die beiden Geschäftsführer den Gästen vor, die anschließend eine Besichtigungstour durch die Produktions- und Lagerhallen machten, könnte der Energiebedarf Heppenheims zu 50 Prozent gedeckt werden. Und Stadt wie Bürger könnten über Pacht, Gewerbesteuer und Beteiligungen finanziell profitieren.

Doch Deutschland tut sich mit dem Ausbau der Windkraft seit Jahren schwer. Dass das Geschäft für ESM trotzdem läuft, hat damit zu tun, dass die Heppenheimer Firma nur noch ein Drittel ihres Umsatzes hierzulande erzielt, die beiden anderen Drittel entfallen auf andere Staaten Europas beziehungsweise den Rest der Welt. jr/ü

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