Altstadt

Neues Leben in der Alten Synagoge in Heppenheim

Der Ort soll zur Bildungs- und Begegnungsstätte umgestaltet werden. Das Gebäude wurde 1791 erbaut und später verkauft, weil es zu klein wurde.

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ai/ü
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Zumindest in einem der Rundfenster der Alten Synagoge muss ein Davidstern gewesen sein. Seine Auskerbungen sind im Fensterholzrahmen von innen deutlich zu erkennen. Das Gebäude in der Altstadt-Gasse „Kleine Bach“ soll zu einer Begegnungsstätte umgestaltet werden. © Dagmar Jährling

Heppenheim. Wer lernt, arbeitet im übertragenen Sinn auf einer Baustelle, muss Bausteine zu einem Denkgebäude zusammenfügen. Für 16 Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Seminars „Soziale Innovation“ war die Alte Synagoge in der Heppenheimer Altstadt eine Baustelle, auf der sie geistig arbeiteten und hörten, wie dieses Gebäude zu einer Bildungs- und Begegnungsstätte werden könnte.

Das Seminar wurde vom Bildungsreferenten Titus Möllenbeck der Akademie Erbacher Hof in Zusammenarbeit mit Dr. Martin Ivanov vorbereitet. Er ist Sozialwissenschaftler und Dozent an der Bulgarischen Akademie der Wissenschaften in Sofia.

In der Gruppe waren Stipendiaten aus Bulgarien, Polen und Slowenien, die im Programm „Shaping Europe“ zwischen 2008 und 2016 meist in Einrichtungen der politischen Bildung in Deutschland wie der früheren Akademie Haus am Maiberg in Heppenheim tätig waren. Die Stipendiaten wurden von der Bundeszentrale für politische Bildung und der Robert-Bosch-Stiftung gefördert. Auch Ivanov, der 2005 an der Goethe-Universität in Frankfurt promoviert hatte, war 2008/09 Stipendiat in Heppenheim.

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Martin Metzendorf, Vorsitzender des Fördervereins, stellte in der Alten Synagoge das Projekt vor. Er ist der Sohn von Heinrich Metzendorf, der von 1954 bis 1973 Bürgermeister von Heppenheim war und der 1982 mit dem Buch „Geschichte und Geschicke der Heppenheimer Juden“ ein Dokument hinterlassen hat, das in dieser Form einmalig ist. In diesem Buch wurde zum ersten Mal an die Alte Synagoge erinnert.

„Bewahren, um zu lernen“, mit diesem Ziel soll das Gebäude nun saniert werden, um nicht nur „Denkmal“, sondern ein – wie es der Förderverein formuliert – „lebendiger Ort der Begegnung und Erinnerungskultur“ zu sein. Die alte Synagoge kann allen Heimat geben, die sich für den Erhalt der Demokratie und ein friedvolles Zusammenleben einsetzen; gegen Populismus, Geschichtsklitterung und für Toleranz“.

Das „Schul- und Gebetshaus“ wurde 1791 gebaut. Bis 1900 war die jüdische Gemeinde so stark gewachsen, dass die Synagoge an der Kleinen Bach zu klein war. Mit 400 Mitgliedern gab es damals mehr Bürger jüdischen Glaubens als Mitglieder der evangelischen Gemeinde. Die aus Heppenheim stammenden Brüder Hirsch finanzierten von London aus einen Neubau am Fuß des Schlossbergs, der nach den Plänen des Architekten Heinrich Metzendorf 1900 fertig wurde. Die alte Synagoge wurde privatisiert.

Käufer war Emanuel Meyerhof, der es in ein Geschäftshaus umbaute. Nach dem Tod der Ehefrau Hannchen Meyerhof ging das Haus in den Besitz der Sparkasse über. Emanuel Meyerhof starb 1935. Nächster Besitzer war der Friseur Leopold Sturm. Nachdem dessen Sohn Alfred – ebenfalls Friseur und Mitbegründer der Starkenburg Sternwarte – 2016 gestorben war, stand das Gebäude zum Verkauf.

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Aus einer Gruppe heimatgeschichtlich interessierter Bürger bildete sich des Initiativkreises „Kulturdenkmal Alte Synagoge“. Die Stadt Heppenheim war bereit, das Gebäude zu erwerben. Sie beauftragte den Förderverein, sich um den Erhalt und die Entwicklung zu kümmern.

Wie sich herausstellte, verbirgt sich hinter der Fassade ein Betsaal mit einem Tonnengewölbe, zu seiner Zeit der größte derartige Raum in Heppenheim. Das Haus wurde – im Gegensatz zur neuen Synagoge am Schlossberg – während des Pogroms 1938 nicht zerstört. Wie Metzendorf berichtete, haben Fachleute der Deutschen Stiftung Denkmalschutz das Gebäude inspiziert und auf den ersten Blick bestätigt, was der Verein vermutet hat.

Für die Teilnehmer des Seminars bestand kein Zweifel: Das Projekt Alte Synagoge ist eine Form sozialer Innovation. Professor Dr. Georg Mildenberger vom Max-Weber-Institut für Soziologie an der Universität Heidelberg stellte im weiteren Verlauf des Programms Modelle sozialer Innovation vor. Die Erziehungswissenschaftlerin Anna Vrbanova-Ivanova ist Assistentin an der St.-Kliment-Ohridski-Universität Sofia. Sie beschrieb „Instrumente, Methoden und Design für die Entwicklung sozialer Innovationen“. Sie und ihr Ehemann Martin Ivanov arbeiten eng mit Professor Mildenberger zusammen.

Der Sozialwissenschaftler Dr. Tom Kehrbaum, Gewerkschaftssekretär der IG Metall, sprach in Heppenheim über „die Bedeutung von Menschenbildern für soziale Innovationen und Reformen“, bevor darüber in Heppenheim diskutiert wurde, wie sich die theoretischen Erkenntnisse in die europäische Politik und in den Alltag der Bürger übertragen lassen. ai/ü

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