Bensheim. Viele Menschen wünschen sich die Probleme vom Frühjahr dieses Jahres zurück: Da diskutierten die Stadtverordneten noch munter über die freiwilligen Leistungen der Stadt – allem voran die Wiedereinführung des Windelcontainers, an den so manches Gremienmitglied unmittelbar den familienfreundlichen Ruf der Stadt Bensheim geknüpft sah.
Während im Februar 2024 die Kommunalaufsicht des Kreises Bergstraße den Haushaltsplan ohne Einwände genehmigt hatte – im ordentlichen Ergebnis belief sich der Fehlbedarf damals auf 12,5 Millionen Euro – sieht es nun ganz anders aus: Am 27. Juni hat der Magistrat der Stadt mit sofortiger Wirkung eine Haushaltssperre erlassen. Grund war ein erheblicher und den Angaben der Verwaltung zufolge in diesem Ausmaß nicht vorhersehbarer Rückgang bei den geplanten Gewerbesteuereinnahmen. Dazu standen Rückzahlungen von geleisteten Vorauszahlungen für ab 2022 ins Haus.
Die massiven Auswirkungen auf den Ergebnishaushalt durch die Mindereinnahmen seien ausschließlich der schwierigen Wirtschaftslage geschuldet, hatte Bürgermeisterin Christine Klein erklärt. Das ordentliche Ergebnis verschlechtert sich deutlich: Ursprünglich lag der prognostizierte Fehlbedarf bei 12,5 Millionen Euro. Im Juni musste man plötzlich von 42,7 Millionen Euro ausgehen.
Bislang reichten die städtischen Rücklagen zur Deckung des geplanten Fehlbedarfs aus, um den Haushaltsausgleich zu erreichen. Bei dem nun prognostizierten Fehlbedarf ist dies allerdings nicht mehr möglich.
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Welche Auswirkungen hat die Haushaltssperre? Alle Ausgaben stehen mehr denn je auf dem Prüfstand. Bei allen Aufträgen und Auszahlungen muss geprüft werden, ob ein Verzicht oder eine zeitliche Verschiebung möglich sind. Bestehende Verpflichtungen rechtlicher oder gesetzlicher Art wurden und werden weiterhin erfüllt. Gleiches gilt für die Erfüllung von Pflichtaufgaben und gesetzlicher Zuständigkeiten. Nicht betroffen von der Haushaltssperre waren darüber hinaus bereits begonnene und beauftragte Projekte.
„Zusammen mit dem Magistrat und der Stadtverordnetenversammlung gilt es nun, die weiteren Schritte verantwortungsvoll und sorgfältig zu erörtern. Angesichts der schwierigen Lage muss unser aller gemeinsames Ziel sein, geschlossen und noch entschlossener als bisher zu handeln“, hatte Klein im Sommer erklärt und tut dies seitdem immer wieder.
Gremien vermissen bisher klare Sparvorschläge
Als eine Reaktion auf die veränderten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen musste ein Nachtragshaushalt aufgestellt werden, ebenso wie ein Haushaltssicherungskonzept mit konkreten Maßnahmen zur Reduzierung des Defizits und zur langfristigen Stabilisierung der städtischen Finanzen. Hier liegt einer der Hauptkritikpunkte: Denn bisher vermissen vor allem die Stadtverordneten diese klaren Vorschläge.
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Eine klar definierte Maßnahme, die ebenso wenig populär ist, wie Socken unterm Weihnachtsbaum, hatte der Magistrat aber doch präsentiert: Die Erhöhung der Grundsteuer B um mehr als das doppelte – von derzeit 620 auf künftig 1450 Punkte. Im Haushaltssicherungskonzept wurde unterdessen ein noch höherer Satz vorgeschlagen, nämlich 1740 Punkte. Der Aufschrei war entsprechend groß, keiner der Stadtverordneten wollte für diesen Vorschlag die Hand heben. Vielmehr sehen die ehrenamtlichen Kommunalpolitiker noch nicht alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft, um Gelder einzusparen und den Grundsteuersatz im kommenden Jahr zumindest etwas verträglicher anzuheben.
Die Aufsichtsbehörden fordern wegen der dramatischen Haushaltslage der Stadt Bensheim einen ausgeglichenen Haushalt innerhalb von fünf Jahren. Sie empfahlen in intensiven Gesprächen daher eine Erhöhung der Grundsteuer B. Ziel dieser Satzung soll sein, die Grundsteuer B schrittweise wieder zu verringern, wenn sich die Situation verbessert hat. Nun stehen Magistrat, Verwaltung und Stadtverordnetenversammlung vor der großen Aufgabe, ebendiese Einsparpotenziale auszumachen. Dafür muss man sich wohl von vielen liebgewonnenen Leistungen, die die Stadt ausmachen, vorerst verabschieden.
Nicht nur die Bürgermeisterin hatte dabei angemahnt, dass es ein großer Fehler wäre, die Infrastruktur oder die Stadtkultur so zu schwächen, dass die Angebote unwiederbringlich verloren gehen.
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