Bensheim. Wenn schon der Oberbürgermeister der Landeshauptstadt Gert-Uwe Mende als Präsident des Städtetages von einer „katastrophalen“ Finanzlage der Kommunen spricht, wird deutlich, dass es kein spezifisches Bensheimer Problem ist, mit dem die Rathausspitze derzeit zu kämpfen hat. Denn als „letztes Glied in der Nahrungskette“ stehen die Kommunen landauf und landab finanziell mit dem Rücken zur Wand.
Bürgermeisterin Christine Klein und ihr Finanzchef in der Verwaltung, Fachbereichsleiter Stephan Schneider, sind derzeit in den Ortsbeiräten der Stadt unterwegs, um den Nachtragshaushalt 2024 und die aktuelle Finanzlage an sich zu erläutern. Eine schwere Kost, die von der Verwaltungschefin auch nicht beschönigt oder kleingeredet wird. Sie treibt die Sorge um, dass die Stadt irgendwann ihre Aufgaben nicht mehr erfüllen kann und zahlungsunfähig wird.
Steuerrückzahlungen reißen in Bensheim ein "erhebliches Loch" in die Kasse
Das Problem ist vielschichtig und nahm schon mit Corona seinen Anfang. Dann kam der Ukraine-Krieg, die gesunkene Wirtschaftskraft, gestiegene Energiepreise, Tariferhöhungen und, und, und. Die Folgen setzen sich vom Bund über das Land bis zu den Kommunen fort und zeigen sich unter anderem hier an reduzierten Schlüsselzuweisungen. Auch die Steuerschätzungen, auf deren Basis der Haushaltsplan für 2025 aufgestellt wird, verändern sich negativ und sind beispielsweise im Oktober wieder „schlechter als noch im Mai“, so die Bürgermeisterin.
Erschwerend hinzu kommen in Bensheim die zu leistenden Steuerrückzahlungen für die Jahre 2022 und 2023, die ein „erhebliches Loch“ in die städtische Kasse reißen. War man bei der Aufstellung des Haushaltsplans 2024 noch von Einnahmen in Höhe von über 127 Millionen Euro ausgegangen, haben sich die jetzt auf rund 88 Millionen Euro reduziert.
Kommunen als „letztes Glied in der Nahrungskette“
Den weitaus größten Anteil nehmen hier die Erträge aus den verschiedenen Steuerarten ein, deren Anteil im Nachtragsplan von 82 auf 74 Prozent sank. Waren bisher die Erträge aus der Gewerbesteuer in Bensheim eine „sichere Bank“ mit einem Anteil von 52 Prozent (jetzt 24 Prozent), hat sich dieses Bild im Nachtragsplan komplett gewandelt. Inzwischen bildet die Einkommensteuer mit über der Hälfte (51 Prozent) den größten Einnahmeblock bei den Steuererträgen (vormals 52 Prozent).
Neben dem Einnahmeproblem gibt es in den Kommunen vor allem auch ein Ausgabenproblem. Aber nicht, weil Bensheim über seine Verhältnisse lebt, sondern weil politische Entscheidungen auf höherer Ebene zu Lasten der untersten Ebene gehen. Das zeigt sich vor allem bei der Kinderbetreuung. Die entstehenden Kosten der Beitragsfreiheit für Kindergartenkinder oder für die Betreuungsgarantie für Grundschulkinder, die in zwei Jahren starten soll, werden weder vom Bund noch vom Land zu 100 Prozent erstattet. Aktuell muss die Stadt die Kinderbetreuung mit 21 Millionen Euro bezuschussen, da auch der Elternbeitrag nur einen kleinen Teil der Kosten abdeckt.
Verwaltung sieht in der Erhöhung der Grundsteuer B die einzige Möglichkeit
War im Haushaltsplan 2024 die ausgewiesene Deckungslücke von gut 12 Millionen Euro noch durch die vorhandenen Rücklagen in Höhe von knapp 23 Millionen Euro auszugleichen, ist das im Nachtragshaushalt bei einem Defizit von über 43 Millionen Euro nicht mehr darstellbar.
Die einzige Möglichkeit, um nicht zahlungsunfähig zu werden, sieht die Verwaltung in der Erhöhung der Grundsteuer B. Dafür und auch für die massive Erhöhung gibt es Gründe. Bei einer moderaten Erhöhung wäre zwar auch eine Konsolidierung des Haushaltes möglich gewesen, aber das hätte bis 2034 gedauert. So viel Zeit wird der Stadt aber seitens des Gesetzgebers nicht gewährt, vielmehr muss der Haushalt bis 2027 ausgeglichen sein. Das ist mit der von der Verwaltung geplanten Grundsteueranpassung möglich.
Einsparmöglichkeiten der Stadt sind sehr gering
Auch die gerne ins Spiel gebrachte Erhöhung der Gewerbesteuer ist für Bürgermeisterin Klein nicht darstellbar und auch kontraproduktiv. Bensheim liege schon an der Grenze, ab der die Unternehmen andere Standorte vorziehen würden. Zudem seien die Unternehmen schon durch die Grundsteueranhebung betroffen und wären durch eine höhere Gewerbesteuer über Gebühr zusätzlich belastet.
Auch die Einsparmöglichkeiten der Stadt sind bei einem an sich schon sehr geringen finanziellen Spielraum nur sehr gering und betreffen die sogenannten freiwilligen Leistungen. Auch der Kostenanteil beim Personal ist in Bensheim mit elf Prozent ausgesprochen gering. Der Kampf um das Einsparpotenzial der Stadt Bensheim wird sich aber erst so richtig bei der Beratung des Haushaltsplanentwurfs 2025 zeigen, der Ende Januar eingebracht wird.
Für Bürgermeisterin Christine Klein wird es dann vor allem auch darum gehen, wie sich die Stadt für die Zukunft resilienter aufstellen kann, aber auch das ginge nicht von heute auf morgen, sondern sei ein Prozess. Der immer wieder ins Spiel gebrachte Abbau der Bürokratie müsse aber an ganz anderer Stelle vollzogen werden, da die Kommunen, wie es schon Wiesbadens Oberbürgermeister feststellte, „am Ende der Nahrungskette“ stehen.
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