Bensheim. So voll war der Magistratssaal im ganzen vergangenen Jahr nicht – doch wenn der Nachtragshaushalt und die geplante Grundsteuererhöhung auf der Tagesordnung stehen, dann ist das natürlich für die Bürgerinnen und Bürger von großem Interesse. Der Haupt- und Finanzausschuss der Stadt Bensheim lehnte am Montagabend eine Beschlussvorlage zur Erhöhung der Grundsteuer B einstimmig ab.
Vorab hatte der Magistrat eine Änderungsliste zum Entwurf des Nachtragshaushaltsplanes vorgelegt. Ihr zufolge müsste der Hebesatz für die Grundsteuer B ab dem kommenden Jahr auf jetzt astronomische 1740 Punkte – statt bisher avisierter 1450 Prozent – angehoben werden. Dafür wollte aber keine der Fraktionen die Hand heben.
Sparvorschläge gab es schon 2021
Bereits 2021, als das Defizit des städtischen Haushalts noch im einstelligen Millionenbereich lag, hatte die Koalition einen Zehn-Punkte-Prüfantrag über Einsparungen vorgelegt, um Steuererhöhungen zu verhindern. „Umgesetzt wurde davon allerdings nichts“, kritisierten Franz Apfel (BfB) und Tobias Heinz (CDU) am Montagabend. Schon vor drei Jahren drehte sich die Debatte um einen genehmigungsfähigen Haushalt, im Raum standen auch damals die beiden Einnahmen-Stellschrauben Gewerbe- und Grundsteuer.
Besagter Zehn-Punkte-Plan sollte Kommunalpolitik und Verwaltung Handlungsoptionen aufzeigen. Aufgelistet waren unter anderem die regelmäßige Anpassung (sprich Erhöhung) von Gebühren und Leistungsentgelten, dauerhaften Einsparungen bei den Sach- und Dienstleistungen, eine Überprüfung des Immobilienbestands, der freiwilligen Aufgaben und der freiwilligen Zuschüsse. Außerdem sollte eine Netto-Neuverschuldung vermieden werden, darüber hinaus war eine Festschreibung der Personalaufwendungen auf Grundlage des Haushaltsplans 2021 für das Dreier-Bündnis ein Thema.
Kommunalpolitisch scheint man sich auch drei Jahre später einig darüber zu sein, dass es erheblicher Anstrengungen und unpopulärer Beschlüsse bedarf, um aus den Miesen herauszukommen. Unterschiede dürfte es aber bei den Wegen geben, die man nehmen will, um zum Ziel zu gelangen. ame
Stattdessen kristallisierte sich der Wunsch heraus, es in der Dezember-Sitzung der Stadtverordnetenversammlung (19.) im Wesentlichen beim bisherigen Hebesatz zu belassen. Die Festsetzung des endgültigen Satzes könnte also auf das kommende Frühjahr verschoben und gemeinsam mit dem Haushaltsplan 2025 beschlossen werden. Mit einem entsprechenden Änderungsantrag für die Stadtverordnetenversammlung ist zu rechnen.
Noch haben die Fraktionen Hoffnung, dass die Stadt anderweitige Einsparungen generieren kann. Erst, wenn alle Möglichkeiten geprüft wurden, möchte man über einen verträglicheren Hebesatz diskutieren. Bisher haben Magistrat und Verwaltung dem HFA zufolge die hierzu nötigen Anstrengungen nicht erbracht.
„Dieser Hebesatz ist in keiner Weise vermittelbar“
„Der Hebesatz, den der Magistrat aufgerufen hat, ist ein keiner Weise vermittelbar. Noch weniger ist es die vorgeschlagene nochmalige Erhöhung auf 1740 Punkte, die nun plötzlich in den Änderungen zum Nachtragshaushalt auftaucht“, stellte Tobias Heinz (CDU) klar. Generell vermisste er in der Vorlage konkrete Zahlen, die Einsparbeträge aufzeigten. „Uns werden kaum Alternativen zur Grundsteuererhöhung präsentiert.“ Auch die konkreten Auswirkungen auf die Bürgerinnen und Bürger und die in Bensheim ansässigen Unternehmen würden nicht transparent abgebildet.
Franz Apfel (BfB) sieht es ähnlich: „Wir brauchen ein Sparpaket. Dabei muss die Stadt auch darüber nachdenken, Grundstücke und Gebäude zu verkaufen.“ Auch in Sachen Personalkosten sieht er nicht genügend Ambitionen, zu sparen. Einer Verwaltungsvorlage, die keine klaren Sparmaßnahmen – auch für die kommenden Jahre – festsetze, werde man nicht zustimmen.
Rolf Tiemann (FWG) sprach sich gegen Stellenstreichungen in der Verwaltung aus. Das Personal müsse aber unbedingt lernen, effizienter zu arbeiten. Auch für die Grünen ist bei der Debatte um die Sanierung des Haushaltes ein zentraler Baustein, die Strukturen der Verwaltung auf den Prüfstand zu nehmen und zu optimieren. Zusätzlich müsse man überlegen, ob man sich nicht doch von Immobilien trennen könne – „wenn das im Nachhinein nicht mit höheren Kosten, etwa Mietzahlungen, verbunden ist“, sagte Doris Sterzelmaier.
Wiederholt mahnte sie an, dass radikale Kürzungen am Ende mehr zerstören könnten, als dass sie helfen. „Außerdem darf es kein Denkverbot darüber geben, über eine Erhöhung der Gewerbesteuer ab 2025 nachzudenken. Die Grundsteuer B darf nicht alleiniges Instrument zur Sanierung des Haushaltes sein.“ Mit einem Satz von 390 Punkten bei der Gewerbesteuer liege die Stadt Bensheim unter dem Bundesdurchschnitt.
„Stadt hat Ausgabenproblem“
Scharfe Kritik in Richtung Verwaltung gab es auch von Harald Boeddinghaus (FDP): „Das Defizit ist seit Ende Juni bekannt. Seitdem sprechen wir darüber, dass wir einen Sanierungsplan brauchen. Der kann aber nicht darauf basieren, dass die Bürgerinnen und Bürger diese Aufgabe übernehmen.“ Schon seit Jahren habe die Stadt Bensheim ein Ausgabenproblem. Das zeige unter anderem die Finanzplanung der Eigenbetriebe für 2025, bei der er keinen ausreichenden Sparwillen erkennen könne.
Nachdem die sprudelnden Quellen der Gewerbesteuer in Bensheim versiegt seien, räche sich der mangelnde Sparkurs der Stadt, ergänzte Rolf Kahnt (VuA). Die Fraktionen hätten eine Menge Vorschläge über Einsparungen gemacht, er verlangte umgehend, diese prüfen zu lassen. „Die Ansätze der Verwaltung gehen nicht tief genug. Die Grundsteuer B in diesem Maß zu erhöhen ist unsozial.“ Er appellierte auch an Bürger und Institutionen, einen ernsthaften Sparwillen an den Tag zu legen. So hätten sich etwa die Vereine zunehmend an die Unterstützung der Stadt gewöhnt und gerne die Hand aufgehalten.
Doch zurück zur Grundsteuer: Boeddinghaus wünschte sich, dass alle Beteiligen im Rahmen der Haushaltsplanung für 2025 gemeinsam feststellen müssen, welche Einsparungen möglich sind. „Wir müssen den Bensheimerinnen und Bensheimer ein klares Signal senden, dass eben nicht nur Steuererhöhungen herangezogen werden.“ Auch die SPD hielt die Vorlage in ihrer Form nicht für beschlussfähig.
„Unter welchen Zwängen steht die Stadt konkret?“
Im Vorfeld zur anstehenden Bürgerversammlung am Donnerstag (12.) um 18 Uhr im Bürgerhaus hat das Bürgernetzwerk eine Menge Fragen gesammelt, die an diesem Abend beantwortet werden sollen. Tobias Heinz griff eine davon in der HFA-Sitzung heraus: „Unter welchen Zwängen steht die Stadt denn konkret?“ Vielen Menschen sie nach wie vor unklar, weshalb die Stadt ihren Haushalt innerhalb von fünf Jahren sanieren müsse.
Gemäß der Hessischen Gemeindeordnung müsse die Stadt ihren Haushalt in der Regel innerhalb von zwei Jahren konsolidieren – was sich im Falle Bensheims unmöglich darstellen lässt, erklärte Bürgermeisterin Christine Klein. Entsprechend musste mit dem Regierungspräsidium Darmstadt und dem Hessischen Innenministerium ein Einvernehmen erzielt werden, ergänzte Stephan Schneider, Fachbereichsleiter des städtischen Teams Finanzen. Ursprünglich hatte die Stadt in den Gesprächen darauf gedrungen, den Ausgleich innerhalb von zehn Jahren darzustellen, um Leistungen sukzessive anzupassen und die Bürger nicht zu stark zu belasten. Dem sei vonseiten der Aufsichtsbehörden aber eine klare Absage erteilt und fünf Jahre als Rahmen vorgegeben worden. Entsprechend hart müssten die Maßnahmen ausfallen, nicht nur bei Kürzungen, sondern auch bei der Erhöhung der Grundsteuer B. Je kürzer der Konsolidierungszeitraum sei, desto kleiner würden die Handlungsspielräume.
Klein wiederholte im HFA ihr Versprechen, den Hebesatz der Grundsteuer wieder zu senken, sobald das möglich sei. Sehr viele Städte befinden sich derzeit in einer ähnlichen Lage wie Bensheim. Eine zusätzliche Verschärfung bringen dort der massive Einbruch der Gewerbesteuer und die Rückzahlungen, die die Stadt für die Jahre 2022 und 2023 leisten müsse.
In Bensheim gebe es eine Infrastruktur, die zugunsten der Bürger über Jahrzehnte aufgebaut wurde. Das koste eine Menge Geld. Es brauche Zeit, auf die Standards der Stadt zu schauen, und die Entscheidungen darüber zu treffen, was sich die Stadt künftig noch leisten kann. Noch immer versuche man in Gesprächen mit den Aufsichtsbehörden, einen längeren Konsolidierungszeitraum zu verhandeln. Darüber hinaus erklärte die Bürgermeisterin, dass am 21. Januar ein gemeinsamer Termin mit der Hessischen Kommunalberatung anstehe, um Handlungsspielräume auszuloten.
Der Ausgleich des städtischen Haushalts innerhalb der kommenden fünf Jahre ist aus Sicht der Verwaltung nur mithilfe der erhöhten Grundsteuer darstellbar. Wird im kommenden Jahr kein neuer Hebesatz beschlossen, so laufe die Stadt Gefahr, den Haushalt wegen fehlender Einnahmen beziehungsweise unzureichender Sparmaßnahmen, die zum Ausgleich führen könnten, nicht genehmigt zu bekommen.
Die Stadtverordneten bevorzugen indes eine umgekehrte Herangehensweise: „Wir müssen die Strukturen genau ansehen und uns fragen, welche Projekte noch finanzierbar sind. Wir können als Ehrenamtliche nicht tiefgreifend in die Verwaltung hereinschauen, dafür brauchen wir ihre Hilfe. Die Idee des Magistrats war, erst die Steuern zu erhöhen und irgendwann über Senkungen zu sprechen. Wir verlangen, erst alle Einsparpotenziale zu nutzen und dann über den Grundsteuerhebesatz zu diskutieren.“
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