Bensheim. Im Interview verdeutlicht Bürgermeisterin Christine Klein, weshalb die Stadtverwaltung das Angebot der Wirtschaftsvereinigung Bensheim, eine Analyse der städtischen Verwaltung zur Steigerung der Effizienz mitzufinanzieren, nicht annehmen kann. Außerdem geht sie darauf ein, welche Maßnahmen bereits ergriffen wurden, um die Verwaltung zukunftssicher aufzustellen und welche Ziele dabei erreicht werden sollen. Zudem appelliert sie dafür, bei den Kürzungen im freiwilligen Bereich behutsam vorzugehen.
Frau Klein, die Wirtschaftsvereinigung Bensheim, die rund 300 Unternehmen der Stadt vertritt, hat angeboten, bei der Sanierung der städtischen Finanzen zu helfen, nehmen Sie das Angebot an?
Christine Klein: Die Wirtschaftsvereinigung ist für mich und unseren Standort ein wichtiger Akteur und Partner. Grundsätzlich freue ich mich auch über Unterstützungsangebote in dieser schwierigen Lage. Doch das Angebot der WVB können wir aus rechtlichen Gründen nicht annehmen. Uns sind hier die Hände gebunden. Denn mit dem Vorschlag verbunden ist ein Sponsoring durch die WVB, um eine externe Prüfung unserer Organisationsstruktur in der Verwaltung vornehmen zu können. Von der Kommunalaufsicht, dem Hessischen Städtetag sowie dem Hessischen Städte- und Gemeindebund haben wir nach einer Prüfung des Sachverhalts deutlich signalisiert bekommen, dass es uns rechtlich nicht möglich ist, dieses Geld anzunehmen.
Hat Sie an diesem Angebot etwas gestört?
Klein: Es geht nicht darum, was mich stört. Vielmehr geht es darum, was rechtlich zulässig ist – und was nicht. An die Sponsoringleistung der WVB sind Bedingungen geknüpft, die sowohl vom Hessischen Städtetag und vom Hessischen Städte- und Gemeindebund in einer Stellungnahme als auch von der Kommunalaufsicht als sehr kritisch gesehen werden. Diese Einschätzung teile ich. Denn mit diesen Bedingungen würden der Magistrat und die Mitglieder der Stadtverordnetenversammlung in ihrer demokratischen Entscheidungsfreiheit gebunden werden, weil sie sich zur Umsetzung eines Prozesses verpflichten sollen, dessen Ergebnis zum Zeitpunkt der Beschlussfassung unbekannt ist.
Sowohl die Kommunalaufsicht als auch der Städtetag verweisen in diesem Zusammenhang auf einen Erlass des hessischen Innenministeriums. Demnach ist „das Sponsoring grundsätzlich nur zulässig, wenn eine Beeinflussung bei der Wahrnehmung des Verwaltungshandelns und auch der Anschein fremder Einflussnahme bei der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben auszuschließen ist und im Einzelfall keine sonstigen Hinderungsgründe entgegenstehen“.
Unabhängig von den uns vorliegenden Einordnungen ist die Einhaltung unserer Compliance-Richtlinien essenziell für eine transparente, rechtssichere und verantwortungsvolle Stadtverwaltung. Sie stellen sicher, dass gesetzliche Vorgaben eingehalten und Interessenkonflikte verhindert werden. Eine starke Compliance-Kultur schafft Vertrauen in die Verwaltung, schützt vor rechtlichen und finanziellen Risiken und fördert eine integre Zusammenarbeit zwischen Politik, Verwaltung und Bürgerschaft. Sie ist ein zentraler Baustein für die nachhaltige und glaubwürdige Führung einer Kommune.
Was spricht grundsätzlich gegen eine Art Unternehmensberatung in der Verwaltung, mit dem Ziel zu sparen?
Klein: Eines vorweg: Wir sind eine leistungsstarke Verwaltung. Unabhängig von der Initiative der Wirtschaftsvereinigung holen wir uns Input und Unterstützung durch die Kommunalberatung des Hessischen Innenministeriums. Dessen Fachwissen nehmen viele hessische Kommunen in Anspruch, die sich in vergleichbarer Situation wie wir befinden. Auf meine Initiative hin ist es uns gelungen, dort frühzeitig, zu Beginn des neuen Jahres, einen Termin zu erhalten. Denn wir wollen mit einer externen Begleitung auch die Verwaltung unter die Lupe nehmen. Es gilt zu prüfen, ob wir den Anforderungen entsprechend richtig aufgestellt sind oder Veränderungen notwendig sind, um Synergien zu schaffen.
Ein wichtiges Ziel ist es dabei auch, die Verwaltung resilienter aufzustellen, um diesen gestiegenen Anforderungen Rechnung zu tragen. Dabei gilt es, bestehende Aufgaben zu hinterfragen und zu prüfen, welche wirklich notwendig und umsetzbar sind. Dies ist ein Prozess, den wir nicht erst jetzt angestoßen haben. Aber der in der aktuellen Situation wichtiger denn je ist. Unsere Verwaltung ist offen für Vorschläge, Strategien und Konzepte, die von außen kommen. Es ist aber auch ein Prozess, der nur gemeinsam mit internen und externen Kräften und nicht von heute auf morgen umzusetzen ist, sondern Zeit benötigt.
Die Stadtverordnetenversammlung könnte dennoch einen entsprechenden Beschluss fassen?
Klein: Die Stadtverordnetenversammlung ist frei in ihren Entscheidungen. Dennoch müsste ein entsprechender Beschluss auch auf seine rechtliche Zulässigkeit überprüft werden.
Die Bensheimer Bürgerinnen und Bürger müssen mit einer höheren Grundsteuer rechnen und andere Abgaben steigen auch. Wo spart denn die Verwaltung bei sich?
Klein: Angesichts der angespannten Haushaltslage prüft die Stadtverwaltung Bensheim laufend Maßnahmen zur Kostenreduktion. Im Sommer wurde eine Haushaltssperre verhängt, die auch die Verwaltung stark trifft. Jeder Bereich wurde aufgefordert, weitere Einsparpotenziale zu identifizieren und den Ressourceneinsatz noch kritischer als bisher schon zu hinterfragen. Investitionen und Projekte werden auf das absolut Notwendige begrenzt und wir hinterfragen laufende Verträge auf Einsparungsmöglichkeiten.
Diese Maßnahmen sind zwar herausfordernd, aber notwendig. Allerdings betone ich an dieser Stelle, dass wir bereits Ressourcen sparend arbeiten; so ist zum Beispiel der Personaleinsatz bei uns mit 11 Prozent vergleichsweise gering. Hinzu kommen ständig neue Pflichtaufgaben, für die nicht immer zusätzliches Personal eingestellt werden kann.
Gleichwohl achten wir darauf, dass die Funktionsfähigkeit der Verwaltung nicht beeinträchtigt wird – denn die Bürgerinnen und Bürger müssen weiterhin auf unsere Dienstleistungen zählen können. Es ist ein Balanceakt, der sowohl Verzicht als auch vorausschauendes Handeln erfordert.
Gibt es einen Zeitplan, wie viel bis wann eingespart werden soll?
Klein: Die Konsolidierungsmaßnahmen sind im Nachtragshaushaltsentwurf und dort, im Entwurf des Haushaltssicherungskonzepts, enthalten. Diese müssen von der Stadtverordnetenversammlung beschlossen und von der Kommunalaufsicht genehmigt werden.
Wo gibt es sonst noch Sparmöglichkeiten (Pflichtaufgaben, freiwillige Leistungen)?
Klein: In einer Lage wie dieser müssen alle Faktoren auf den Prüfstand, das kann schmerzhafte Einschnitte bedeuten. Aber eines muss uns dabei unbedingt klar sein: Was wir heute zerstören, wird uns morgen fehlen. So ist beispielsweise der Anteil der sogenannten freiwilligen Leistungen gesehen am Gesamtvolumen unseres Haushaltes relativ gering. Natürlich können und müssen wir mit der Kommunalpolitik darüber diskutieren, was wir von den rund 20 Millionen überhaupt streichen können, die für freiwillige Leistungen im Haushalt 2024 stehen. Diese Kosten können wir beeinflussen, aber bitte nicht nach der „Rasenmähermethode“, wie bisweilen in der Öffentlichkeit gefordert wird. Hier gilt es mit Vernunft anzusetzen, um nicht dauerhaft zu zerstören, was auf den ersten Blick eine schnelle, aber nur vermeintlich gute Lösung darstellt. Zudem bestehen viele vertragliche Verpflichtungen, aus denen wir uns nicht von heute auf morgen lösen können.
Unter diese 20 Millionen fallen unter anderem: die Förderung von Vereinen, die Unterhaltung von Spielplätzen oder auch der Zuschuss für das Basinusbad und den Badesee. Das müssen wir uns deutlich vor Augen führen, wenn wir über Einsparungen diskutieren.
Trotz der Finanzmisere muss unser klares, uneingeschränktes Ziel lauten, Bensheim mit seinem nicht nur im Kreis Bergstraße einmaligen Charakter zu bewahren. Wir müssen und wollen die Qualität unserer Stadt erhalten. Was und wie viel am Ende eingespart wird, ist letztlich immer eine politische Entscheidung. Final entscheidet immer die Stadtverordnetenversammlung.
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