Bensheim. „Jetzt können wir uns endlich wieder primär um die Frauen kümmern!“ Die Freude und Erleichterung sind Maria Heeß und Martina Evertz vom Vorstand des Vereins Frauenhaus Bergstraße deutlich anzumerken. Seit fast vier Jahren galt es den Ausnahmezustand zu verwalten, nun sind die Bauarbeiten endlich abgeschlossen.
Angefangen hatte alles im Februar 2021, nachdem die Planungen schon Jahre zuvor aufgenommen worden waren, mit der Entfernung und Erneuerung der alten Rohre und Elektroinstallationen. Dann stand die Sanierung der Zimmer, Küchen und Gemeinschaftsräume und des in einem Nebengebäude eingerichteten „Kinderhauses“ an – und noch dazu ein kompletter Neubau für vier Büroräume.
Maria Heeß und Martina Evertz (li.) vom Vorstand des Vereins Frauenhaus sind erleichtert, die rund vierjährige Bauphase hinter sich zu haben.
Seit 1988 wurden die Bestandsbauten kontinuierlich vom Frauenhaus genutzt und boten Schutz für elf Frauen und ihre Kinder. Der Zustand des in die Jahre gekommenen Hauses war trotz zwischenzeitlicher Renovierungen folglich deutlich verwohnt und nicht mehr zeitgemäß.
Während der Bauzeit mussten die Plätze reduziert werden
So froh die Mitarbeiterinnen und Vereinsmitglieder waren, als es endlich losging mit der Sanierung, so groß war die Herausforderung: Mehrfach musste im Haus umgezogen werden, zeitweise wurden sogar die Büros als Wohnraum genutzt, im Garten wurde ein kleiner Container zum Duschen aufgestellt.
Baulärm und Dreck waren zusätzliche Belastungen, sowohl für die Mitarbeiterinnen als auch für die ohnehin in einer schwierigen Ausnahmesituation befindlichen Frauen und ihre Kinder.
Ein Wermutstropfen war auch die mit den Maßnahmen einhergehende Reduzierung der Plätze auf acht – ein bitterer Zustand angesichts der ungefähr das Zehnfache betragenden Anfragen schutzsuchender Frauen. Bauherr war der Kreis Bergstraße als Besitzer der Immobilie und damit auch zuständig für die Bauleitung. Um alles, was mit den internen Abläufen, der Möblierung und sonstigen Innenausstattung zu tun hatte, kümmerte sich der Verein.
Begeistert zeigten sich Vereinsvorsitzende Martina Evertz und Beisitzerin Maria Heeß von der Zusammenarbeit mit den überwiegend regionalen Handwerkern, von deren Freundlichkeit und sensiblen Umgang mit den Frauen, die so zum Teil wieder Mut und Selbstvertrauen im Umgang mit fremden Männern gefasst hätten.
Nun ist alles fast fertig und es stehen wieder elf Plätze zur Verfügung – auch das eine Zahl, die den Bedarf bei weitem nicht deckt. Die Zimmer sind nur mit den notwendigsten, robusten Möbeln ausgestattet, neben einem großen Bett für die Frau gibt es Babybetten oder Doppelstockbetten für die Kinder. Manche Zimmer haben jetzt auch ein kleines Waschbecken und eine Toilette. Ansonsten aber gibt es kleine Gemeinschaftsbäder und Gemeinschaftsküchen mit Aufenthaltsbereich.
Draußen bieten sich der Hof und ein kleiner Garten zum Spielen für die Kinder an. Ein weiteres Angebot für die Familien ist die stundenweise Betreuung im „Kinderhaus“. Zwei Erzieherinnen teilen sich hier eine feste Stelle und spielen und basteln mit den Kindern, geben aber auf Wunsch auch pädagogische Tipps und Hilfen für die Mütter. Die Zimmer müssen von den Frauen gemietet und bezahlt werden. Auch für Essen und alles weitere müssen sie selbst aufkommen. Putzen, einkaufen und kochen – all das wird von den Frauen im Prinzip selbstbestimmt erledigt.
Manche Frauen waren vorher nie alleine einkaufen
Doch sind hier manche Defizite auszugleichen. So durften manche Frauen vorher nie allein einkaufen gehen. Manche sind nie mit dem Bus oder der Bahn gefahren und wenn sie aus einem anderen Kulturkreis stammen, sprechen sie oft kein Deutsch. Nicht selten können sie auch nicht kochen, sondern haben nur gelernt, Fertiggerichte warm zu machen. Unter anderem hier greift das psychosoziale Angebot des Frauenhauses. Autonomie und Selbstbestimmung sollen gestärkt werden, auch mit der Ermutigung, wieder berufstätig zu werden oder eine Ausbildung zu beginnen.
Im neu errichteten Verwaltungsgebäude werden alle Mitarbeiterinnen zukünftig in Einzelbüros arbeiten und gleichzeitig vertrauliche Gespräche mit den Frauen führen können. Neben der psychosozialen Arbeit gibt es viel Büroarbeit rund um das Frauenhaus zu erledigen. Angefangen von Buchhaltungsaufgaben wie der tagesgenauen Abrechnung der Zimmermiete oder der Überweisung der Gehälter für die Mitarbeiterinnen bis zur Antragstellung für Unterstützungen wie zum Beispiel Wohngeld für die einzelnen Frauen.
Außerdem müssen zum Beispiel Stellungnahmen für das Familiengericht und das Jugendamt verfasst werden. Diese auch emotional oft enorm belastende Aufgabe musste in der Vergangenheit in einem Gemeinschaftsbüro mit drei Schreibtischen erledigt werden.
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