Bensheim. Die WSW Baubetreuungs GmbH mit Sitz in Bensheim plant östlich des Mozenrechweges (Ortsausgang Richtung Schönberg) die Errichtung von drei Mehrfamilienhäuser im Geschosswohnungsbau. Nun stimmte die Mehrheit der Stadtverordnetenversammlung der Einleitung des vorhabenbezogenen Bebauungsplanverfahrens für das Plangebiet zu – allerdings haben nicht nur die Grünen bei dem Vorhaben Bauchschmerzen.
Einmal mehr mussten die Stadtverordneten abwägen zwischen ökologischen Bedenken und dem enormen Siedlungsdruck, unter dem die Stadt steht. Das Angebot ist knapp, bezahlbarer Wohnraum kaum verfügbar. Das Planungsverfahren wird begleitet von einer Reihe an Gutachten, die feststellen sollen, ob das Vorhaben am Mozenrechweg umsetzbar ist.
Die GmbH ist in Besitz des rund 5600 Quadratmeter großen Grundstücks und plant den Bau von 51 Wohneinheiten. Alle geplanten Wohneinheiten sollen nach den Vorgaben des sozialen Wohnungsbaus errichtet werden und sozial- und einkommensschwachen Bürgerinnen und Bürgern der Stadt Bensheim neuen Wohnraum bieten.
Neben einer Gesamtwohnfläche von etwa 3800 Quadratmetern, die dann zur Miete zur Verfügung stehen sollen, ist für die ausreichende Versorgung der entstehenden Wohngebäude die Errichtung von 102 Fahrradabstellplätzen und 51 Pkw-Stellplätzen vorgesehen. Die drei Mehrfamilienhäuser sollen in nachhaltiger Bauweise entstehen, vollständig barrierefrei ausgebaut und über insgesamt fünf Aufzüge erreichbar sein. Um die Fläche bebauen zu können, muss der Flächennutzungsplan abgeändert werden, auch dafür stimmte die Mehrheit des Gremiums. Die Verfahrenskosten werden durch den Vorhabenträger getragen.
Keine Nutzungsbindung für Frauen aus dem Frauenhaus
Im Zusammenhang mit der geplanten Bebauung hatte die BfB-Fraktion einen Änderungsantrag eingereicht. Gefordert wurde, dass zehn Prozent der Wohneinheiten eine Nutzungsbindung für Frauen aus dem Frauenhaus in Bensheim erhalten. Sie hätten es besonders schwer, nach ihrem temporären Aufenthalt in der Einrichtung eine Wohnung zu finden, sagte Barbara Ottofrickenstein-Ripper. Insgesamt gebe es zu wenige Plätze in Frauenhäusern, die Nutzungsbindung könnte in ihren Augen dabei helfen, Plätze in der Einrichtung freizumachen.
Knappen sozialen Wohnraum einer bestimmten Gruppe vorzuhalten, sei nicht zielführend, findet Feridun Bahadori (CDU). „Die nutzungsgebundenen Wohnungen wären innerhalb kürzester Zeit vergeben, sodass am Ende kein Effekt auf die Kapazitäten im Frauenhaus zu erwarten ist.“ Im ganzen Land schreie man nach sozialem Wohnungsbau. „Nun hat ein Investor den Mut gefasst, voranzuschreiten.“
Im Grunde handle es sich bei dem Gelände, das den wenig charmanten Namen Wasserhölle trägt, um eine Baulücke, eingekesselt von Wohn- und Gewerbebebauung. Dem Argument, die Stadt müsse sich mehr auf ihre Innenverdichtung konzentrieren, entgegnete Bahadori: „Ohne Grundstück keine Verdichtung.“ Er betonte, dass es zahlreiche Prüfungen hinsichtlich der Machbarkeit geben werde. Nur, wenn es keine Bedenken gibt, kann gebaut werden. Erst dann, wenn man soweit sei, könne man erneut über den Vorschlag der Nutzungsbindung diskutieren. Grundsätzlich sollten die Wohnungen, findet er, dem gesamten Markt zur Verfügung stehen.
„51 Wohnungen bedeuten 51 Chancen“
Betont wurde in einigen Redebeiträgen, die Frauen aus dem Frauenhaus wollten in Anonymität leben, eine Auffassung, die Bürgermeisterin Christine Klein nicht teilt: „Diese Frauen möchten ohne Stigma in der Gesellschaft leben, sie wollen nicht in der Anonymität verschwinden. Fakt ist, dass viele Frauen, die sich nach der Zeit im Frauenhaus eine neue Zukunft aufbauen möchten, Schwierigkeiten haben, eine Wohnung zu bekommen, gerade wenn sie alleinerziehend sind.“ In Bensheim sei es bereits seit Jahren Praxis, Wohnungen gezielt an diese Frauen zu vermitteln.
Der Antrag der BfB erhielt vorerst eine Absage. „Nachdem in Bensheim 2024 gleich zwei Frauen ermordet wurden, halte ich es für dringend notwendig, verstärkt die Bedürfnisse von Frauen in schwierigen Lebenssituationen in den Blick zu nehmen“, kritisierte Ottofrickenstein-Ripper die Entscheidung.
Mit dem Bau der drei Gebäude gehe man einen wichtigen Schritt hin zur Linderung der Wohnungsnot in Bensheim. „51 Wohnungen bedeuten 51 Chancen für Menschen.“ Die Häuser entstehen nicht in Luxusbauweise, der Eigentümer lege Wert auf eine nachhaltige Bauweise. Auch die FDP sieht in dem Projekt weniger einen unnötigen Flächenverbrauch als eine Gelegenheit, viele bezahlbare Wohneinheiten zu schaffen. „Viele Menschen geben ein Drittel bis zur Hälfte ihres Einkommens für die Miete aus.“ Das Gelände liegt gegenüber einer Seniorenresidenz, die neue Bebauung könnte die Gegend weiter beleben, so Thorsten Eschborn.
„Wie viel Versiegelung kann sich die Stadt noch leisten?“, fragte dagegen Peter Leisemann (FWG). Die Wasserhölle habe einige markante Merkmale, darunter die Felswand, die das Gelände im hinteren Bereich begrenzt. „Dieses Gebiet erfüllt wichtige ökologische Funktionen.“ Zudem vermutete er, es habe in der Vergangenheit sicher Gründe gehabt, weshalb das Areal bisher nicht bebaut wurde. „Die Wasserhölle wird ihren Namen nicht von ungefähr haben“, bemerkte Birgit Rinke (Grüne). Man könne nicht ausschließen, dass an dieser Stelle bei einer weiteren Versiegelung Überflutungen drohten.
Oberflächlich betrachtet sei der Bauplatz ideal. Näher betrachtet ergibt sich für Rinke eine Reihe an Gegenargumenten. Eines davon ist die Lösswand, die möglicherweise Zuhause von Insekten und Höhlenbrütern sein könnte. Eine dauerhafte Beschattung durch die neuen Gebäude könnte diesen Lebensraum negativ beeinflussen.
21 Ja-Stimmen, 14 Nein-Stimmen, drei Enthaltungen
Auch die Grünen sehen den Bedarf an Wohnraum, Rinke machte den Vorschlag, das ehemalige Thermoplastik-Gelände könne zu Wohnraum umgewandelt werden, ebenso wie das Hoffart-Gelände. Zweitgenanntes befindet sich in städtischem Besitz.
Fraktionskollegin Doris Sterzelmaier kritisierte weiter, man müsse nicht jede Fläche in Bauland umwidmen, nur, weil sie existiere. Außerdem würde durch die zusätzliche Bebauung die Grenze zwischen Schönberg und Bensheim weiter aufgeweicht. Dabei habe man sich klar darauf verständigt, dass Stadtteile und Kernstadt nicht zusammenwachsen sollen. Für die Mehrheit der Bensheimer Stadtverordneten überwog allerdings das Argument der Wohnungsnot: 21 Ja-Stimmen standen drei Enthaltungen und 14 Nein-Stimmen gegenüber.
URL dieses Artikels:
https://www.bergstraesser-anzeiger.de/orte/bensheim_artikel,-bensheim-kritik-bau-sozialer-wohnraum-_arid,2275180.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.bergstraesser-anzeiger.de/orte/bensheim.html