Mannheim. Klar habe ich meine dunklen Seiten. Das sind meine Süchte und Sehnsüchte. Musik. Tennis. Literatur. Vitello tonnato. Wein. Das sind alles extrem attraktive Dinge, die mir großen Spaß bereiten, ja, die mein Leben so richtig lebenswert machen.
Zu meinen Süchten gehört allerdings auch, zugegeben, der unvermeidliche „Tatort“ sonntags um 20.15 Uhr. Ja, ich gebe zu: Auch ich habe immer wieder Verbotenes getan. Auch ich habe meine Eltern hintergangen und schon als kleines Kind im Frottee-Pyjama klammheimlich den schmalen Spalt zwischen Wohnzimmertür und Türangel aufgesucht, um zusammen mit meinen unwissenden Eltern – Gott hab’ sie selig – die auf der Mattscheibe wandelnden Augen, das Fadenkreuz und das raffinierte Quartenmotiv fis-h, a-d- und gis-cis von Klaus Doldingers Titelmusik zu erleben. Ich habe danach immer schlecht geschlafen. Es war furchtbar. Heute schlafe ich nach dem „Tatort“ immer gut. „Tatorte“ wirken auf mich wie beste Barbiturate. Sie sind seit langem extrem unattraktiv, bereiten mir wenig Spaß und machen mein Leben überhaupt nicht lebenswert.
Die Sucht Fußball-im-Fernsehen-Glotzen habe ich dank vollkommen überbezahlter und schwalbenfliegender Lügen-Kicker, Jogi Löw und der WM in einer islamistischen Wüstenmonarchie mit Spezialität Menschenrechtsverletzung leicht überwunden. Das tat gar nicht weh. Ich habe damit abgeschlossen.
Beim „Tatort“ gelingt mir das nicht, und das ist ziemlich verrückt. Sonntag für Sonntag lümmle ich mit Lena Odenthal, Johanna Stern, Peter Faber, Anna Janneke, Thorsten Lannert oder dem Sedativum Friedemann Berg kuschelig auf dem Sofa, spüre die Sehnsucht nach Crime-Spannung, gähne und – schlafe flugs ein. Warum? Die Kommissare machen alles. Nur nicht ihren Job. Statt ihren Job zu machen und nach dem mordenden Etwas zu suchen, suchen sie immer nur sich selbst. Sie fragen: Wer bin ich und wenn ja: Wie viele? In der Regel sind sie eher depressiv und haben durch Unfälle oder tragische Umstände mindestens Frau und Kind und/oder Geliebte verloren. Andere haben einen Hirntumor oder das selbstüberschätzende Koryphäen-Syndrom. Oder sie haben schlimmere Süchte als ich, etwa Alkoholabhängigkeit.
Sind die Kommissarenden in der realen Welt dort draußen auch solche psychischen Wracks wie die in der zwangsbesteuerten Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rudimentärintelligenz-Anstalten der Bundesrepublik Deutschland namens ARD? Vielleicht kann sich mal eine oder einer bei mir melden. Ich bitte um einen Realitätsabgleich!
Ich habe aber noch eine zweite Theorie, weswegen zwar nachgewiesene rund zwölf Millionen Deutsch(inn)e(n) sonntags vor dem „Tatort“ sitzen, dort aber schlafen (was leider nicht erfasst werden kann). Die Dialoge sind nämlich teils so schlecht, dass das Regieteam den Ton absichtlich so schlecht aufnimmt, dass man möglichst wenig versteht.
Nun muss ich noch klarstellen: Meine hier erwähnten dunklen Seiten sind die harmloseren.
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