Irgendwie bin ich mit Alya kurz vor knapp noch mal in die Bundesgartenschau reingeraten – und das war nicht gut. Denn auf der verzweifelten Suche nach einem … okay, das ist gerade das spießigste Getränk überhaupt … Aperol Spritz, für den man weniger als 15 Minuten anstehen muss, sind uns Tiere begegnet. Alpakas. Humboldtpinguine. Rote Sichler. Et cetera pp. Irgendwann habe ich – natürlich rein zufällig – in Alyas Gesicht geblickt und gesehen: Verdammt, diese Frau ist traurig.
Ich habe sie gefragt, was los sei, da sagte sie, all die eingesperrten Tiere deprimierten sie: „Alpakas leben normalerweise in Südamerika. Diese Pinguine leben normalerweise in Südamerika. Rote Sichler leben normalerweise in Südamerika. In Freiheit. Warum müssen die sich in einem deutschen Park von Touris begaffen lassen?“ Sie war den Tränen nah.
Ich muss sagen, ich wusste nichts von Alyas Tierliebe. Sie wisse, so Alya, gar nicht, welches Tier sie am meisten bemitleiden solle. Für die Vögel, sagte sie, sei es sicher am schlimmsten. Die seien zwar in einer sogenannten Großvoliere gefangen, die in Wahrheit aber doch für jeden Vogel eine Kleinvoliere sein müsse, die nur den Menschen groß vorkomme, weil Menschen nun mal nicht fliegen könnten. „Hast du mal den Radius eines fliegenden Vogels gesehen?“, fragt Alya, „da wird eine Maximalvoliere schnell zur Minimalvoliere“, sagte sie – und ich wunderte mich, dass sie Worte wählte, die auch ich gern wähle.
Tatsächlich bin ich sicher, dass die politisch und sozial aktiven Jugendlichen mit Geburtsdatum ab 2030 uns im Jahr 2045 weit radikaler verurteilen werden als die Klimaaktivisten heute, weil wir trotz unseres profunden Wissens von vielen Dingen trotzdem nicht konsequent gehandelt haben werden. Wir zerstören die Welt, fahren SUVs, fliegen nach Bora Bora und fressen weiter lustig tonnenweise Rinder. Wir werden dann genau so verurteilt werden wie die Generation mit Geburtsjahr 1910 von den 1968ern. Sie werden uns fragen: Habt ihr das nicht gewusst?
So sperren wir auch einfach weiter Tiere ein, obwohl wir längst wissen, dass die Typen, die die Bibel geschrieben haben und darin von einem gütigen Gott sprechen, sicher nicht recht hatten mit dem Satz: „Macht euch die Erde untertan und herrschet über die Fische des Meeres, die Vögel des Himmels, über das Vieh und alles Getier.“ Ein gütiger Gott, ein Schöpfer, würde das doch niemals wollen von seinem eigen Werk!
Eine entscheidende Frage der Tierethik ist, ob bestimmte Tiere moralische Rücksichtnahme verdienen, ob ihnen gar eigenständige Rechte zuzuerkennen wären. Ich glaube, da könnte ein Perspektivenwechsel heilsam sein. Also wir im Käfig. Die da draußen. Man muss ja auch kein reiner Tor sein wie Parsifal, um durch Mitleid wissend zu werden. Alya hat das Mitleid en passant auf der Buga erlebt. Und weil große Worte großer Denker immer gut ausschauen: Der (umstrittene) Philosoph Friedrich Nietzsche meinte in seiner „Morgenröte“: „Wir halten die Tiere nicht für moralische Wesen. Aber meint ihr denn, dass die Tiere uns für moralische Wesen halten?“ Ist dem etwas hinzuzufügen?
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