Kolumne #mahlzeit

Klimakatastrophe: Belas Verwandlung

Bela hat nicht nur eine Freundin namens Alex. Bela hat auch einen Fünf-Punkte-Plan für die Klimarettung. Damit versetzt er die Tischgesellschaft von Kolumnist Stefan M. Dettlinger in Erstaunen. Wie soll man da noch streiten?

Von 
Stefan M. Dettlinger
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© kako

Er habe, sagt ein sichtlich verlegener Bela, nach langem Hin und Her endlich eine weitreichende Entscheidung getroffen. Diese Entscheidung sei ihm wirklich nicht leicht gefallen. Diese Entscheidung habe auch sicherlich Einfluss auf das Bild, das wir von ihm haben, ja: Es werde sich radikal ändern. Alya, Caro und ich schauen uns an. Bela macht weiter. Also, eine Freundin von ihm – „ja, okay, eigentlich ist sie meine Intimfreundin … Alex“ – die habe zu den Evakuierten von Rhodos gehört. Alex sei, weil der Wald hinterm Hotel lichterloh brannte, in dem sie Urlaub mit ihrer geliebten Familie machte, mit einer kolossal überfüllten Fähre gerettet worden. Dabei habe sie ihr ganzes Ferien-Hab-und-Gut zurücklassen müssen, weil alles so schnell gehen musste. Rechner, Tablet, Koffer, Klamotten, Kohle, Karten – alles weg. Sie sei total traumatisiert.

„Und?“, fragt Caro. Na ja, meint Bela, an den Katastrophen in Rhodos und Korfu, „um nur diese beiden Beispiele zu nennen“, sei doch eindeutig der Klimawandel schuld. Er habe gelesen, dass wir den heißesten Juli aller Zeiten erlebt haben. Er habe auch gelesen, dass auch der Juni der heißeste Juni aller Zeiten gewesen sein. Seit das eben erfasst werde. Außerdem erhitzten sich die Weltmeere dramatisch schnell, was …

„Wirst du jetzt durch Mitleid wissend, reiner Tor?“, frage ich Bela, der das verwurstete Wagner-Zitat aus dem „Parsifal“ als Rachmaninow-Fundamentalist natürlich nicht erkennt. Alya schaut mich an, als sei ich E.T. Caro schaut mich an, als sei ich Hannibal Lecter. Bela sagt: „Ich habe gelesen, dass wir entscheiden können: Waren dieser Juni und dieser Juli die kühlsten Monate einer noch viel heißeren Zukunft? Oder waren sie wirklich sehr heiße Ausnahmemomente in einer auch wieder kühleren Zukunft?“

Caro fasst Belas Stirn an. „Also ein bisschen Temperatur hat er schon“, sagt sie und blickt ihm befremdet ins Gesicht. „Du willst uns jetzt aber nicht sagen, dass du bei den Grünen eingetreten bist, oder?“, sagt Alya. Mitnichten, sagt Bela, „die Grünen sind ja mit Schuld an dem ganzen Schlamassel, die regieren doch schon seit langem immer wieder mit – und zwar viel zu wenig radikal.“

Bin ich in einer Erzählung von Kafka? Mir fällt es schwer zu glauben, dass es Bela gut geht. „Und was ist nun deine weitreichende Entscheidung“, frage ich. Bela setzt sich feierlich und aufrecht hin: „Also: Ich habe einen Fünf-Punkte-Plan. Ich werde erstens meinen 911er verkaufen, zweitens nie wieder Auto fahren, drittens auch nicht mehr fliegen, viertens mich mit Fair-Trade-Klamotten kleiden und fünftens nur noch mit großem CO2-Bewusstsein durchs Leben gehen.

Ich will nicht, dass mir meine Kinder (Aha!) später vorwerfen, ich hätte das alles doch gewusst, aber keine Konsequenzen für mich, sie, die Anderen und überhaupt die Welt gezogen.“ Alya: „Was hast du geschluckt, mein Lieber?“ Sie umarmt ihn. Das gab es noch nie. Ich staune. Aber Caro steht auf, stößt trotzig ihr Tablett von sich und sagt: „Und mit wem sollen wir jetzt immer streiten?“ Dann lachen alle, und ich sage: „Ich denke, da finden sich noch ein paar Themen. Kinder…“

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