Unser Bundeskanzler war Gast auf der Phil.Cologne. Das hier wird also definitiv kein lustiger Text. Die Phil.Cologne ist ein internationales Philosophiefest. Philosophie ist eine geile Wissenschaft. Sie sucht Antworten auf grundlegende Sinnfragen über die Welt, den Menschen und seinen Bezug zur Umwelt und manchmal auch zu Gott. Das finde ich gut.
Ich habe das Gespräch gelesen, das Olaf Scholz in Köln mit dem Philosophen Axel Honneth führte. Honneth ist, so heißt es, „einer der wichtigsten Vertreter der Kritischen Theorie“. Die Kritische Theorie versucht, einfach ausgedrückt, die Herrschafts- und Unterdrückungsmechanismen der Gesellschaft zu entlarven, also auch Ideologien wie den Kapitalismus infrage zu stellen. Humane Intelligenzen der Kritischen Theorie denken – natürlich kritisch – darüber nach, wie man wohl eine kluge Gesellschaft mündiger Menschen kreieren könnte. Erfolg hatten sie damit noch nicht. Und die voranschreitende Aufteilung von Arbeit in kleinste (prüfbare) Einheiten und die Auslagerung von Intelligenz in elektronische Geräte wird das nicht besser machen.
Was mich bei dem Gespräch auf 180 gebracht hat, war gleich der erste Scholz-Satz auf die Frage: Wo liegt das Kernproblem für die demokratiefeindlichen Tendenzen in der Gesellschaft? Unser Olaf, der später im Gespräch viel von Respekt und Anerkennung geredet haben wird, sagt da: „Das Kernproblem liegt hier: Manche Journalisten und Politiker überschätzen das Informationsniveau der Bürgerinnen und Bürger.“ Also ich finde das doppelt respektlos. Als Journalist. Und als Bürger.
Ich habe mit Bela darüber gesprochen. Bela sagt: „Na ja, der Olaf hat Recht. Die meisten Leute sind eben doof, ungebildet und desinteressiert. Die sind so veranlagt und vegetieren lieber mit Bier und Bauch vor Netflixserien. Aber keep cool: Ist nicht deine Schuld.“ Ich versuche Bela klarzumachen, dass die Leute nicht so veranlagt sind, dass das keine genetischen Ursachen hat, sondern soziale. „Wie wird jemand geboren? Wie wächst er auf? Was lernt er? Welche Arbeit übt er aus? Darum geht es, Bela. Der Mensch wird, was er ist. Er ist nicht, was er ist“, sage ich und rede von all den stupiden Tätigkeiten, die geldgeile Unternehmen erfinden, damit sie wenig geschultes Personal anstellen und mit wenig Geld abspeisen können: „Wer täglich repetitiv arbeitet, wird eben in seinen intellektuellen Aktivitäten gehemmt und ist für Informationen, wie wir sie generieren, weniger empfänglich.“
„Sag ich doch“, so Bela, „der Olaf hat Recht.“ Aber, so wende ich ein, das würde ja bedeuten, dass profitorientierte und also alle Wirtschaftsunternehmen indirekt die aufklärerischen Prozesse in der Gesellschaft und damit auch die Demokratie an sich torpedierten und so vielleicht nicht nur die Demokratiefeindlichkeit, sondern auch die niedrigen Wahlbeteiligungen erklärten. Belas Kopf wogt wie der eines Wackeldackel. Dann sagt er: „Mal was anderes: Weißt du, dass Porsche seinen Absatz weltweit um 15 Prozent gesteigert hat?“ Mein Gott, Bela, und weißt du auch, wie so was funktioniert?
Habe ich zu viel versprochen? Zu lachen gibt es da rein gar nichts.
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