Berlin. Eigentlich war Bela seit vergangener Woche, als er ankündigte, seinen 911er zu verkaufen, von mir in den Olymp der Götter befördert worden. Gottesgleich hatte er den Beweis erbracht, dass der Schöpfer den Schädel als einigermaßen rundes Gefäß designet hat, damit die Gedanken darin auch mal die Richtung wechseln können. Um all den sturen Betonköpfen ein Schnippchen zu schlagen. Ob Gott auch einen runden Kopf hat? Man soll sich da ja kein Bild machen. Ist auch besser so. Vielleicht wäre man enttäuscht. Bela jedenfalls, dieser auf Rachmaninow-Musik fixierte und markengeile Fred-Perry-und-Porsche-Schnösel, hatte also im Handumdrehen den moralischen U-Turn angekündigt. Vom Lackschuh zur Jesussandale. Vom Saulus zum Paulus. Plötzlich hatte er zu den Gutmenschen gehört, die nicht das Leid der Welt vergrößern, sondern lindern. Eigentlich.
In den Tagen nach Belas Verwandlung beschlich mich ein seltsames Gefühl. Ich fühlte mich wie in einem Kokon. In Watte gehüllt. Es war, als müsste ich endlich aus diesem Traum erwachen. Ein kafkaeskes Feeling. Denn wenn es so einfach wäre mit dem Sinneswandel der Menschen, spukte es durch meinen benebelten Kopf, dass man nur eine Freundin wie Belas Alex haben muss, die durch die Flammen von Rhodos vertrieben wird, damit man nicht mehr leugnet, was nicht zu leugnen ist: den Klimawandel – man könnte doch die gesamte Menschheit allmählich durch eine Vorhölle, einen Reality-Room schleusen und so läutern. Das wäre genial!
Ich dachte ja auch immer, dass Bela nicht nur von einer Luxus-, sondern auch von einer gewissen Ruhmsucht beherrscht wird, die ihn bisweilen sämtliche ethische Grundsätze missachten lässt (obwohl er deren Berechtigung vielleicht gar nicht bestreiten würde). Doch damit offenbart er eine Haltlosigkeit, die in schroffem Kontrast zur Prinzipienfestigkeit eines Moralapostels steht.
Wie dem auch sei: Jetzt kommt Bela jedenfalls an unseren Tisch. Er lächelt. Wieder wirkt er etwas verlegen. Wieder wirkt er, als hätte er eine Ankündigung zu machen. Vielleicht hat er ja seinen 911er schon verkauft? Doch auf sein Räuspern kommt die Überraschung: „Hallo, ich muss mich bei euch entschuldigen, ich habe …“ Seine Stimme wirkt fragil und stockt. „… euch angelogen, nein, das trifft es nicht, ich habe … mit euch gespielt.“ Caro, Alya und ich schauen uns an. Caro: „Wie jetzt?“
Nun erzählt Bela das Unfassbare: dass ihm seine Freundin Alex, die im Übrigen nicht seine Intimfreundin sei, zum Geburtstag einen Schauspielkurs geschenkt habe, dass eine Aufgabe dieses Kurses gewesen sei, das im Crashkurs Erlernte einmal im Alltag auf Überzeugungskraft zu testen, dass Alex und er dann eben beschlossen hätten, dass Bela versuchen sollte, uns auf die besprochene Art und Weise etwas vorzumachen und dass er seinen 911er „natürlich niemals“ verkaufen werde: „Wir sind vereint, bis dass der Tod uns scheidet.“ Alles Bluff.
Ich muss sagen. Ich war selten so baff. Der ist begabt. Caro sagt: „Etwas Gutes hat die Sache ja: Wir können uns auch in Zukunft trefflich streiten. Du … Scheißkerl!“
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