Kinofilm

„The Inspection“ zeigt Regisseur Elegance Brattons Leidensgeschichte

In „The Inspection“ spielt Jeremy Pope einen schwulen Rekruten, der unter den Schikanen seiner US-Marines-Einheit leidet. Der Film beruht auf einer wahren Geschichte - dem Leben von Regisseur Elegance Bratton

Von 
Gebhard Hölzl
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Bei seinen Kameraden stößt Ellis French (Jeremy Pope) auf Ablehnung stößt, doch Sergeant Rosales (Raúl Castillo) scheint ihm zugewandt zu sein. © Patty Perret/A24/X Verleih

New York. Die 2012 von Daniel Katz, David Fenkel und John Hodges in New York City gegründete Produktionsfirma A24 ist in Hollywood in aller Munde. „Hot property“, sprich „heiß“, ist sie, spätestens seit man bei der vergangenen Oscar-Verleihung für „Everything Everywhere All At Once“ sieben der begehrten Statuetten entgegennehmen durfte - plus zwei für „The Whale“. Der Fokus des Unternehmens liegt auf kostengünstig hergestellten Independent-Projekten, die gleichermaßen das Multiplex-Publikum ansprechen sollen, was mit Titeln wie „Moonlight“, „The Killing of a Sacred Deer“ oder „Midsommar“ bislang funktioniert hat.

Jeremy Pope spielt die Hauptrolle in der autobiografischen Story

Bevorzugt „character-driven“, sprich „charakterbasiert“, sind die Stoffe, authentisch die Figuren, realistisch ist das Setting. Wie nun bei „The Inspection“ von Regisseur und Autor Elegance Bratton, der in seinem intensiven Drama die eigenen Erlebnisse als junger Erwachsener schonungslos offenlegt - mit dem überzeugenden Jeremy Pope („Pose“) als Alter Ego. Der durfte sich über eine Golden-Globe-Nominierung freuen und wurde von der African-American Film Critics Association (AAFCA) als Bester Schauspieler ausgezeichnet.

Ellis French heißt er im Film, ganz unten ist er gestrandet. Seitdem er von seiner streng religiösen Mama Inez (Gabrielle Union) aufgrund seiner Homosexualität verstoßen wurde, lebt er auf der Straße. Nahe dem New Yorker Christopher Street Pier, mit anderen queeren wohnungslosen Jugendlichen, denen der Filmemacher 2019 mit „Pier Kids“ eine eigene Dokumentation gewidmet hat. Den Weg aus der Obdachlosigkeit und die Hoffnung, den Respekt sowie die Liebe seiner Mutter wiederzuerlangen, sieht er bei der Armee - und verpflichtet sich beim US-Marinekorps, den berüchtigten Marines.

Der Weg durch die Hölle

Bei der beinharten Ausbildung im Bootcamp merkt er schnell, dass die verschworene Gemeinschaft nicht gewillt ist, einen schwulen Afroamerikaner in ihre Reihen aufzunehmen. Schikanen und Ausgrenzung muss er, ebenso wie sein muslimischer Kamerad Ismael (Eman Esfandi), ertragen. Einzig Drill Sergeant Rosales (Raúl Castillo), der eine starke sexuelle Anziehungskraft auf ihn ausübt, scheint Ellis zugewandt zu sein. Trotz zunehmender Feindseligkeit und Ausgrenzung gewinnt Ellis an Selbstbewusstsein und findet zu neuer Stärke und Anerkennung, die sein Dasein und die Beziehung zu Mutter Inez verändern.

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Eine packende autobiografische Story, umgesetzt als Mix aus Familien- und Militärfilm, verpackt als Variation des „Amerikanischen Traums“. Der besagt bekanntlich, dass man alles schaffen kann, wenn man nur will. Dies gelingt Ellis schließlich unter größten Schwierigkeiten. Allen Widerständen zum Trotz erkämpft er sich Respekt, erduldet Diskriminierung und Spott, wird gedemütigt und verprügelt. Ganz nah an der Wirklichkeit bleibt der Plot. Ausführlich - ähnlich stark und an den Nerven zerrend wie bei Stanley Kubricks „Full Metal Jacket“ - werden die Schikanen bei der Grundausbildung gezeigt. Für jeden noch so kleinen Fehler gilt es Dutzenden von Liegestützen zu absolvieren, Beleidigungen und verbale Unverschämtheiten gehören zur Ausbildung: „Wurden sie jemals wegen einer Straftat verurteilt, sind oder waren sie jemals homosexuell, Rekrut?“

Trotz Leid auf der Suche nach Versöhnung

Körperlich und seelisch leidet der Held, der nach seinem Platz in der Welt sucht. Mit der rauen Wirklichkeit - vor allem mit der gesellschaftlich sanktionierten Homophobie - wird er täglich konfrontiert, eine schier unerschöpfliche Versöhnungsbereitschaft zeichnet ihn aus. French/Bratton geht unbeirrt seinen Weg, sucht stoisch nach Ausgleich und Versöhnung.

Jeremy Pope – queere Exzellenz

  • Schauspieler, Sänger, Fashion-Ikone – Jeremy Popes künstlerisches Schaffen hat viele Facetten. Vor allem aber ist das 1992 in OrlandoFlorida, geborene Multitalent ein Vorbild in der Queer-Community.
  • Der Amerikaner kann bereits jetzt auf eine eindrucksvolle Karriere zurückblicken, feierte als Theaterdarsteller in den vergangenen Jahren große Erfolge. Für sein Broadway-Debüt in „Choir Boy“ wurde er 2019 für einen Tony Award als „Bester Darsteller“ nominiert, im selben Jahr erhielt er eine Nominierung als „Bester Nebendarsteller“ für seinen Part in „Ain’t Too Proud“.
  • Der offen schwule Künstler besuchte die Timber Creek High School und absolvierte die American Muscal und Dramatic Academy. Sein Leinwanddebüt gab Pope 2018 in Jenn Wexlers Horrorfilm „The Ranger“, eine kleine Nebenrolle übertrug ihm Regina King in ihrem hoch gelobten Drama „One Night in Miami“.
  • Dem breiten Publikum ist der charismatische Schauspieler durch seinen Auftritt als Archie Coleman in Ryan Murphys skandalumwitterter Netflix-MiniserieHollywood bekannt.

Dank der wahrhaftigen Charaktere sowie dynamischer und manchmal durchaus humorvoller Töne geht die emotionale Arbeit unter die Haut, erzählt von einem Außenseiter, der zu sich selbst findet. Dass dies so glaubhaft funktioniert, ist vor allem Verdienst des grandios agierenden Pope, dem man sein Leiden und seinen unermüdlichen (Überlebens-)Kampf zu jeder Zeit abnimmt. Vorzüglich wird er dabei von seinen Co-Stars Esfandi („King Richard“), Castillo („Army of the Dead“) und Union („Girls United“) unterstützt. Schnörkellos direkt sind die Bilder von Kameramann Lachlan Milne („Stranger Things“), eindringlich ist die Musik der Experimental-Pop-Band Animal Collective.

Wahre Geschichte endet nicht mit Happy End

Dass das vermeintliche Happy End in Wahrheit getrübt bleibt, verrät der Abspann. Brattons Mutter, die sich mit dem Sohn nie ausgesöhnt hat, hat die Uraufführung des Werks nicht erlebt. Nach einem Familienstreit wurde sie von ihrer Tochter, Elegances Halbschwester, getötet. Es ist ihm nur geblieben, ihr sein Spielfilmdebüt zu widmen.

Freier Autor Gebhard Hölzl, Print-/TV-Journalist, Autor und Filmemacher.

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