„Très français“ war der Eröffnungsfilm der diesjährigen Internationalen Filmfestspiele von Cannes, der um die historische Figur der Jeanne du Barry (1743-1793) kreist. Ein französisches Prestigeprojekt, über weite Strecken inszeniert im berühmten Schloss von Versailles. Was von zwingender Logik ist, residierte dort doch Ludwig XV. (1710 - 1774), König von Frankreich und Navarra. Ein aufwändig gestalteter Historienfilm über die letzte Mätresse des Monarchen - oder wie der Untertitel verrät: „Die Favoritin des Königs“.
Hype um Johnny Depp genutzt
Befeuert wurde der Hype um das Werk durch den Umstand, dass Johnny Depp, Publikumsliebling seit dem weltweiten Erfolg des „Pirates of the Carribean“-Franchise, die Rolle des Regenten übernommen hatte und wegen seines öffentlich ausgetragenen Scheidungsstreits mit Kollegin Amber Heard gerade in aller Munde war. Als Partner hatte die Regisseurin, Drehbuchautorin und Hauptdarstellerin Maïwenn („Poliezei“) den exzentrischen Mimen ausgesucht. Eine kluge Wahl - sowohl in Sachen Publicity als auch Starpower.
Im Zentrum der Handlung steht jedoch sie. In ihrem Part der ehrgeizigen Kurtisane Jeanne Vaubernier nutzt sie ihre Reize, um ihrer bescheidenen Herkunft zu entkommen. Den wohlhabenden Comte du Barry (Melvil Poupaud) hat sie geheiratet. Er arrangiert ein Treffen mit dem einflussreichen Duc de Richelieu (Pierre Richard), der Jeanne Ludwig XV. vorstellt - und gleich funkt es zwischen den beiden.
Der gelangweilte Herrscher ist von ihrer unkonventionellen Art begeistert, liebt ihre provokante Art. Besonders gut gefällt ihm, dass sie sich dem starren Hofzeremoniell widersetzt, beispielsweise nicht daran denkt, sich buckelnd rückwärts von ihm zu entfernen, sondern ihm frech ihr Hinterteil entgegenstreckt ...
Jeanne du Barry als selbstbewusste und kluge Titelheldin
Eine gut ausgewogene Mischung aus Komödie und Drama, eine Produktion mit opulenten Schauwerten. Zugleich ein treffliches Sittenbild und die Geschichte einer Liaison, die in einer tiefen Freundschaft mündet. Langsam entwickelt sich der Plot, trotz der vermeintlich einschlägigen Thematik wird auf explizite Sexszenen verzichtet.
Die Filmemacherin legt ihre Heldin als kluge, selbstbestimmte - und somit hoch moderne und zeitgenössische - Frau an, die ihre Reize einsetzt, um sich in ihrem Umfeld zu behaupten, sich der Intrigen neidischer Hofdamen, speichelleckender Höflinge und machtgieriger Adeliger zu erwehren.
Witz, Natürlichkeit, Intelligenz und Raffinesse sind ihre Waffen - und das Verständnis für „seine Majestät“. So entbrennt in dieser nicht nur eine leidenschaftliche Liebe, er entwickelt zudem eine tiefe Zuneigung, die bis zu seinem Tod anhalten wird.
Mit der bezaubernden Kurtisane - ein „Engel, der vom Himmel fiel“ - an seiner Seite findet er wieder Freude am Leben. Sehr zum Ärger der hochnäsigen Aristokratie und da besonders der beleidigten Prinzessinnen, die stark an die bösen Stiefschwestern aus „Aschenputtel“ erinnern. Sie konstatieren empört: „Vater, eure Verirrungen machen uns zum Gespött von Versailles!“ Ihr Einfluss droht zu schwinden, dabei haben sie die aufmüpfige Konkubine, die beim Diner im weißen Abendkleid über die Tafel robbt, doch nur installiert, um diesen zu vergrößern.
„Très français“ handwerklich perfekt umgesetzter Film
Ausgesprochen gut harmonieren die elegant-geschmeidige Maïwenn und der hier ungewohnt zurückhaltend agierende Depp, der im Original - bei wenig Dialogzeilen - durchaus flüssig Französisch zu parlieren versteht. Sichtbaren Spaß haben die beiden unter ihren voluminösen Perücken und in den pompösen Kostümen. Letztere hat Jürgen Doering („Personal Shopper“) verantwortet, dazu überarbeitete Stücke aus vergangenen Haute-Couture-Kollektionen des Hauses Chanel als Hommage an Karl Lagerfeld verwendet.
Ebenfalls erlesen und zeitgeschichtlich korrekt ist das üppige Produktionsdesign von Angelo Zamparutti („Monsieur Claude 2“), das Kameramann Laurent Dailland („Asterix & Obelix - Mission Kleopatra“) - primär mit natürlichem (Kerzen-)Licht und symmetrisch kadriert - trefflich einfängt.
Viel Spaß machen die zahlreichen, fast beiläufig eingestreuten Vignetten. Vom strengen Zeremoniell erfährt man, beispielsweise dass es gilt, unbedingt direkten Augenkontakt mit dem König zu vermeiden. Denn das würde der Hof als Einladung verstehen. „Einladung zu was?“, fragt Jeanne mit Unschuldsmiene. „Zu Frivolitäten“, lautet die Antwort.
Die spornt die junge Frau nur dazu an, Ludwig direkt ins dick gepuderte Gesicht zu sehen. Was diesem ein Lächeln auf die rot geschminkten Lippen zaubert und in der Runde für hektische Aufregung sorgt. Insgesamt perfektes Handwerk. Dazu royale Unterhaltung.
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