Krisenherd Naher/Mittlerer Osten. Längst ist er zum Schauplatz von US-Produktionen unterschiedlichster Couleur geworden. Ob nun Robert Redfords Politthriller „Von Löwen und Lämmern“, Ben Afflecks Geiseldrama „Argo“ oder Ridley Scotts hyperrealistischer Kriegsfilm „Black Hawk Down“.
Je nach Bedarf geht’s nach Afghanistan, in den Iran oder nach Somalia. Waffen geben in diesen Werken primär den Ton an, die weißen Helden, erinnert sei an die Ein-Mann-Armee „Rambo“ alias Sylvester Stallone, haben Gesichter, der Feind bleibt anonym - und stirbt so. Daran hat sich im Verlauf der Filmhistorie wenig geändert.
Kandahar bietet mehr als spektakuläre Action
So erwartet man beim Titel „Kandahar“, in der Hauptrolle besetzt mit Muskelmann Gerard Butler („300“), ein hemdsärmeliges Abenteuer aus der Retorte. Zumal Regisseur Ric Roman Waugh („Angel Has Fallen“), der hier zum dritten Mal mit seinem Star kooperiert, ein ausgewiesener, jedoch gerne unterschätzter Fachmann in Sachen bleihaltiger Unterhaltung ist.
Spektakuläre Action mit rasanten Verfolgungsjagden und explosiven Kampfszenen stehen auf dem Programm. All das bekommt man geboten. Aber nicht nur. Wovon gleich die ungewohnt unspektakuläre, schweißtreibend-spannende Eröffnungssequenz zeugt.
Nahe einem iranischen Atomkraftwerk versuchen der Black-Ops-Agent Tom Harris (Butler) und sein Kollege Oliver (Tom Rhys Harries), als Telekommunikationstechniker getarnt, eine vermeintliche Störung im lokalen Netz zu beheben. Argwöhnisch werden sie dabei von bewaffneten Soldaten beobachtet und zur Eile angetrieben. Dennoch gelingt es ihnen, den von der CIA in Auftrag gegebenen Sabotageakt am Nuklearreaktor durchzuführen.
Einer Rückkehr in die Heimat steht nichts mehr im Weg. Noch am Abend soll Harris ausgeflogen werden. Am Telefon verspricht er seiner Frau, rechtzeitig zur Schulabschlussfeier der Tochter zurück zu sein. Dass das schwierig sein wird, gehört zu den Gesetzen des Genres.
Kandahar: Infos zum Film
Genre: Action, Thriller
Erscheinungsjahr: 2023
Laufzeit: 119 Minuten
Altersfreigabe: ab 16 Jahren
Regie: Ric Roman Waugh
Drehbuch: Mitchell LaFortune
Hauptrolle: Gerard Butler
Denn als ein Whistleblower - Edward Snowden lässt grüßen - die US-Beteiligung an der Zerstörung der unterirdischen Anlage aufdeckt, taucht das Gesicht des Geheimdienstlers weltweit in den Nachrichten auf. Ihm bleiben 30 Stunden, um sich zum über 400 Meilen entfernten Flugfeld im afghanischen Kandahar durchzuschlagen.
Dabei ist Harris auf die Hilfe seines ortskundigen Übersetzers angewiesen. Doch Mo (Navid Negahban), dessen Sohn von den Taliban getötet wurde, verabscheut das Blutvergießen und gibt den Warlords sowie den Westmächten die Schuld am ewig schwelenden Konflikt. Als sich feindliche Kräfte, darunter die iranische Revolutionsgarde und der eiskalte pakistanische Killer Kahil (Ali Fazal), an ihre Fersen heften, müssen die Männer sich zusammentun, wenn sie überleben wollen ...
Setting von Kandahar erstaunlich authentisch
Überraschend realitätsnah ist das Setting, auf grobe Schwarzweißzeichnung der Parteien beziehungsweise Figuren wird weitgehend verzichtet. Das hat wohl damit zu tun, dass das authentische Drehbuch von Mitchell LaFortune - er absolviert obendrein einen Kurzauftritt als SCIF-Sicherheitsanalyst - stammt, der selbst am Schauplatz an mehreren Einsätzen des Nachrichtendienstes DIA beteiligt war.
Mehr oder weniger ohne direkte Schuldzuweisungen kommt seine gradlinig abgespulte Story aus, in den Ruhepausen wird versucht, die vielfältigen Konflikte - ob Glaubensfragen oder wirtschaftliche Interessen - in der Region konkret und nachvollziehbar abzubilden. Was freilich nicht heißt, dass das Werk nicht die klassische, Testosteron-befeuerte „Mann auf Mission“-Mär variiert.
Minimal-Mime Butler kneift maulfaul Augen und Lippen zusammen und trotzt verschwitzt, verstaubt und verwundet allen Feinden. Mit seinem friedliebenden Neo-Buddy - die sich anbahnende Freundschaft ist wenig überraschend - stapft er durch die unwirtliche Wüste.
Verfolgt von Jeeps und Hubschraubern, einem ausgeschlafenen persischen Polizisten, der eigentlich nur zu seiner Familie zurück will, oder dem patriotischen Langhaar-Schönling Kahil, der sich auf seinem schweren Geländemotorrad nicht abschütteln lässt und von einem Leben in London träumt - schlicht, wie er erklärt, weil es dort die besseren Dating-Apps gibt.
Kritik an Kandahar: Mainstream mit etwas Tiefgang
Der Rest ist perfektes Handwerk. Kugeln pfeifen durch die Luft, Raketen schlagen donnernd ein. In Zeitlupe sacken Gebäude, von Staubwolken umringt, in sich zusammen. Mit gewagten Hechtsprüngen wird hinter Felsen Deckung gesucht ... Perfekt eingefangen von Kameramann MacGregor („Vivarium“), der außerdem ein gutes Auge für die Schönheit der Landschaft - gefilmt wurde in Saudi Arabien in und um die Hafenstadt Jeddah sowie der Oase Al-‘Ula - beweist. Kompetent gehandhabte Mainstream-Ware mit etwas Tiefgang.
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