Mannheim/Ludwigshafen. Frau Rapp, wie viele Bitt-Mails für Spenden oder Sponsoring bekommen Sie denn in der Woche?
Anna Katharina Rapp: Das läuft ganz formal über einen Antrag auf unserer Webseite ab. Pro Jahr bekommen wir mehr als 300 solcher Anträge für Einzelförderungen. Dafür haben wir ein bestimmtes Budget und genaue Kriterien, die wir auch einhalten müssen. Wir können nicht alles fördern. Das ist Fluch und Segen in meiner Position: Wir können viele tolle Projekte und Vereine unterstützen, aber einige müssen wir ablehnen, weil sie unsere Förderkriterien nicht erfüllen.
Sie müssen jetzt auch strenger sein - das Budget für Sponsoring wurde deutlich gekürzt.
Rapp: Sie wissen, die BASF ist in einer schwierigen wirtschaftlichen Situation. Da muss natürlich auch der Bereich Gesellschaftliches Engagement seinen Beitrag zur Kosteneinsparung leisten. Wir haben Ende 2022 angefangen, zu prüfen, welche Projekte weiter gefördert werden und welche nicht mehr passen. Der Prozess läuft noch, die letzte Einsparung wird im Budget 2025 abgeschlossen sein. Insgesamt haben wir dann unser Budget um 20 Prozent gekürzt. Das sind fünf Millionen Euro weniger gegenüber 2022.
Wie haben Sie ausgewählt, wo gestrichen wird?
Rapp: Das ist natürlich nicht einfach, da muss man sich stärker fokussieren. Wir haben uns entschieden, den Fokus auf die Bereiche Bildung und gesellschaftlichen Zusammenhalt zu legen. Regional legen wir den Fokus auf Ludwigshafen. Die Marschroute heißt also Bildung vor Events, Ludwigshafen vor der Region. Die Stadt Ludwigshafen mit ihren hohen Schulden hat ja ganz andere Herausforderungen als Mannheim oder Heidelberg. Und Bildung ist einfach ein so essenzielles Thema - ohne Bildung verliert man den Anschluss in unserer Gesellschaft.
Zur Person Anna Katharina Rapp
- Anna Katharina Rapp leitet seit Januar 2024 den Bereich „Gesellschaftliches Engagement“ bei BASF am Standort Ludwigshafen.
- Rapp studierte Medienmanagement und trat 2012 in die BASF Wohnen + Bauen GmbH ein. Im Anschluss wechselte sie in die BASF SE, zuletzt war sie im Stab Site Management Ludwigshafen tätig.
- Sie ist begeisterte Basketballerin und Schiedsrichterin.
Kommt der Fokus auf Bildung auch, weil Sie da den dringendsten Handlungsbedarf sehen? Die Ludwigshafener Gräfenauschule im Stadtteil Hemshof ist ein viel beachtetes Beispiel dafür. Dort wurde ein großer Teil der Erstklässler nicht versetzt - wegen massiver Defizite.
Rapp: Ich glaube, Defizite in der Bildung sind ein bundesweites Problem, aber hier in Ludwigshafen erleben wir es sehr intensiv. Die sehr diverse Bevölkerungsstruktur bringt große Herausforderung mit sich. Da geht es um das Thema Sprache, aber auch familiäre Hintergründe, wo Bildung unterschiedlich gelebt wird. Ich bin überzeugt, wenn man Kinder nicht in frühen Jahren auf dem Bildungsweg mitnimmt, dann gehen sie auf diesem verloren. Deshalb wollen wir da ganz stark ansetzen. Einmal für die Gesellschaft, aber natürlich auch für uns als Arbeitgeber.
Weil BASF gut ausgebildete Fachkräfte braucht.
Rapp: Natürlich ist uns bewusst, dass nicht alle später bei der BASF anfangen, wenn wir jetzt in Grundschulen investieren. Aber wenn wir den Kindern einen guten Bildungsweg ermöglichen und auch den Wert von Bildung vermitteln, ist die Chance größer, dass sie sich für eine Berufsausbildung entscheiden, vielleicht sogar dann auch bei BASF.
Welche Bildungsprojekte werden jetzt verstärkt gefördert?
Rapp: Wir haben zwei große Schwerpunkte: Einmal die MINT-Bildung - die Förderung naturwissenschaftlicher Fächer liegt für die BASF auf der Hand. Da haben wir mit den Schülerlaboren hier in Ludwigshafen ein großes Angebot für Grundschule bis Oberstufe. Wir orientieren uns ganz stark am Lehrplan, so dass es für die Lehrer auch ein Gewinn ist, da die Ausstattung von Chemiesälen in Schulen oft nicht üppig ist. Bei uns haben die Kinder die Möglichkeit, selbst zu experimentieren, anstatt nur zuzugucken. Dafür bekommen wir immer super Feedback.
Und der zweite Schwerpunkt?
Rapp: Wir haben jetzt ganz neu ein Projekt gemeinsam mit der Stadt Ludwigshafen aufgesetzt. Wir nennen es „Gemeinsam Ganztag gestalten“. Ab dem Jahr 2026 gibt es ja einen Rechtsanspruch für Grundschulkinder, beginnend für Erstklässler. Das stellt eine ganz besondere Herausforderung für Ludwigshafen dar. Hier gibt es gerade mal drei Ganztagsschulen - von 23 Grundschulen. Wir wollen den Schulen helfen, den Ganztagsanspruch in Realität umzusetzen. Es soll ja nicht um reine Betreuung gehen, sondern auch um Förderung, Input, Talente entdecken. Deshalb haben wir für das laufende Schuljahr erste Pilotprojekte angestoßen. Wir haben dafür Bildungspartner eingeladen, die etwa eine AG zum Forschen anbieten.
Wer macht da mit als Bildungspartner?
Rapp: Wir wollen zum Beispiel ein Angebot mit der Mannheimer Popakademie etablieren. Die bietet ein Projekt an, das über Musik mathematische Fähigkeiten fördert. Zur Bewegungsförderung sind wir mit den Basketballern von Alba Berlin im Austausch. Für die Sprachförderung arbeiten wir dem Heinrich-Pesch-Haus und Zubaka zusammen, für eine Theater AG mit dem Adrem-Theater. Jede Ludwigshafener Grundschule hat jetzt mindestens eines, viele haben sogar zwei bis drei dieser Angebote. Außerdem laufen unsere Sprachförder- und Mentoringprogramme in den Schulen weiter.
Dafür haben Sie bei der Kultur deutliche Abstriche gemacht.
Rapp: Bei unserem eigenen BASF-Konzertprogramm haben wir einige Einsparungen vorgenommen. Die waren aber auch sehr sinnvoll, denn das Besucherverhalten hat sich stark geändert. Die Klassik-Abos etwa sind weniger gefragt. Deshalb haben wir die zweitägigen Klassik-Reihen auf einen Tag zusammengelegt. Wir wollen uns öffnen für andere Musikformen, das Pop-Angebot haben wir verstärkt, machen auch mehr Cross-over-Projekte wie Klassik und Pop oder Filmmusik. Ausgebaut haben wir zudem das Programm für junges Publikum. Für Kindergärten und Schulen stellen wir kostenlose Konzerte zur Verfügung, um wirklich alle Kinder zu erreichen.
Trägt das schon Ihre Handschrift?
Rapp: Mir ist unheimlich wichtig, kein super-exklusives Programm für eine beschränkte Zielgruppe zu machen. Ich möchte so viele unterschiedliche Personen wie möglich ins Feierabendhaus bekommen.
Das externe Kultur-Sponsoring haben Sie deutlich zurückgefahren. Das Sponsoring für die Foto-Biennale in Mannheim, Heidelberg und Ludwigshafen haben Sie ganz beendet. Wo wird gekürzt, was bleibt?
Rapp: Wir führen neben der Foto-Biennale einige kleinere Projekten in Heidelberg nicht weiter. Das große Kulturförderprogramm Tor 4 hatte im April seinen Abschluss. Es wird aber ein Folgeprojekt zur Förderung für Kunst- und Kulturschaffende geben - in wesentlich kleineren Dimensionen. Wir sind früh in die Kommunikation mit unseren Partnern gegangen und haben auch alle Verträge eingehalten. Deshalb sind wir schon auf Verständnis gestoßen, dass wir der wirtschaftlichen Situation der BASF Tribut zollen müssen. Trotzdem machen wir immer noch relativ viel für die Kultur. Wir unterstützen das Wilhelm-Hack-Museum, das Theater im Pfalzbau, Kunstvereine in der Region. . .
Was ist mit großen Leuchtturmprojekten wie Enjoy Jazz oder dem Filmfestival in Ludwigshafen?
Rapp: Uns war klar, dass wir uns aus Leuchtturm-Projekten wie Enjoy Jazz oder dem Filmfestival in Ludwigshafen nicht komplett rausziehen wollen. Trotzdem mussten wir unser Sponsoring fürs Filmfestival deutlich reduzieren. Vor 20 Jahren haben wir es als BASF erst ermöglicht, dass ein Festival mit soviel Strahlkraft überhaupt entstehen konnte. Mittlerweile sind neue Sponsoren aufgesprungen, auch das Land Rheinland-Pfalz fördert konstant. Trotzdem bleiben wir Hauptsponsor des Festivals mit einem immer noch sechsstelligen Betrag.
Im Sportsponsoring sind Sie bei dem MTG Mannheim raus, beim BASF-Triathlon-Cup, bei der Bauhaus Juniorengala. . .
Rapp: Aufgrund der Fokussierung mussten wir uns leider aus einigen Projekten ganz zurückziehen. Uns liegt Sport aber weiter am Herzen, und wir führen auch einige Projekte in dem Bereich fort: den BASF Firmencup, der dieses Jahr bereits zum zwanzigsten Mal auf dem Hockenheimring stattgefunden hat; das Projekt „Sportverein der Zukunft“, bei dem wir Sportvereine fit für die Digitalisierung machen, sowie den Stadtlauf Ludwigshafen, um nur beispielhaft einige zu nennen.
Das Ludwigshafener BASF-Werk muss massiv sparen. Wie sieht das die Belegschaft, dass Millionen für Events ausgegeben werden?
Rapp: Das Bewusstsein, dass man als so großer Konzern etwas in der Metropolregion zurückgeben muss, ist in unserer BASF-Hierarchie verankert. Und wir machen ja jetzt diese Einsparungen. Da sehe ich eher das Vertrauen, auch vom Vorstand, dass wir das Geld, das wir noch zur Verfügung haben, gut einsetzen. Also so, dass es für die Nachbarschaft, für die Gesellschaft, aber auch für die BASF den größten Mehrwert hat.
Können Sie weitere Einschnitte ausschließen?
Rapp: Ganz ausschließen kann ich das nicht. Wir müssen die neue Strategie, die neue Ausrichtung der BASF abwarten. Noch sind wir mitten in der Umsetzung unserer bisher vorgegebenen Einsparungen.
Kein einfacher Start für Sie also.
Rapp: Ich bin angetreten mit dem Ziel, dass die BASF-Mitarbeitenden irgendwann sagen: Ich bin stolz darauf, was die BASF im gesellschaftlichen Engagement in der Metropolregion Rhein-Neckar ermöglicht. Es geht mir nicht nur darum, die richtigen Projekte zu fördern, sondern das auch richtig zu kommunizieren - nach außen und nach innen. Ich will die Mitarbeitenden mitnehmen, dass sie gerne die Veranstaltungen besuchen, die wir sponsern. Oder dass sie sich als Teams ehrenamtlich bei unseren Projekten engagieren, wie jetzt beim Freiwilligentag.
Haben Sie ein Lieblingsprojekt?
Rapp: Puh, das ist ganz schwer zu beantworten. . . Also, was mir sehr am Herzen liegt, ist ein Projekt zur Stärkung der Demokratie. Das wird mit Sicherheit eines meiner wichtigsten Themen in den nächsten Monaten werden. Ich sehe diese Veränderung in der Gesellschaft, die mir wirklich Angst macht. Allein schon, wenn ich an die starken Zuwächse nicht-demokratischer Parteien bei den jüngsten Wahlen denke. Da muss man viel tun - und wir haben als BASF die Chance dazu. Über unsere Arbeit in Schulen erreichen wir Kinder und Jugendliche, um das Verständnis für Demokratie zu fördern. Erwachsene wollen wir dafür mit LUnited erreichen. Wir haben ja das Projekt LUnited angestoßen, um Verein und Ehrenamt zu stärken.
Wie wollen Sie Vereine mit dem Projekt unterstützen?
Rapp: Beim Ehrenamt geht es viel um die Vermittlung von Kompetenzen, um Beratung. Deshalb haben wir jetzt als erste Maßnahme eine LUnited-Engagement-Agentur gegründet. Sie soll eine Schnittstelle bilden, um an die richtigen Stellen zu vermitteln und auch Vereine untereinander zu vernetzen.
Sie sind selbst im Ehrenamt aktiv, als Schiedsrichterin im Basketball. In welcher Liga pfeifen Sie denn?
Rapp: Ich darf bis zur zweiten Damen-Bundesliga pfeifen. Vor Kurzem durfte ich zum ersten Mal in meinem Leben ein Testspiel im SNP Dome in Heidelberg pfeifen. Das war ein schönes Erlebnis in so einer Riesenhalle. Und ich habe mich noch mal überreden lassen, diese Saison Basketball zu spielen - in Bad Bergzabern.
Helfen diese Erfahrungen im Job?
Rapp: Ich glaube, dass Schiedsrichterin sein hilft, ganz viel Persönlichkeitskompetenz zu entwickeln. Auf der einen Seite muss man eine gewisse Autorität zeigen, auf der anderen Seite braucht es Fingerspitzengefühl. Man muss immer wieder ausloten, wie streng man die Regeln anwendet, und sehr viel kommunizieren. Mir hat das viel gebracht.
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