Ludwigshafen. Rund 8000 junge Menschen haben sich für eine Ausbildung bei der BASF beworben, 650 haben einen Ausbildungsplatz erhalten. Am gestrigen Montag war ihr erster Ausbildungstag. Der Chemiekonzern gehört zu den großen Unternehmen, die selbst in Zeiten des Fachkräftemangels noch aus einem großen Fundus an Interessenten schöpfen kann.
Stellen bleiben unbesetzt
Aber: Ganz gereicht hat es für dieses Jahr dann doch nicht. Vier Prozent der Plätze, rund 50, bleiben unbesetzt, darunter unter anderem die für BASF so wichtigen Chemikanten sowie Dual Studierende, die das Unternehmen mit zu den Auszubildenden zähle. Manch einer wurde zwar genommen, obwohl er nicht ausbildungsreif war. Mit ihrem Programm „Start ins Berufsleben“ bietet die BASF schon seit vielen Jahren jungen Menschen die Möglichkeit, sich in einem vorbereitenden Jahr klar zu werden, was sie überhaupt wollen - und können. Doch auch das Angebot konnte nicht voll ausgeschöpft werden. 69 junge Leute sind im Startprogramm aufgenommen worden, 17 Plätze blieben frei.
Weitere Starts - und ein Appell der IG Metall
- Für Jürgen Otto, Vorstandsvorsitzender von Heidelberger Druckmaschinen, ist die Ausbildung „eine zentrale Säule für die Wettbewerbsfähigkeit“. Erneut beginnen 125 junge Frauen und Männer ihre Ausbildung bzw. ein duales Studium an den vier deutschen Standorten - davon allein 87 am Stammsitz Wiesloch-Walldorf. Ziel von Heidelberger Druck ist es, künftig mehr junge Frauen für technische Berufe zu begeistern.
- Der Weinheimer Mischkonzern Freudenberg meldet 70 „junge Talente“. Später seien die Chancen sehr gut: „Die Übernahmequote beträgt 95 Prozent“, erklärt Raúl González, Leiter des Bildungszentrums. Freudenberg hebt das digitale Lernen hervor - das Schweißen in virtueller Umgebung etwa.
- Grundsätzlich fordert die IG Metall Baden-Württemberg innovative Ausbildungskonzepte, faire Tarifverträge und gezielte Maßnahmen gegen den Fachkräftemangel, um die Attraktivität der Ausbildungsberufe in der Industrie zu sichern. Es brauche ständige Anpassungen der Inhalte, „damit die Fachkräfte von morgen bestmöglich ausgebildet sind“, sagt Bezirksleiterin Barbara Resch laut Mitteilung. Mehr als 50 Prozent der Auszubildenden wählt demnach typischerweise eine Lehre in einer Branche, die durch die IG Metall vertreten wird.
Dass die Bewerberinnen und Bewerber immer größere Wissenslücken in Mathematik und im Textverständnis haben, will Daniela Kalweit, Leiterin Rekrutierung Auszubildende, nicht verhehlen. Die BASF führt seit Jahrzehnten Online und in Präsenz Eignungstests durch und stellt fest, dass die Probanden immer mehr Fehler machen. Kalweit sieht das kritisch, sie betont aber auch: „Die Kompetenzen haben sich verschoben, die jungen Menschen kommen dafür heute mit anderen Fähigkeiten zu uns, etwa im Bereich der Digitalisierung oder bei der Teamfähigkeit.“
Studium bei Abiturienten immer noch bevorzugt
Ein Problem, das nicht nur die BASF, sondern alle Betriebe betrifft, ist der Stellenwert einer Ausbildung. Die Frage, ob nach dem Abitur ein Studium oder eine Ausbildung folgt, ist in den vegangenen Jahren häufig zugunsten des Studiums ausgefallen. So dachte auch Maximiliane Schmidt. Die 25-Jährige hat 2018 Abitur gemacht und dann ein Studium als Förderschullehrerin begonnen. Nach vier Semestern stellt sie fest: Das ist nichts für mich. Sie überlegt, eine Ausbildung als Chemikantin zu beginnen. Doch Familie und Freunde halten dagegen: „Wofür hast du dann Abitur gemacht?“ Maximiliane Schmidt fängt ein neues Studium an, diesmal Personalmanagement. Nach vier Semestern die gleiche Erkenntnis: Das ist nicht mein Ding. Sie bewirbt sich heimlich bei der BASF für eine Ausbildung, und als sie den Platz erhält, erzählt sie es ihrem Umfeld. Inzwischen ist sie im dritten Lehrjahr und sagt: „Ich bin absolut glücklich mit der Entscheidung."
Um Umwege dieser Art zu vermeiden, suchen die Unternehmen den Kontakt in die Schulen. „Die Berufsorientierung ist ein wichtiger Faktor, wir müssen die Berufe erklären, damit sich die Menschen bewerben und damit keine falschen Erwartungen entstehen“, betont Elmar Benne, Leiter der Aus- und Weiterbildung bei BASF. Die Sinnstiftung sei für junge Menschen dabei von großer Bedeutung. „Sinn bedeutet, an der richtigen Stelle zu sein und etwas zu tun, bei dem man die eigenen Stärken einbringen kann.“
Coaching für die Motivation
Weil das nicht immer so einfach ist, die eigenen Stärken zu erkennen sowie die Motivation auch in schwierigen Phasen der Ausbildung aufrechtzuerhalten, bietet die BASF in diesem Jahr erstmals ein Coaching oder Gruppenworkshops an, um speziell die Auszubildenden im Elektrobereich und die Chemikantinnen und Chemikanten zu stärken. „Wer Spaß am Lernen hat, ist motiviert, und wir wollen motivierte Mitarbeitende“, unterstreicht Benne.
Nicht immer gelingt das, und so werden auch jedes Jahr Ausbildungen abgebrochen. Bei der BASF ist die Quote mit zehn Prozent noch vergleichsweise niedrig, besonders niedrig sind sie im Laborbereich und im kaufmännischen Bereich, höher in der Technik und Produktion. Im bundesweiten langjährigen Mittel liegt die Abbruchquote deutlich höher, da sind es 25 Prozent mit steigender Tendenz.
Dass große Konzerne wie BASF mal den Kürzeren ziehen, ist auch eine Erkenntnis aus den Bewerbungsprozessen der vergangenen Jahre. Denn so mancher, der eine Zusage hat, nimmt diese nicht an - weil er eine Alternative gefunden hat, die zwar kleiner ist, aber ums Eck liegt. „Wohnortnähe spielt eine immer größere Rolle“, sagt Benne.
Programm für Quereinsteiger
Eine Lösung im Fachkräftemangel sind zunehmend die Quereinsteiger. Auch die BASF hat dafür ein Programm, um ihren Bedarf in der Produktion und Technik zu decken. Das sind dann Leute wie Aaron Schott, der zehn Jahre in der Lebensmittelindustrie gearbeitet hat und dann - mit 26 Jahren - entschied, sich umzuorientieren. „Vier Jahre hat die Ausbildung gedauert, und dann noch einmal vier Jahre für den Meister“, erzählt Schott. Eine klassische Berufsschule besuchen die Quereinsteiger nicht, sie arbeiten Vollzeit bei höhrer Bezahlung und erlernen die Theorie in der Abendschule. 127 Quereinsteiger hat die BASF in diesem Jahr.
Zahl der Ausbildungsplatz insgesamt rückläufig
Im Vergleich der vergangenen Jahre gehen die Azubi-Zahlen der BASF am Standort Ludwigshafen insgesamt zurück. Waren es 2022 noch 800 Auszubildende gewesen, sind es jetzt eben 650, und im nächsten Jahr sollen es noch einmal weniger werden. Mit Blick auf die Schlagzeilen der letzten Wochen betont Benne aber auch: „Wir schließen Anlagen, das heißt aber nicht, dass wir nicht an die Zukunft unseres Standorts glauben.“
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