Mannheim. Seit knapp einem Jahr ist Thomas Schulz Vorstandsvorsitzender von Bilfinger. Jetzt hat er zusammen mit Finanzvorstand Matti Jäkel seine Strategie für den Mannheimer Industrie-Dienstleister vorgestellt – die ist ganz schön ehrgeizig. Und sie kostet Arbeitsplätze. Die Börse störte das nicht: Am Morgen setzte der Aktienkurs zum Höhenflug an und schloss mit einem Plus von rund neun Prozent, auch weil die Geschäftszahlen 2022 gut ankamen.
750 Arbeitsplätze weltweit in der Verwaltung sollen bis Jahresende wegfallen. Diese „Kapazitätsanpassung“ ist Teil des im November 2022 aufgelegten Effizienzprogramms. Es soll Bilfinger schlanker und profitabler machen – „operative Exzellenz“ nennt der Vorstand das. Wo genau die Jobs gestrichen werden, dazu sagt das Vorstandsduo nichts Genaues. Noch laufen Verhandlungen mit dem Betriebsrat.
Es geht auch um Kündigungen
Schulz sagte lediglich: „Wo wir wie viel abbauen, richtet sich danach, wo die meisten Verwaltungsstrukturen sitzen.“ Das treffe gerade auf die Mannheimer Zentrale zu, die naturgemäß „sehr viel Verwaltung hat“. Es gehe allerdings um die Standorte weltweit, nicht nur in Deutschland. Klar ist schon, dass neben den üblichen Instrumenten wie Vorruhestandsregelungen oder Abfindungen auch betriebsbedingte Kündigungen nicht auszuschließen sind.
Er wisse, dass der Stellenabbau für die Betroffenen „sehr schlimm“ sei, sagte Schulz. Die Strukturen in der Verwaltung seien aber noch zu komplex. Sparprogramme und Stellenabbau gab es in den vergangenen Jahren mehrfach, als der SDax-Konzern in einer schweren Krise steckte. In der Mannheimer Zentrale arbeiteten Ende 2023 noch 230 Menschen. Zum Vergleich: 2015 waren es 350 Beschäftigte. Schlanker soll die Verwaltung konzernweit werden, indem Doppelfunktionen abgebaut und Arbeitsabläufe gebündelt und standardisiert werden. Das Effizienzprogramm soll Einsparungen von 55 Millionen Euro jährlich bringen. Ein Viertel der eingesparten Mittel soll aber in die Aus- und Weiterbildung investiert werden. Damit will sich Bilfinger in Zeiten des Fachkräftemangels als attraktiver Arbeitgeber positionieren – und mehr Fachkräfte aus den eigenen Reihen ausbilden.
Wachstum soll grüner werden
Schulz’ großes Ziel ist die Positionierung des Konzerns als Nummer eins für Effizienz und Nachhaltigkeit bei der Kundschaft. Dabei setzt er darauf, dass der Markt für grüne Technologien stark wachsen wird. Gerade diesen Bereich soll Bilfinger besetzen. „Der Markt ist da“, betont Schulz. Das grüne Geschäft rund um Wasserstoff, Biofuels, Recycling, Wasserkraft sowie Atomkraft (auch diese wird von Bilfinger als grün eingestuft) hat bereits 2022 deutlich zugelegt. Zusammen mit Aktivitäten wie etwa der Isolierung, die Kundenindustrien indirekt nachhaltiger machen sollen, ist der Umsatz um 50 Prozent gestiegen.
Wieder Geld für Zukäufe
Andersherum läuft es bei den Bereichen, die nichts mit Nachhaltigkeit und Effizienzverbesserung für die Kunden zu tun haben. „Das Geschäft werden Sie in den nächsten Jahren verschwinden sehen“, sagte Schulz. Noch macht es zehn Prozent des Bilfinger-Umsatzes aus. Auch Zukäufe nimmt der Vorstand ins Visier, nachdem in den vergangenen Jahren viele Einheiten außerhalb des Kerngeschäfts verkauft wurden. Bilfinger kann sich das wieder leisten bei einem deutlich gestiegenen Cashflow. Das Unternehmen hat – anders als in den Krisenjahren – wieder Geld in der Kasse.
Der Vorstandsvorsitzende hält vor allem Übernahmen für sinnvoll, die „das Fachwissen im Konzern verbessern“, ganz neue Bereiche sind für ihn nicht interessant. Auch am Fokus auf die Märkte in Europa, Nordamerika und dem Nahen Osten hält er vorerst fest. Besonders ehrgeizig zeigt sich Schulz bei den Finanzzielen: Bilfinger soll in den nächsten Jahren deutlich profitabler werden. Als Kennzahl dafür nennt er die Ebita-Marge. Sie spiegelt das Verhältnis des betrieblichen Ergebnisses vor Abschreibungen zum Umsatz wider. Im Vorjahr lag sie bei 1,8 Prozent. Schon 2024 soll die Ebita–Marge bei mindestens fünf Prozent liegen. In drei bis vier Jahren soll sie sogar auf sechs bis sieben Prozent klettern.
1,30 Euro Dividende geplant
Von höheren Margen dürften die Aktionäre profitieren. „Die Dividende soll kontinuierlich wachsen“, sagt Finanzvorstand Jäkel. Für 2022 ist eine Dividende von 1,30 Euro je Aktie geplant. 2021 waren es insgesamt 4,75 Euro je Aktie, allerdings war darin eine Sonderausschüttung von 3,75 Euro enthalten.
Im vergangenen Jahr hat Bilfinger von einer hohen Nachfrage profitiert. Auf allen Märkten, in allen Ländern und Segmenten ist es laut Schulz gut gelaufen. Der Umsatz stieg im Jahresvergleich um 15 Prozent auf rund 4,3 Milliarden Euro. Rückstellungen für das Sparprogramm in Höhe von 62 Millionen Euro belasteten das operative Ergebnis und den Jahresüberschuss. Unter dem Strich blieb ein Gewinn von 28 Millionen Euro.
Für das laufende Jahr rechnet Bilfinger mit einem Umsatz von 4,3 Milliarden bis 4,6 Milliarden Euro. 2023 soll das Ergebnis nicht durch weitere Sondereinflüsse belastet werden.
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Bergsträßer Anzeiger Plus-Artikel Kommentar Bilfingers Sparpläne: Effizienz um jeden Preis