Mannheim. Es ist noch nicht so lange her, dass der frühere Pepperl+Fuchs-Chef Gunther Kegel die Mannheimer Fertigung als „Geburts- und Sterbehaus“ bezeichnet hat. Denn hier werden entweder ganz neue oder ganz alte Produkte hergestellt.
Die ohnehin etwas despektierliche Umschreibung „Sterbehaus“ bleibt nun noch etwas länger im Kopf. Denn die Fertigung am Mannheimer Stammsitz steht vor dem Aus. Sie soll nach Osteuropa und Südostasien verlagert werden. 80 bis 90 Beschäftigte verlieren dadurch ihren Arbeitsplatz. Die Gewerkschaft ist alarmiert: Es drohe eine weitere Stufe der Deindustrialisierung, sagt Daniel Warkocz, Zweiter Bevollmächtigter und Geschäftsführer der IG Metall Mannheim.
Mannheims OB Christian Specht: „Schmerzlicher Einschnitt“
Auch die Stadtspitze um Oberbürgermeister Christian Specht (CDU) schaltet sich ein. Der Wegfall industrieller Arbeitsplätze sei „ein schmerzlicher Einschnitt, den wir sehr ernst nehmen und den wir kritisch begleiten werden, denn hinter jeder Zahl stehen Menschen mit Familien, Existenzen und Perspektiven“, erklärt er. Specht bittet die Unternehmensleitung, „im Dialog mit Betriebsrat und Gewerkschaft zu bleiben und alle vorgelegten Alternativkonzepte ernsthaft zu prüfen“. Für die betroffenen Beschäftigten wolle man gemeinsam mit den Sozialpartnern und dem Land Baden-Württemberg nach Wegen suchen, Perspektiven zu sichern und Härten abzufedern.
Ob es wirklich weitere Gespräche gibt, mit denen die Verlagerung noch abgewendet werden kann?
Pepperl+Fuchs verteidigt die geplante Verlagerung. Das Unternehmen will eine klare Trennung: „international wettbewerbsfähige Fertigungsstandorte für arbeitsintensive Prozesse“ auf der einen Seite, hoch spezialisierte Technologie-Zentren auf der anderen.
Teurer als das Ausland
Die deutsche Industrie produziert um gut ein Fünftel teurer als ihre ausländischen Konkurrenten. Die Lohnstückkosten lagen im vergangenen Jahr um 22 Prozent höher als der Schnitt von 27 untersuchten Industriestaaten, wie aus einer Studie des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW) hervorgeht.
Höher sind die Kosten demnach nur in Lettland, Estland und Kroatien . Zugleich punktet Deutschland aber mit einer hohen Produktivität , die unter den großen Industriestaaten nur von den USA übertroffen wird.
Studienautor Christoph Schröder geht davon aus, dass der Fachkräftemangel die Löhne weiter nach oben treibt. „Die Kosten am Standort Deutschland dürften in den kommenden Jahren weiter steigen .“
„Wir sind seit über 20 Jahren mit nennenswerten Wertschöpfungsanteilen in Standorten in Osteuropa und Südostasien aktiv, haben dort viel relevantes Know-how aufgebaut und entwickeln unser globales Produktions-Netzwerk stetig weiter“, lässt Vorstandsmitglied Tobias Blöcher schriftlich mitteilen. „Dabei sind immer mehrere Faktoren wichtig, wie die Vereinfachung unserer Lieferketten, Nähe zu Märkten, Kosten und Flexibilität. Der Standort Deutschland muss sich diesbezüglich dem internationalen Wettbewerb stellen. Der teils rasante Wegzug lokaler Wertschöpfung quer durch nahezu alle Industriezweige in Deutschland macht die Herausforderung deutlich, vor der wir alle stehen.“
Handels- und Zollkonflikte erschweren das Geschäft von Pepperl+Fuchs
Das Geschäft beschreibt Pepperl+Fuchs als nach wie vor schwierig, die erwartete Besserung für dieses Jahr sei bislang nicht eingetreten. „Dies steht auch im Zusammenhang mit den Unsicherheiten rund um die Handels- und Zollkonflikte und der anhaltenden Strukturschwäche Europas, die auch durch einen sich stabilisierenden Markt in Asien nicht ausgeglichen werden können“, so Blöcher. „Daher ist es umso wichtiger, dass Pepperl+Fuchs die Themen konsequent angeht, mit denen aus eigener Kraft eine Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit in globalen Märkten erreicht werden kann.“
Zum Stammsitz bekennt sich das Unternehmen deutlich. „Pepperl+Fuchs wird über die nächsten Jahre hinweg einen nennenswerten zweistelligen Millionenbetrag am Standort Mannheim investieren“, sagt Blöcher. Auch OB Specht hebt das positiv hervor. Der ehemalige Konzernchef Gunther Kegel hatte zuletzt mehr als 30 Millionen Euro ins Spiel gebracht.
Die IG Metall macht sich zunächst vor allem Sorgen wegen der Verlagerung. Die Nähe von Produktion und Entwicklung sei ein Standortvorteil, der nun in Gefahr gerate, moniert Warkocz. Der Gewerkschafter fordert das Management auf, die Pläne zurückzunehmen und über mögliche Alternativen zu sprechen.
Ein Konzept dafür lag offensichtlich schon auf dem Tisch, dieses ist nach Angaben des Betriebsrats „bisher leider abgelehnt“ worden.
Pepperl+Fuchs schließt betriebsbedingte Kündigungen nicht aus
Pepperl+Fuchs lässt durchblicken, am liebsten so schnell wie möglich in Verhandlungen über Verlagerung und Arbeitsplatzabbau treten zu wollen – um „einvernehmlich gute, sozialverträgliche Lösungen für unsere direkt betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter“ zu finden. Die momentane Beschäftigungssicherung laufe Ende 2026 aus. Vorstandsmitglied Blöcher macht klar: Betriebsbedingte Kündigungen seien zum jetzigen Zeitpunkt nicht ausgeschlossen.
Die IG Metall indes verlangt erst noch weitere Informationen von Pepperl+Fuchs über die Umstrukturierung, auch ein Sachverständiger soll hinzugezogen werden – für ein neues Alternativkonzept. „Das sind wir den Beschäftigten schuldig“, sagt Warkocz, „am Ende des Tages wollen wir alles versucht haben.“
Dass die Gewerkschaft eine „weitere Stufe der Deindustrialisierung“ fürchtet, kommt nicht von ungefähr. Nach wie vor laufen Auseinandersetzungen mit Bopp & Reuther Valves, Alstom und Daimler Truck.
- Bopp & Reuther Valves will unter anderem das Powergeschäft – hier werden in Mannheim Regelarmaturen für konventionelle Kraftwerke konstruiert und vertrieben – ins Ausland verlagern, auch hier sind Jobs in Gefahr. Mitte September soll es weitere Gespräche darüber geben.
- Alstom stellt sich schon seit Monaten neu auf. Mannheim soll sich auf Digitalisierung und Entwicklung konzentrieren – und im Gegenzug wahrscheinlich das Servicegeschäft sowie den Rest der schon größtenteils nach Spanien verlagerten Produktion verlieren. Laut IG Metall stehen rund 80 Jobs zur Disposition.
- Daimler Truck will mit dem Sparprogramm „Cost Down Europe“ die wiederkehrenden Kosten um mehr als eine Milliarde Euro bis spätestens 2030 dauerhaft senken. Wie stark der Stellenabbau einzelne Standorte wie Mannheim treffen wird, ist noch unklar.
Oberbürgermeister Christian Specht weiß um die schwierige Zeit. Trotzdem gibt er sich kämpferisch: „Mannheim ist und bleibt Industriestadt – und die Balance aus Produktion, Forschung und Innovation macht unsere Stärke aus.“
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Bergsträßer Anzeiger Plus-Artikel Kommentar Produktions-Aus bei Pepperl+Fuchs ist gefährliches Signal