Wirtschaft

Unternehmen gehen mit Lieferketten-Gesetz hart ins Gericht

Die Mehrheit der Betriebe schaut bei ihren Geschäften auf die nackten Zahlen. Faktoren wie Umweltschutz und Sozialstandards spielen eine geringe Rolle. Eine Umfrage der Uni Mannheim liefert dazu interessante Fakten

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Walter Serif
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Das neue Lieferkettengesetz stößt in der Wirtschaft auf Ablehnung. Die Unternehmen kritisieren den hohen Dokumentationsaufwand. © Marcus Brandt/dpa

Mannheim. Alle reden von Nachhaltigkeit - auch die Unternehmen in Deutschland verwenden den Begriff in ihren Pressemitteilungen inflationär. Doch in Wirklichkeit dominieren in der Wirtschaft weiter die bewährten Kriterien wie der Preis, die Produkteigenschaften und die Lieferungs- und Zahlungsmodalitäten. Das ist das Ergebnis der Umfrage des German Business Panels (GBP) der Universität Mannheim.

Die Daten des GBP zeigen, dass die Wirtschaft nicht den ehrgeizigen Zielen der Politik folgt, die auf EU-Ebene die großen Unternehmen dazu verpflichtet, sich stärker für Umweltschutz und Sozialstandards einzusetzen.

Nachhaltigkeitskriterien spielen in der Wirtschaft eine geringe Rolle

Eine entsprechende Lieferkettenrichtlinie hat die Europäische Union im Mai 2024 nach großem Streit verabschiedet. Mit Dokumentationspflichten soll dabei auf alle an Lieferketten beteiligten Unternehmen Druck ausgeübt werden, zur Einhaltung von Nachhaltigkeitszielen beizutragen. Nicht zuletzt in der Erwartung, dass andernfalls wichtige Geschäftspartnerschaften beendet würden. Bis 2029 soll die EU-Richtlinie umgesetzt werden.

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Die Richtlinie verpflichtet Unternehmen dazu, zu dokumentieren und nachzuweisen, inwiefern diese Standards entlang ihrer Lieferketten eingehalten werden. Ab 2029 müssen Unternehmen mit mehr als 1000 Beschäftigten und mehr als 450 Millionen Euro Jahresumsatz ihren Pflichten nachkommen. Der deutsche Gesetzgeber hat bereits im Vorjahr das ebenfalls umstrittene Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz mit einer ähnlichen Zielsetzung verabschiedet. Die EU-Regelung weitet im Vergleich zum deutschen Gesetz die Umwelt-Pflichten aus und formuliert umfangreichere Haftungs- und Sanktionsbestimmungen.

Die hochgesteckten Erwartungen haben sich bisher offensichtlich nicht erfüllt. Wenn Betriebe ihre Kunden oder Lieferanten auswählen, spielen Kriterien wie Umweltschutz oder Nachhaltigkeit nur eine untergeordnete Rolle. Dies gilt nicht nur für große Unternehmen, die offenlegen müssen, wie sie es mit dem Umweltschutz und den Sozialstandards halten. Auch die kleineren Betriebe, für die die Dokumentationspflicht nicht gilt, handeln so.

60 Prozent schätzen den Berichtsaufwand als zu hoch ein

Nur Unternehmen, deren Geschäftsmodell auf Nachhaltigkeitsfaktoren ausgelegt ist, wollen ihre Lieferketten anpassen. Das geschieht nicht aus Altruismus. Besonders Betriebe, die auch in reale Umwelt- und Klimaschutzmaßnahmen investieren, achten auf Nachhaltigkeit, weil sie zum Beispiel ihre eigenen Emissionen verringern wollen.

„Die vielen bürokratischen Pflichten, die für Lieferketten eingeführt wurden, ändern offensichtlich wenig daran, dass Unternehmen bei der Auswahl ihrer Geschäftsbeziehungen kaum bereit sind, ihre gewohnten Geschäftsabläufe aus Rücksicht auf gesellschaftliche Ziele umzustellen“, sagt Jannis Bischof von der Universität Mannheim. Die Umsetzung des Gesetzes ist demnach „in zu vielen Fällen eine reine Compliance-Übung ohne realen Einfluss auf Nachhaltigkeitsziele“.

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Die meisten Unternehmen bewerten die neuen Standards zur Regulierung von Lieferketten insgesamt negativ. Bei den Betrieben, die mit den Nachhaltigkeitskriterien wenig am Hut haben, sind es 56 Prozent. Aber selbst bei Unternehmen, die mit diesen Kriterien durchaus etwas anfangen können, sind es immerhin noch knapp 40 Prozent.

Bemerkenswerterweise schneiden die neuen Vorgaben bei den sie praktizierenden Unternehmen besonders schlecht ab: Rund 60 Prozent meinen, dass der Berichtsaufwand zu hoch sei. Zwei Drittel halten diese für zu komplex und zu bürokratisch. „Gerade diejenigen, die sich mit den Standards aktiv auseinandersetzt haben, scheinen also besonders kritisch zu sein“, so Forscher Bischof.

Redaktion Reporter für Politik und Wirtschaft

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